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Wie man einen Wolf tötet

Um einen Wolf tödlich zu verletzten, ohne dass er dabei sofort verendet, schießt man ihm am besten in den Bauch, vorzugsweise mit Vollmantelgeschossen. Das erfuhren wir auf dem ersten Wettbewerb im Wölfetöten in den USA seit 1974.

Foto von Martyn Stewart. Alle anderen Fotos vom Autor

Um einen Wolf tödlich zu verletzten, ohne dass er dabei sofort verendet, schießt man ihm am besten in den Bauch, vorzugsweise mit Vollmantelgeschossen. Anders als weiche Kugeln mit Bleispitzen, die in der Körperhöhle zerbersten, durchlägt ihn die stark ummantelte AP-Munition und tritt auf der anderen Seite wieder aus. Das hat zwei Vorteile. Der Erste: Durch den Bauchschuss leidet das Tier besonders. Es verblutet langsam, während es in schrecklicher Panik flieht und nach etwa anderthalb Kilometern zusammenbricht. Dann stirbt es.

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Der zweite Vorteil: Wenn du illegal jagst (außerhalb der Saison, nachts mit einem Suchscheinwerfer oder dort, wo es verboten ist), können Wildhüter nur wenig kriminaltechnisches Beweismaterial finden. Im Kadaver wird sich keine Kugel finden lassen. Was aber am wichtigsten ist: Das Tier entfernt sich von der Stelle, wo es angeschossen wurde, sodass es beinahe unmöglich ist, den Ort aufzuspüren, wo der Schuss abgegeben wurde.

Diese hilfreichen Tipps bekam ich von einem netten älteren Herrn in einem Saloon in Salmon, Idaho, wo im vergangenen Dezember das erste jährliche Kojoten- und Wolfsderby stattfand. Ich war in diese ländliche Gemeinde mit etwa 3.000 Einwohnern gereist, um am Derby teilzunehmen. An zwei Tagen Ende Dezember wetteiferten mehrere hundert Jäger darum, wer die meisten Wölfe und Kojoten zur Strecke bringen würde. Zwei Preise im Wert von jeweils 1.000 Dollar waren ausgeschrieben: einer für denjenigen, der die meisten Kojoten erlegt und der andere für den größten Wolfskadaver. Auch Kinder wurden zur Teilnahme ermutigt.

Ein Flyer warb mit Extrapreisen für Jugendliche von zehn bis elf und zwölf bis vierzehn Jahren. Der Organisator des Derbys, eine gemeinnützige Jagdsportgruppe namens Idaho for Wildlife, hatte ein historisches Ereignis angekündigt: den ersten Wettbewerb im Wölfetöten in den USA seit 1974.

Nach Nahrung zu jagen, ist eine Sache, und in manchen Fällen kann Jagd dazu dienen, populationsstarke Tierarten wie etwa Rotwild im ökologischen Gleichgewicht zu halten. Dass diese sich in den USA so stark vermehren, hat einen einfachen Grund: große Raubtiere wie der Puma und—ihr habt es sicher schon vermutet—der Wolf kommen in den USA immer seltener vor.

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Es ist eine Tatsache, dass wir Wölfe im Ökosystem brauchen. Warum dann ein Jagdwettbewerb, um sie alle loszuwerden? Nachdem ich mich in die Hassliteratur zum Thema Wolf auf der Webseite von Idaho for Wildlife vertieft hatte, fragte ich mich, ob es reine Bosheit war, die die Bewohner Salmons antrieb, die Wölfe töten zu wollen. Sie hassen diese Geschöpfe, und ich wollte verstehen, warum.

Neben dem Töten von Wölfen ist es ein weiteres wichtiges Anliegen dieser Gruppe, so zu finden auf ihrer Webseite, „ … gegen alle rechtlichen Aktivitäten und Gesetzesinitiativen der Tierrechte- und Antiwaffen-Organisationen zu kämpfen, die versuchen, uns der durch die Verfassung der Vereinigten Staaten garantierten Rechte und Freiheiten zu berauben.“

Die Webseite wies auch daraufhin, dass jede Berichterstattung über das Derby unerwünscht war. Eine vernünftige Reportage über das Derby würde ich also nur schreiben können, wenn ich selbst undercover als Jäger daran teilnähme. So tauchte ich also ein paar Tage vor dem Ereignis in Salmon auf, bezahlte die Teilnahmegebühr von 20 Dollar und verschrieb mich dem Abschlachten.

Das Derby schrieb vor, dass die Jäger in Zweiergruppen arbeiten sollten. In den Wochen vor dem Wettbewerb rekrutierte ich zwei Prowolf-Aktivisten, Brian Ertz und seine Schwester Natalie Ertz, gebürtige Idahoer, die für lokale Naturschutzgruppen tätig gewesen waren. Mit Brians Freund Bryan Walker, einem knorrigen Ex-Marine und Rechtsanwalt aus Idaho, der sich mit Schamanismus beschäftigt und behauptet, mit Tieren sprechen zu können, war unser Team komplett.

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In einer Bar in Salmon spendierte ein freundlicher älterer Herr namens Cal Black uns vieren eine Runde, als wir ihm erzählten, dass wir wegen des Derbys in der Stadt seien. Cal war auf einer Ranch in der Nähe der Stadt aufgewachsen und seine Ansichten über Wölfe entsprachen denen der meisten Menschen hier. Salmon ist Nutztierland—die Landschaft ist übersät mit Kühen und Schafen—und die Rancher machen die Wölfe für die vielen Todesfälle unter ihren Tieren verantwortlich. Um die Wölfe ins Jenseits zu befördern, ist ihnen jedes Vorurteil recht. Das Derby war ein natürlicher Auswuchs dieser Einstellung.

„Erledigt jeden einzelnen verdammten Wolf mit einem Bauchschuss“, forderte Cal uns auf. Den „Treehuggern“, die Cals Ansicht nach meist in New York City lebten, wünschte er ein ähnliches Schicksal. „Wisst ihr, was ich gerne sehen würde? Nehmt die verdammten Wölfe und bringt sie in den Central Park. Sie zwingen uns diese verdammten Wölfe ja schließlich auch auf! Blödsinn! Es heißt, ein Wolf würde dich nicht angreifen. Na, verdammt, diese Ökofreaks haben doch gar keine Ahnung. Sollen sie doch diese verdammten Freaks auffressen. Vielleicht kapieren sie es dann!“

Wir stießen zusammen darauf an, dass die „Treehugger“ das bekämen, was sie verdienten. Ich unterdrückte den Impuls, Cal zu erzählen, dass ich zweitweise in New York lebe, und dass Natalie auf dem College Baumpflegerin gelernt und beruflich tatsächlich Bäume umarmt hat.

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Ihr Bruder, 31 und Jurastudent in Boise, Idaho, hatte mich vor den Gefahren einer Undercoveraktion gewarnt, als ich ihm die Idee am Telefon erläuterte. Als Vertreter des gemeinnützigen Western Watersheds Project, das sich für den Schutz der Wölfe engagiert, hat er an zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen zu „Wolfsmanagement“ in Gemeinden wie Salmon teilgenommen. „Salmon ist der Bauch der Bestie“, sagte er mir. „Es gibt keinen feindseligeren Ort. Das ist Mordor.“

Brians ehemaliger Chef beim Western Watersheds Project, sein Geschäftsführer Jon Marvel hat Todesdrohungen erhalten, weil er sich öffentlich für Wölfe einsetzt und sich gegen die mächtige Nutztierindustrie wendet. Larry Zuckerman, ein Naturschutzbiologe bei der gemeinnützigen wolffreundlichen Umweltschutzorganisation Wild Love Preserve, vermutet, dass einige Befürworter der Wolfsjagd aus Salmon seine drei Hunde tödlich vergiftet haben.

Viele Prowolf-Aktivisten im amerikanischen Westen, besonders die, die sich öffentlich gegen die Ranchindustrie stellen, berichten von ähnlichen Drohungen und Übergriffen—aufgeschlitzte Reifen, verwüstete Häuser, nachts mit Ziegeln eingeschlagene Scheiben. Idaho for Wildlifes Ansicht dazu haben sie auf ihrer Webseite deutlich formuliert: „Überflüssige Raubtiere und Umweltschützer sollten zuerst dran glauben!“ Zur Vorbereitung auf das Derby verkleideten wir uns im örtlichen Stil: Tarnhosen und -jacken, Wollmützen, Sturmhauben, Ferngläser und schwere Stiefel.

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Wenn er nicht gerade auf mystische Weise mit ihnen kommuniziert, jagt Walker gerne Rothirsche. Er fiel in Salmon nicht weiter auf mit seinem M4 Karabiner und dem 30-Schuss-Magazin und seiner Beretta .45 an der Hüfte. Er lieh mir seine Repetierbüchse, eine .300 Win Mag mit zusammenklappbarem Zweibeinständer, während Brian eine .30-06 mit Leupold-Zielfernrohr trug. Natalie, groß und attraktiv, war nur mit einer Kamera bewaffnet und spielte die Rolle der zahmen Hausfrau „für die Party hier“, wie sie sagte.

Von links nach rechts: Bryan Walker, Brian Ertz und Natalie Ertz

Bei der Registrierung für das Derby am Abend davor hatten wir so überzeugend gewirkt, dass die Organisatoren sich noch nicht einmal die Mühe machten, nach unseren Jagdscheinen und Wolfskonzessionen zu fragen. Stattdessen verrieten sie uns Orte in den umliegenden Bergen, wo wir Wölfe zum illegalen Abknallen finden konnten.

In „Wolves and the Wolf Myth in American Literature“ stellt S. K. Robisch den Wolf als eine „mystische Kraft im menschlichen Geist“ dar, eine, die seit Jahrtausenden mit reiner Blutgier verbunden wird, der verstörenden Grausamkeit der Natur. Der Wolf als mythologisches Superraubtier verbreitet Schrecken und Chaos, er verschlingt unsere Jungen, unsere Alten, die Schwachen, die Unschuldigen und die Törichten mittels Lug und Betrug.

In Matthäus 7:15 heißt es: „Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe …“ Rotkäppchen verliert seine Großmutter an einen Transvestiten-Wolf, und auch die drei kleinen Schweinchen müssen ihren Preis zahlen. Im Spätmittelalter erklärte die römisch-katholische Kirche den Wolf zum Agenten Satans bzw. zur womöglich gestaltwechselnden Manifestation Satans selbst. Und natürlich lebte auch der Werwolf, ein Mensch, der durch einen Biss zur Bestie wird, in unserer Vorstellungswelt als dämonische Figur, die im Schein des Vollmonds, dem Wahnsinn verfallen, wahllos tötet.

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In den angelsächsischen und germanischen Sprachen beschrieben bestimmte Wörter für Wolf—Warg, Warc, Verag—auch Banditen und Gesetzlose und böse Geister. Im Schwedischen bedeutet das Wort „varg“ schlicht „alles, was falsch ist“. Sogar Teddy Roosevelt, der Naturschutzpräsident und Wildnisfan, bezeichnete Wölfe als den „Archetypus der Raubgier [sic], verschwenderische und zerstörerische Bestien.“

In Wirklichkeit verbindet den Homo sapiens eine lange und innige Beziehung zu Canis lupus. Der Wolf war das erste Wildtier, das domestiziert wurde, lange vor Kühen, Pferden oder Ziegen. Sein direkter Nachfahre ist Canis lupus familiaris, besser bekannt als der Haushund, der trotz der Züchtung weitverzweigter Unterarten mit dem Wolf genetisch fast identisch ist. Bären, Tiger, Löwen—gefürchtete Jäger der menschlichen Rasse und auch heute noch wesentlich gefährlicher für Menschen als der Wolf—sind nie aus dem Dunkel hervorgekommen, um sich rund um ihre Lagerfeuer zu den ersten Hominiden zu gesellen. Die Wölfe taten das, obgleich die Menschen in ihrer Mitte unter Umständen zu Futter wurden.

Man nimmt an, dass Wölfe und Menschen vor etwa 20.000 Jahren dieselbe Beute—große Pflanzenfresser—jagten, und genau wie wir arbeiten Wölfe im Rudel. Wir haben uns an ihrer Beute gütlich getan und sie sich an unserer. Gegensätze wichen Gemeinsamkeiten, der Symbiose und der Kooperation. Um 8.000 v. Chr. begannen die Menschen allerdings damit, Vieh zu domestizieren und in Dörfern zu leben. Der Wolf war nicht mehr unser Freund, als er die Schafe und Kühe, die nun unser Eigentum waren, belauerte und auffraß. So entstand der Hass auf das Tier und nahm in dem Maße zu, in dem wir uns von der Wildnis entfernten.

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Die Eroberer aus Europa, mit Schießpulver bewaffnet und gierig nach Land, erwiesen sich bei ihrer Ankunft in der Neuen Welt als eine viel verschwenderischere und zerstörerischere Bestie als alle anderen Raubtiere zusammen: Wolf, Puma, Kojote, Schwarzbär, Grizzly, Luchs, Vielfraße. Wo immer er seinen Fuß hinsetzte, schlachtete er sie ab. Wölfe wurden auf der Stelle erschossen oder in Fallen und Schlingen gefangen, wurden mit vergifteten oder mit Glas gespickten Kadavern gefüttert, und ihre Jungen wurden in ihren Höhlen vergast oder verbrannt. „Dieses Verhalten versetzte die Ureinwohner Amerikas in Erstaunen“, schreibt der Wildtierjournalist Ted Williams. „Sie erklärten sich das damit, dass es sich um eine unter Bleichgesichtern verbreitete Form des Wahnsinns handeln musste.“

Die wuchernden Straßen, Farmen, Klein- und Großstädte der jungen Republik gaben dem Wolf dann den Rest, indem sie sein Habitat vernichteten. Um 1900 lebten östlich des Mississippi keine Wölfe mehr. In den 1950ern traf man sie nur noch in den entlegenen Regionen des amerikanischen Westens an. Insgesamt lebten in den 48 Bundesstaaten vielleicht noch ein paar Dutzend Wölfe, während man die präkolumbische Population auf mehrere hunderttausend Exemplare schätzt.

Bei diesem Massaker ging es nicht darum, Menschen zu schützen, auch wenn das heute noch vielfach geglaubt wird. In den vergangenen hundert Jahren wurden nur zwei tödliche Wolfsangriffen auf Menschen berichtet, vielleicht ein paar mehr im Laufe des 19. Jahrhunderts (die Aufzeichnungen vor 1900 sind unzuverlässig und die Berichte nicht belegt, sondern oft ausgeschmückt und zur Folklore neigend). Eine 2002 durchgeführte Studie des Norwegian Institute for Nature Research überprüfte die Geschichte der Wolfsüberfälle auf Menschen in Europa, Asien und den USA von 1500 bis in die Gegenwart und stellte fest, dass Wolfsangriffe „extrem rar“ sind, dass die „meisten Angriffe von tollwütigen Wölfen ausgingen“ und dass „Menschen nicht zu ihrer üblichen Beute gehören.“ Die Wölfe in den USA wurden vor allem Opfer unseres uralten Grolls: Sie fraßen unsere Rinder und Schafe und verkörpern in Fleisch und Blut das Unbezähmbare.

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Stolze Derbyteilnehmer mit einem Paar Kojoten

1974 entschied man, den Wölfen in den USA eine Schonzeit zu gewähren. Die Verabschiedung des Endangered Species Act [Gesetz über gefährdete Tierarten] im Jahr zuvor hatte dem Kongress den Weg geebnet, um Tiere zur bedrohten Spezies erklären zu können und die Jagd auf sie zu verbieten. In Westkanadas Wäldern, Bergen und Prärien hatten die Wölfe zu tausenden überlebt. Da sie jetzt vom flächendeckenden Abschlachten in den USA geschützt wurden, kehrte ein kleiner Teil der Population zurück. Sie verbreiteten sich südlich von Alberta und British Columbia und wanderten nach Montana weiter. 1995 beschleunigte der Kongress diesen Prozess durch die Maßnahme, gefangene kanadische Wölfe in den Bergen Idahos und Wyomings freizulassen.

Danach vermehrten sich die Wölfe wie nie zuvor in unserer Geschichte und Ökologen beobachteten erstaunt die positiven Auswirkungen auf das Ökosystem im Westen. Im Yellowstone National Park, einem zentralen Ort der Wiederansiedlung, dämmten Wölfe die überreichliche Rothirschpopulationen ein, die die Bäume und Gräser des Parks abgenagt hatten. Da es nun weniger Rothirsche gab, kehrte die Flora zurück, und in der verjüngten Landschaft entstanden Habitate für dutzende anderer Geschöpfe: Biber in den Flüssen, Singvögel im Unterholz, Schmetterlinge zwischen den Blumen.

Der Erfolg war so groß, dass man die Wolfspopulation der USA 2009 für vollkommen wiederhergestellt erklärte. Als der Kongress 2011 den Schutzstatus des Wolfes aufhob, protestierten zahlreiche Biologen, Ökologen und Wildtierwissenschaftler gegen diese Entscheidung. Kritiker wiesen darauf hin, dass die Streichung des Canis lupus von der Liste der bedrohten Tierarten ein Resultat der Lobbyarbeit der Nutztierindustrie war.

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Zum ersten Mal seit 1974 wurden Wölfe in den nördlichen Rocky Mountains—in Idaho, Wyoming, Montana—wieder legal gejagt, eingefangen und erschossen. In der Winterjagdsaison wurden ganze Rudel vernichtet. Auf das Drängen der Rancher hin beteiligt sich die US-Regierung an dem Massaker und schickt Mitarbeiter seines Bundeswildtieramtes zur Kontrolle des Raubtierbestandes.

Die Wahrnehmung des Wolfes als Ungeziefer, das nur darauf aus ist, den Rancher um seinen Lebensunterhalt zu bringen, hat sich bis heute fortgesetzt, obgleich es kaum Beweise für diesen Vorwurf gibt. Die Zahl der Rinder und Schafe, die jedes Jahr von Wölfen und anderen Raubtieren gerissen werden, ist kaum erwähnenswert. 2010 starben nur 0,23 Prozent der Rinder in den USA infolge von „Plünderungen durch Karnivore“ (wie Wolfsangriffe auf Nutztiere offiziell bezeichnet werden).

Dazu kommt, dass aggressives „Raubtiermanagement“ keinerlei umweltwissenschaftliche Grundlagen hat. „Wir sind mit dem Mythos aufgewachsen, dass Raubtiere, zum Beispiel Wölfe, gejagt werden müssen, da sie sonst außer Kontrolle geraten“, sagte Brooks Fahy, Leiter der gemeinnützigen Organisation Predator Defense in Oregon. „Keine wissenschaftliche Studie untermauert das. Die Wölfe regulieren sich selbst, wenn man sie sich selbst überlässt.“ „Wolfsmanagement“, meinte Fahy, „ist eine Form rational daherkommenden Wahnsinns.“

Mehr tote Kojoten

„Geht ihr auf Wolfsjagd?“, fragte uns ein Cowboy mit großem Hut und einem Grinsen so breit wie Texas, als er unsere Tarnjacken und den Wagen voller Waffen sah. Wir nickten. „Gut!“ Wir waren in einem Laden im Dorf Old Sawmill Station in Idaho, dessen Wände verziert waren mit Fotos von Jägern, die tote Raubtiere wie Trophäen präsentierten: schöne Bären, Pumas und Wölfe, die in Fetzen geschossen worden waren. In einigen Fotos umschlangen winzige Ehefrauchen die zusammengesackten Kadaver von Wölfen, die doppelt so groß waren wie sie.

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Der Inhaber erzählte uns, der beste Ort, um Wölfe zu finden, sei ein unbefestigter Weg entlang der östlichen Gabelung des Salmon River. „Wenn ihr am Boulder Creek vorbei seid, sucht nach Spuren“, riet er uns. Wir fuhren in die Berge und folgten der östlichen Flussgabelung. Brian vertrieb uns die Zeit mit einem Witz über einen Cowboy und einen Ranchgehilfen, die einen Zaun in Idaho entlang reiten: „Sie finden ein Schaf, das sich im Stacheldraht verheddert hat. Der Cowboy springt vom Pferd, reißt den Reißverschluss auf und vergnügt sich mit der Kreatur. Er zieht sein Ding wieder raus, dreht sich zum Ranchgehilfen: ‚Willst du auch mal?‘ Der Ranchgehilfe sagt: ‚Klar, aber muss ich mich auch im Stacheldraht verheddern?‘“

Brian jagt seit seiner Jugend Rothirsche und Antilopen. Schon als Teenager wurde ihm klar, dass Rinder und Schafe die Landschaft beherrschen und damit allen anderen Tierarten schaden, die zum Überleben auf Gras angewiesen sind. In seinen 20ern war er für fünf Jahre Leiter der Abteilung Medien des Western Watersheds Project, einer Gruppe, deren Hauptwidersacher die Ranchindustrie ist.

Wasserscheiden werden durch zu viele Kühe ruiniert. Im Grunde ruinieren Kühe fast das gesamte Ökosystem des trockenen Westens. Wo auch immer domestizierte Tiere grasen, bleibt weniger für die wilden Paarhufer übrig—Rothirsche, Elche, Rotwild, Antilopen. Die Straße am Fluss führte hoch hinauf in zerklüftete Gipfel—die Schönheit der Gegend ließ uns verstummen. Wir nahmen unsere Gewehre und kletterten Hügel hinauf, marschierten kleine Pfade entlang und Hohlwege hinunter auf der Suche nach Wolfsspuren im Schnee.

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Walker war unser Spurensucher. Er war in einer Rancherfamilie auf dem Land in Idaho aufgewachsen, auf einer Farm mit 200 Schafen. Er war die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens Jäger gewesen und erzählte mir, dass er „so ziemlich alles“ geschossen hatte, bis zu jener Nacht 2004. Da war er 40. Er saß in einem Hotelzimmer in Spokane, Washington, und ein Kojote setzte sich direkt unter sein Fenster, fing an zu heulen und hörte nicht mehr auf. „Mitten im Zentrum von Spokane!“, meinte er. „Da habe ich zum ersten Mal verstanden, dass die Tiere mit mir reden.“

Von da an betrachtete er Tiere mit anderen Augen. Wenn er jagte, dann nur ehrenvoll, bewusst und umsichtig. Er sprach von der „Verantwortung des Raubtiers.“ Er sprach vom „ethischen Schuss,“ das heißt, ein Tier mit nur einer Kugel zu töten und es möglichst nicht leiden zu lassen. Er erzählte mir, dass er vor kurzem nachmittags in Idaho mit dem Bogen auf der Jagd war und einem Rothirsch hoch auf einen Bergkamm gefolgt war. „Eine Elster kam aus dem Tal hochgeflogen“, berichtete er. „Ich schwöre, sie hatte mindestens zwei Kilometer zurückgelegt, und sie flog auf mich zu, hockte sich auf einen Zweig und fing an, Geräusche zu machen, die ich bei einer Elster noch nie gehört habe. Wir haben uns richtig unterhalten.“

Am ersten Tag fanden wir kein Zeichen von Wölfen, weder Spuren noch Kot. Mit leeren Händen zurück am Wagen machten wir ein paar Dosen Bier auf und rauchten. Kurz darauf tauchte in der Ferne ein dröhnender Pick-up auf, der die Gegend nach etwas oder jemandem zu durchkämmen schien. Wir wurden nervös. Als er neben uns zum Halten kam, beäugten uns die beiden jungen Männer im Wagen. „Macht ihr beim Derby mit?“, fragten sie, und wir nickten. „Wo wart ihr heute?“

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Es gab eine lange, unangenehme Pause. Ich schlürfte mein Bier und linste zu Brian rüber, der Kette rauchte. Wir waren faule Jäger. Walker überspielte die Pause und fabulierte so einiges zusammen. Wir seien an der östlichen Gabelung des Salmon River auf Jagd gewesen, erklärte er, diesen und jenen Canyon rauf und wieder runter, heiß auf Beute, aber ohne Erfolg. Die beiden Männer stopften sich Tabak in die Wangen und spuckten aus. Wir unterhielten uns darüber, wie schwer es ist, Wölfe aufzuspüren und spekulierten, warum zum Teufel sie sich nicht zeigten.

Die Männer gaben eine Nachricht der lokalen Rancher weiter: Falls einige der Derbyleute einen Wolf auf ihrem Gelände sähen, sollten wir ihn sofort erschießen und rechtliche Fragen vergessen. Nachdem sie abgezogen waren, seufzte Walker. „Mit solchen Leuten habe ich mein ganzes Leben zu tun gehabt“, sagte. „Wie meine Familie. Sie ziehen einfach gerne los und töten. Sie sind nicht böse. Sie haben einfach … sie haben keine Ahnung.“ Am selben Tag lenkte ein ehemaliger, auf Wildtiere spezialisierter BBC Tontechniker und Videofilmer namens Martyn Stewart, der nach Salmon gereist war, um auf eigene Kappe vom Derby zu berichten, ungewollt einige Aufmerksamkeit auf sich.

Das erste Problem war sein Akzent—Martyn ist Australier und ein Fremder in Salmon ist eine ernste Angelegenheit. „Wir halten zusammen in dieser Stadt“, machte ihm ein Wolfsjäger bei seiner Ankunft klar. „Wir haben hier keine Nigger in der Stadt. Siehst du hier irgendwo Nigger in der Stadt?“

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Das zweite verräterische Indiz war sein Ohrring. Er hatte einen Waffenladen auf der Main Street betreten, um sich zu erkundigen, wo die Registrierung stattfindet. Martyn erzählte mir später, der Ladeninhaber habe ihn angeschaut, als wäre er gestört. „Du nimmst besser diesen Ohrring raus“, fuhr ihn der Ladeninhaber an, „du siehst aus wie eine Schwuchtel.“

Zur Registrierung erschien er in Tennisschuhen und einer gelben North Face Jacke. Ich bekam zufällig mit, wie ein dumpf stierender Jäger in Martyns Richtung nickte. „Der hat kein Recht hier zu sein.“ Als er nach der Registrierung zu seinem Hotel fuhr, folgte ihm ein Pick-up, der auf dem Parkplatz herumfuhr und verschwand, als er aus dem Wagen stieg.

Am nächsten Morgen ging er in ein lokales Café, wo ihm eine Kellnerin erzählte, dass sie hier schon seit mindestens zwei Jahren keine Wölfe mehr hatte heulen hören. Das schien sie traurig zu machen. Dann kamen zwei Jäger in Tarnkleidung herein und setzten sich an den Tisch ihm gegenüber und starrten ihn an. Schließlich nahm Martyn Augenkontakt auf und sagte Hallo. Sie antworteten nicht. Stattdessen starrten sie ihn 40 Minuten lang an, ohne etwas zu essen oder zu trinken zu bestellen. Als er aufstand, standen sie auch auf. Als er ging, gingen sie auch.

Idaho for Wildlife hatte für den zweiten Tag des Wettbewerbs eine Abschlusszeremonie bei Sonnenuntergang geplant, Beginn 16 Uhr. Man ging davon aus, dass dutzende Wölfe erlegt werden würden. Die Beurteilung sollte hinter dem Lager für Rancherbedarf stattfinden, in dem wir uns angemeldet hatten, ein Ort namens Steel & Ranch. „Hört sich an wie ein SM-Club für Kühe“, schnaubte Brian. Die erlegten Tiere sollten an einem Fleischerhaken hängen, während die Derbyjuroren die Kadaver messen und wiegen würden, um die Gewinnerteams zu ermitteln.

Wir stiegen in den Wagen und fuhren nach Norden in Richtung Stadt, als Natalie plötzlich aufschrie und meinte, sie sähe etwas, das sich über den Schnee in einem wenige Meter entfernten Feld bewegte. „Ich glaube nicht, dass es Rotwild ist“, sagte sie. Walker brachte den Wagen zum Stehen, wir sprangen mit unseren Zielfernrohren, Ferngläsern und einem Gewehr bewaffnet heraus. „Kojote?“, fragte Walker und suchte das Feld mit dem Fernglas ab. „Das ist kein Kojote“, sagte Brian. Ich hatte das Tier im Zielfernrohr meiner Waffe.

„Das ist ein Wolf“, war sich Natalie sicher. „Schaut euch die Farbe an, die Größe und den Schwanz.“ Sie machte eine Pause, senkte ihr Kinn und lächelte. „Ich habe seit über zwei Jahren keinen Wolf mehr gesehen!“ Das Tier schlenderte in etwa 360 Metern Entfernung ruhig im Nachmittagslicht dahin und beschnüffelte den Boden. Es hielt inne, hob seinen Kopf und schaute in unsere Richtung, seine Silhouette hob sich vom Schnee ab. Ich hatte das Gefühl, es würde anschauen: durch das Zielfernrohr hindurch und tief hinein in meine Knochen und Zehen. Dann war es vorbei. Blitzartig entzog sich das Tier unseren Blicken und verschwand in dem Patchwork aus Salbeisträuchern und Schnee.

Der Fluss plätscherte dahin, und die Sonne lächelte auf die Berge. Natalie und Brian waren sich einig, dass das hier eine Seltenheit war. „Verdammt unglaublich“, sagte Natalie. „Mitten am Tag, am Straßenrand, so nahe an der Stadt, so nahe an einem Ort wie Salmon, wo all die Jäger los sind … Das ist einfach …“ Ihr versagten die Worte. Sie sah aus, als ob sie gleich weinen würde. Natalie hatte die letzten fünf Jahre damit verbracht, die Rudel in den Bergen Idahos zu beobachten, ihnen zu folgen und ihren Lauten zu lauschen. Sie hatte in der Zeit mindestens 20 verschiedene Wölfe gesehen. Sie hatte sich aus den üblichen Gründen, die auch andere Wolffans nennen, in diese Tiere verliebt.

Wölfe sind Menschen nun einmal nicht unähnlich. Sie leben monogam, sind treu, bleiben ihr ganzes Leben zusammen und ziehen ihre Jungen fürsorglich in starken Familienverbänden groß mit einem Alphamännchen und einem Alphaweibchen an der Spitze des Rudels. Man könnte sagen, was wir so an den Wölfen lieben, ist ihre Ähnlichkeit zum Menschen.

Natalie hatte mit den Tieren geheult und ihre Antworten gehört, und sie hatte die Alphas bei der Paarung beobachtet und wie sie ihre Jungen großziehen. Sie hatte den Jungen beim Spielen zugeschaut, hatte sie wachsen und gedeihen und von ihren Eltern lernen sehen. Sie hat ihren zehnjährigen Sohn mitgenommen, um ihm die Wölfe zu zeigen, ihren Gesprächen zuzuhören und deren Bedeutung zu analysieren. Heute, zwei Jahre später, hatte sie wieder einen Wolf gesehen. „Lasst es uns mit einem Schreckschuss versuchen“, sagte sie. Ich schaute sie an. Der Sinn darin, Wildtiere zu erschrecken—üblicherweise mithilfe von ein paar in die Luft abgefeuerten Schüssen—ist, sie menschenscheu zu machen, ihnen zu zeigen, dass wir keine Freunde sind.

Wir hatten diese Möglichkeit diskutiert. Damit würden wir gegen das Gesetz des Staates Idaho verstoßen, welches vorschreibt, dass Bürger zwar Wölfe schießen dürfen, aber nicht „absichtsvoll Tiere schikanieren, quälen, hetzen oder stören dürfen, mit dem Ziel, die gesetzlich erlaubte Jagd auf sie oder ihr Einfangen zu verhindern.“ Walker, der in Idaho Staatsanwalt gewesen war, warnte davor, dass der Gesetzgeber einen Schreckschuss während eines Derbys als einen ungeheuerlichen Akt auslegen könnte.

„Scheiß drauf“, sagte ich. „Der Staat Idaho kann mich ruhig ausliefern.“ Ich lud die Win Mag, zielte hoch über den Busch, wo ich den Wolf zuletzt gesehen hatte und schoss. Der Widerhall prallte von den Hügeln ab, und wir hörten die Kugel zischen, als sie einschlug. „Du hast ihn getroffen! Du hast ihn getroffen, verdammt!“, schrie Brian und schaute durch sein Zielfernrohr. Ich fühlte mich, als hätte ich mich selbst erschossen. „War nur ein Spaß, Ketcham. Schau, er bewegt sich!“ Der Schuss hatte das Tier aus der Deckung getrieben. „Er rennt schnell, über den Zaun, die Rinne hoch! Warte, es sind zwei! Ja, zwei! Und sie haben es kapiert.“

Das Wolfspaar, wunderschön, geschmeidig, kraftvoll und schnell, sprintete eine Talrinne hinauf in die fernen Hügel, hinauf in die Berge—500 Meter, 600 Meter, 900 Meter, dann waren sie weg.

Ich hatte zum ersten Mal Wölfe in freier Wildbahn gesehen, und angesichts der aktuellen Entwicklungen fühlte sich das an wie ein Lotteriegewinn. Die Humane Society of the United States berichtet, dass fast 1.400 Wölfe getötet wurden, seit sie 2011 von der Roten Liste gestrichen wurden, die Hälfte davon allein in Idaho. Das betrifft eine Population in den nördlichen Rocky Mountains, die vor einigen Jahren auf 1.700 Exemplare angestiegen war. Die Tiere verschwinden, und die Rudel teilen sich in kleinere Gruppen auf, was ihr Überleben gefährdet. Natalie schätzte ein, dass die beiden Tiere höchstwahrscheinlich die Überlebenden einer Familie waren, deren Mitglieder schon auf Fleischerhaken geendet waren. Doch trotz der Bemühungen aller Teilnehmer wurde während des Salmon Derby kein einziger Wolf getötet, und die Zeremonie am Steel & Ranch-Lager wirkte ein wenig kläglich.

Wir standen herum und taten enttäuscht angesichts des Mangels an toten Wölfen. Nur ein einziges Team hatte während der Jagd einen gesehen, und wir gaben damit an, zwei gesehen zu haben. Unsere Jägerkollegen schauten misstrauisch, als ich log und vorgab, auf 365 Meter nicht getroffen zu haben. „Sag 450 Meter, verdammt!“ zischte Walker mir ins Ohr. „Das ist peinlich.“ Was die Kojoten anging, wurden nur 21 Kadaver gezählt, so Idaho for Wildlife. Martyn Stewart hing auf der Laderampe und filmte das Geschehen. Die meisten Tiere waren schon steif, und die Juroren hatten viel Arbeit damit, die Hinterläufe der Tiere auseinanderzuspreizen, um ihr Geschlecht festzustellen. Es war bekannt gegeben worden, dass nun ein geringerer Preis von einigen hundert Dollar an den Jäger gehen sollte, der die meisten Kojotenweibchen zur Strecke gebracht hatte.

Martyn erfuhr erst, dass ich Journalist war, als ich ihn ein paar Tage nach dem Derby anrief. Er erzählte mir, dass, als er die Stadt am nächsten Morgen um 6 Uhr verließ, die Lichter eines Pick-ups hinter ihm aufleuchteten, der nach ihm losfuhr. Sobald Tempo 90 erlaubt war, fuhr der Truck dicht auf, die Flutlichter eingeschaltet und wild hupend. „Sie blendeten mich“, sagte Martyn, „und ich muss zugeben, dass mir das Herz in die Hose gerutscht ist. Sie verjagten mich buchstäblich aus der Stadt.“ Etwa 24 Kilometer nördlich von Salmon hupte der Truck ein letztes Mal, ließ die Lichter aufleuchten und beendete seine teuflische Verfolgungsfahrt.

Wir hatten ein vergleichbares Schicksal vermieden, da es uns gelungen war, sogar den Sheriff hinters Licht zu führen. Der hatte uns erzählt, er werde schon dafür sorgen, dass keine Prowolf-Protestierer für Unruhe sorgten. „Wir wurden vor denen gewarnt“, sagte er. „Aber niemand ist aufgetaucht. Schätze, sie hatten nicht genug Mumm in den Knochen.“ „Nein, wirklich?“, sagte Natalie. Und ich sah, wie ein Lächeln ihre Lippen umspielte.