Hausdurchsuchung durch Polizisten

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Drogen

Wie sich eine ganz normale Hausdurchsuchung in Bayern anfühlt

„Wir können auch den Boden mit der Motorsäge aufschneiden, wenn wir wollen"—wie die Regensburger Polizei so vorgeht, wenn sie ein halbes Gramm Cannabis in einer Studenten-WG finden will.

Im Februar 2015 führte die Regensburger Polizei eine Hausdurchsuchung in einer Studentenwohnung durch. Am nächsten Tag erschien folgende Meldung in der Lokalzeitung:

Kurz darauf meldete sich einer der Bewohner der Wohnung bei uns, weil er seine Version der Ereignisse erzählen will. Obwohl bei der Durchsuchung niemand ernsthaft verletzt wurde, haben wir uns entschieden, seinen Bericht zu veröffentlichen—gerade weil er so bezeichnend für den alltäglichen Umgang der bayerischen Polizei mit Cannabis-Konsumenten ist. Der Fall des Augsburger Cannabis-Patienten, der starb, nachdem die Polizei sein legales Cannabis beschlagnahmt hatte, ist extrem. Fälle wie diese Hausdurchsuchung sind dagegen wohl alltäglich. Verhältnismäßige Maßnahme oder bandenmäßige Einschüchterungskampagne? Entscheidet selbst*:

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Wir (meine beiden Mitbewohner, drei Bekannte und ich) sind gegen 1 oder halb 2 Uhr nachts von einem Konzert in unsere Wohnung gekommen. Wir hatten etwas Gras geraucht und waren nicht ganz nüchtern, und wohl auch nicht ganz leise, was die sensiblen Nachbarn dazu veranlasst hat, die Polizei zu rufen. Gegen 2 Uhr klingelte es, vor der Tür standen zwei Polizisten.

Ich habe die Tür geöffnet, bin auf den Flur, und habe die Tür bis auf einen kleinen Spalt hinter mir zufallen lassen. Die beiden Polizisten ließen mich wissen, dass es zu laut sei—und einer der beiden Beamten spielte auf meine roten Augen an. Ich entschuldigte mich und versicherte ihnen, dass wir die Musik ausmachen würden. Daraufhin verschwanden die beiden.

Die Musik war ab diesem Zeitpunkt aus, dennoch klingelte es wenig später (15-20 Minuten) erneut an der Tür. Ich blickte durch den Türspion, aber das Licht im Flur war aus. Ich habe daraufhin einen der drei Bekannten, Thomas, gebeten, an die Tür zu gehen, da er nüchtern war.

Unsere Wohnung war schon einmal durchsucht worden, im Mai 2014. Damals war ich allein daheim und die Wohnungstür wurde aufgebrochen, weil ich geschlafen habe. Gefunden wurde damals im Wohnzimmer circa ein Gramm Cannabis und Zubehör. Wir waren bis dato unvorbelastet, was Verstöße gegen das Gesetz betrifft. Trotzdem war ich völlig unvorbereitet auf das, was als nächstes geschah.

Als er die Tür aufmachte, stürmten acht oder neun Polizisten herein. Der erste schubste Thomas fest nach hinten auf eine große Lautsprecherbox (die Box ist seitdem kaputt, und Thomas hat leichte Blessuren an Arm und Rücken davongetragen). Ich sprang auf und rannte zu ihm und den Beamten, die laut riefen, dass sie jetzt eine Hausdurchsuchung machen würden. Thomas und ich wurden gezwungen, uns an den Esstisch zu setzen, die anderen vier mussten auf dem Sofa sitzenbleiben.

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Ich forderte laut und deutlich einen Durchsuchungsbefehl. Mir wurde nur geantwortet, dieser sei mündlich erteilt worden. Bis auf ein ominöses „Gefahr im Verzug" erhielten wir auch sonst keine Auskunft, warum wir überhaupt zu dieser späten (und im Normalfall nicht zulässigen) Stunde durchsucht werden. Dafür fielen abfällige Kommentare wie „Wir hatten einfach mal wieder Bock, eine Wohnung hochzunehmen". Obwohl wir uns unserer Rechte bewusst waren und sie laut einforderten, wurden sie uns verwehrt. Ich betonte mehrmals, dass ich einen Anwalt anrufen darf. Als Antwort wurde mir gedroht, dass unsere Handys eingezogen würden, wenn wir sie benutzen.

Als wir weiter unsere Rechte einforderten, wurde uns einfach mit Handschellen gedroht. Und dass das „gleich anders geregelt werden" müsse, wenn wir nicht wie befohlen den Mund zu und uns ruhig halten. Als wir dann Videos vom Vorgehen der Polizisten machten, wurde uns wieder gedroht, dass das Handy konfisziert würde (da es dann ein „Beweismittel" sei).

Die Polizisten gingen dann ohne Ankündigung nach hinten in unsere Zimmer. Also bin ich aufgestanden und habe verlangt, bei der Durchsuchung meines Zimmers anwesend zu sein. Dieses Recht wurde mir mit den Worten „Bleib jetzt sitzen, sonst kriegst du Handschellen hin" verwehrt. Meinen beiden Mitbewohnern ging es genauso, als sie das Gleiche verlangten. Wir mussten also sitzenbleiben, während die Männer unsere Zimmern durchwühlten. Bei meinem Mitbewohner fanden sie dann ziemlich schnell das halbe Gramm Cannabis.

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Das Eigenartigste an der Durchsuchung war, dass die Beamten zwar viel Unordnung anrichteten (Bilder wurden von der Wand gerissen, Wäscheständer umgeschmissen), aber offenbar kein Interesse hatten, wirklich besonders intensiv zu suchen: Eine ganze Menge guter potenzieller Verstecke waren überhaupt nicht durchsucht worden—anscheinend hatten sie nicht mal genug Zeit, um den Kleiderschrank aufzumachen. Als ich mich über das Chaos beschwerte, antwortete mir einer der Polizisten: „Wir können auch den Boden mit der Motorsäge aufschneiden, wenn wir wollen." Dann lachte er.

Währenddessen hatten die Polizisten die Wohnungstür die ganze Zeit offen stehen gelassen, obwohl wir sie auch darauf immer wieder aufmerksam gemacht hatten. Irgendwann spazierten dann noch mal vier weitere Zivilpolizisten in unsere Wohnung, darunter eine Frau. Die nahm dann gleich unsere einzige anwesende Freundin mit ins Bad, wo sie sich komplett ausziehen musste. Als sie dann nackt war, verlor die Beamte aber anscheinend das Interesse—es ging wohl nur um die reine Erniedrigung.

Schließlich wollten wir wenigstens die Namen der Polizisten wissen, vor allem den des ersten, der Thomas auf die Box geworfen hatte. Das wollte man uns aber auch nicht sagen, stattdessen wurde behauptet, Thomas hätte Widerstand geleistet hat, was definitiv nicht stimmt—er hatte gar keine Zeit dazu. Auch wer der leitende Beamte sei oder unter wessen Kommando die Durchsuchung laufe, wurde uns nach mehrmaligem Nachfragen nicht verraten.

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Als die Durchsuchung eine Stunde später endlich vorbei war, sollte ich ein Sicherstellungsprotokoll unterschreiben. Als ich sagte, ich wolle das in Ruhe durchlesen, und Nachfragen stellte (zum Beispiel, warum da lediglich von „einem Beutel mit BTM" die Rede war—das könnten auch 100g Crystal sein), wurde mir nach circa 30 Sekunden das Blatt weggenommen. Der Kommentar dazu: „Dann wird halt festgehalten, dass du dich geweigert hast zu unterschreiben." Kurz darauf hatten die Sturmtruppen unsere Wohnung verlassen.

Die Wohnung wurde jetzt zum zweiten Mal in völligem Chaos hinterlassen, wieder wurde mutwillig Schaden angerichtet. Natürlich haben wir jetzt Probleme mit der Hausverwaltung, da diese natürlich nicht will, dass „Schwerkriminelle" in ihrer Wohnung leben—wie zwei Hausdurchsuchungen vermuten lassen.

Aber schlimmer ist, wie solche Aktionen das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttern. Wir sind ganz offensichtlich keine Kriminellen. Wie kann von Rechten die Rede sein, wenn man sofort Gewalt angedroht bekommt, wenn man sie einfordert? Man fühlt sich völlig ohnmächtig.

Der Anwalt, den wir uns jetzt genommen haben, hat uns gesagt, dass wir froh sein können, dass sie uns nicht geschlagen haben. Natürlich dürften die Polizisten das nicht, für derartiges Fehlverhalten würden Beamte aber nahezu nie zur Verantwortung gezogen.

Seit der Durchsuchung habe ich keine Nacht mehr wirklich ruhig geschlafen, ich wache oft auf, schwitze extrem. Uns macht jedes Klingeln an der Tür Angst, obwohl unsere Wohnung jetzt völlig sauber ist und sich dort nicht mal mehr Zubehör befindet. Ich habe Schwierigkeiten, mich auf meine Bachelorarbeit zu konzentrieren. Es hat auch nichts mit „Kifferparanoia" zu tun, dass ich jetzt Panik bekomme, wenn ich hinter mir auf der Straße eine Polizeisirene höre—vorher war das nie so.

*Da alle Beteiligten aus Angst vor weiteren Repressionen unbedingt anonym bleiben wollen, wurden wir gebeten, die Regensburger Polizei erstmal nicht zu den Ereignissen zu befragen. Wir können also nicht garantieren, dass die Polizei dieser Version der Geschehnisse zustimmen würde. Die fünf anderen Anwesenden aber schon.


Titelfoto: Dirk Vorderstraße | Flickr | CC BY 2.0