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Wirre Welt

Wir haben die besten Pegida-Plakate nach Kreativität bewertet

Die Bewegung hat nicht nur poltiisch, sondern auch ästhetisch ganz neue Wege beschritten. Was wir von der Kunstform „Pegida-Plakat" lernen können.

Pegida hat sowohl in Deutschland als auch in Österreich mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Beim ersten Aufmarsch in Wien waren unter den „besorgten Bürgern" eine Reihe von offen rechtsextremen Hooligans und Neonazis vor Ort. Und der ehemalige Pegida Wien-Sprecher Georg Nagel hat mittlerweile sein eigenes Patrioten-Projekt mit dem klingenden Namen „Gegen Dekadenz und Werteverfall" gestartet. Aufgegeben hat Pegida Wien aber dennoch noch nicht und will am 19. April 2015 noch einmal auf die Straße gehen.

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Auch in Deutschland haben es die abendländischen Patrioten nicht leicht: Nachdem ihre große Gert-Wilders-Show am Montag die Erwartungen der Pegida leider nicht erfüllt hat (es kamen nur circa 10.000 Menschen, weit unter den vom Orga-Team erhofften 30.000), sind sich die meisten Beobachter einig, dass aus der Bewegung politisch die Luft raus ist. Andererseits leugnet aber auch kaum jemand, dass die Motivation, die die Leute auf die Straße getrieben hat, bei vielen Menschen weiter existiert (diese Motivation wird je nach politischer Ausrichtung entweder als „berechtigte Ängste" oder „stumpfer Rassismus" bezeichnet—sucht es euch selbst aus).

Deshalb muss man sich mit den Anliegen dieser Menschen wohl oder übel auch weiter beschäftigen. In der Vergangenheit wurde das oft versucht, indem man die Leute einfach direkt gefragt hat, was sie denn eigentlich wollen. Das war zwar immer wieder durchaus interessant, aber vielleicht auch ein bisschen unfair.

Schließlich waren das zum großen Teil keine abgebrühten Politiker, die genau wissen, wie sie sich ausdrücken müssen, um ihre Meinung zu verkaufen. Oft haben Pegida-Teilnehmer sich vor der Kamera verhaspelt, gestottert, „Zigeuner" gesagt, wenn sie „Juden" sagen wollten, und Ami-Besatzer mit Asyl-Betrügern verwechselt.

Deshalb wäre es vielleicht besser gewesen, den Pegidisten nicht so genau aufs Maul zu schauen—stattdessen hätte man sich auf ihre Plakate konzentrieren sollen. Immerhin betrat Pegida nicht nur politisch Neuland—auch ästhetisch bedeutet die Bewegung eine Befreiung des Normalbürgers. Mit ihrem bodenständig-volksnah gestaltetem Logo, das ein schnöseliger Designer so bestimmt nie durchgewunken hätte, gab die Gruppe um Lutz Bachmann ein deutliches Signal: Hier kann jeder sich ausdrücken, wie er will. Hier wird keiner weggeschickt, nur weil er „Islamisierung" nicht buchstabieren kann.

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Das Ergebnis war beeindruckend: Völlig ungehemmt brach die Kreativität aus den Leuten heraus. Mit Tintenstrahl-Drucker, Schere und Prittstift bewaffnet machten die Pegidisten sich daran, ihre zahlreichen Meinungen in fotogene Form zu bringen. Bei Pegida hat sich so eine ganz eigene Plakatkultur entwickelt, die mit Sicherheit viel Potenzial für eine wissenschaftliche Untersuchung bietet. Wir glauben, dass das wichtig ist, und wollen deshalb mit dieser Aufstellung einen bescheidenen Anfang machen.

Hier also unser Versuch, die Pegida-Plakate in Stilrichtungen zu sortieren und dann in Schulnoten nach Kreativität zu bewerten:

1. Das Tierschützer-Plakat

Botschaft: Schön und Aussagekräftig an der Botschaft ist das vorangestellte „auch". Will uns die besorgte Tierschützerin sagen, dass Massentierhaltung Tierquälerei ist? Dass Schweine und Hühner, bei denen die Betäubung versagt, zwar teilweise bei vollen Bewusstsein am Band geschlachtet werden, wie wir es sehr Fortschrittlich in Europa vollziehen, dass religiöse Schächtung aber eben AUCH Tierquälerei ist?

Kreativität: Leider nur eine 5. Zwar muss angemerkt werden, dass die versteckte Österreichfahne ein nettes Detail ist, aber die hat so viel Einfluss wie eine Zierleiste unter einer falschen Wahrscheinlichkeitsrechung. Wahrscheinlich ist jedenfalls, dass diese Frau mit den Schild unterm Arm zu Penny gegangen ist und sich super Tierqual-freie Extrawurst gekauft hat.

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2. Das Anti-Merkel-Plakat

Botschaft: Im ersten trägt Merkel ein Kopftuch. Obwohl sie wie eine sorbische Bäuerin aussieht, soll das wahrscheinlich ein muslimisches Kopftuch sein. Anscheinend ist es für den Schöpfer dieses Plakats ein besonders deutliches Zeichen für die typisch islamische Unterdrückung der Frau, wenn eine Frau mit Kopftuch die mächtigste politische Position in Deutschland bekleidet.

Das zweite Bild ist graphisch ziemlich gut gemacht und stellt Merkel als Euro-Hitler dar. Der Macher scheint also zu glauben, dass die Tatsache, dass er jetzt in Paris mit Euro bezahlen kann, irgendwie mindestens so schlimm ist wie das, was die Wehrmacht damals dort gemacht hat. Dazu sollte er vielleicht mal ein paar ältere Franzosen befragen.

Kreativität: Muslima-Merkel kriegt eine 4, Hitler-Merkel eine 5, allerdings mit Sternchen, wegen der soliden Ausführung.

3. Das textlastige Plakat

  1. Foto: Dresden, 1. Dezember 2014 (Jennifer Stange) 2. Foto: Berlin, 5. Januar 2015 (Grey Hutton)

Botschaft: Diese Sorte Plakatkünstler will nicht visuell überzeugen, sondern durch möglichst viele Argumente. Beide Beispiele verlangen dem Betrachter einiges ab: für das erste muss man eine hohe Toleranz für den für Pegida typischen weinerlichen Humor mitbringen, für das zweite eine Menge Mitleid für die ältere Dame, die offensichtlich wirklich jedes mal Angst um ihr Leben haben muss, wenn eine türkischstämmige Friseurgehilfin ihr die Haare schneidet.

Kreativität: Bei beiden reicht es leider nur für eine 4. Im Grunde sind das nur auf Plakate kopierte Facebook-Kommentare.

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4. Die Religionswissenschaftler

Botschaft: Diese Menschen haben sich mit der Bedrohung konkret auseinandergesetzt. Sie haben wahrscheinlich sogar den Koran gelesen, und da haben sie dann mit eigenen Augen gesehen, dass im Früh-Mittelalter geschriebene Bücher manchmal ganz schön mittelalterlich daherkommen können. Daraus haben sie offensichtlich den Schluss gezogen, dass sie vor muslimischen Flüchtlingen im 21. Jahrhundert so viel Angst haben müssen, dass sie dafür auch die Nächstenliebe, die ihr eigenes Buch ihnen empfiehlt, über Bord werfen können. Es sei denn, die lassen sich alle taufen.

Kreativität: Das erste bekommt eine 4, weil „Karzinom" immerhin ein schönes Wort ist, im Übertrag auf eine Weltreligion ist da immerhin eine Transferleistung zu erkennen. Nummer 2 ist eine 5, weil es langweilig und abgeschrieben ist. Nummer 3 bekommt eine 3, weil das tatsächlich mal eine originelle Forderung ist. Bleibt nur abzuwarten, was die Kirchgänger sagen würden, wenn ihre Kirchen sich plötzlich mit etwas dunkleren Menschen füllen würden!

5. Das „Bin ich jetzt ein Nazi?"-Plakat

Jetzt ist mein — Homofürst (@Pegasusfeder)20. Januar 2015

Botschaft: Die Träger dieser Plakate haben die Schnauze voll davon, ständig von anderen als Nazis bezeichnet zu werden, und verarbeiten diese Kränkung in ihrer Kunst. Das ist zwar wieder mal etwas weinerlich, aber zumindest im zweiten Fall kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen.

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Kreativität: Beim ersten gibt es eine 3 (immerhin musste man erstmal auf das mit Schweinefleisch und so kommen), für das zweite eine 3+, weil er ein schon vorhandenes Motiv geschickt verfremdet und so für die eigenen Zwecke nutzbar gemacht wurde. Dümmer als das Original ist es auch nicht.

6. Das ironische Plakat

Botschaft: Nur weil der Islam das Abendland überrennt, kann man jawohl trotzdem auch mal schmunzeln! Zum Beispiel über den „Gegen-Nazis"-Schenkelklopfer. Oder eben mit einem Meta-Plakat, in dem man die Pegida-Plakatkultur humorig, aber liebevoll auf die Schippe nimmt.

Kreativität: Das erste ist ziemlich gut (2-), das zweite macht auch Freude, wenn man es in so einer Menge entdeckt, also bekommt es auch eine 2.

7. Das experimentelle Plakat

Botschaft: Hier haben sich die Künstler richtig Mühe gemacht, um mit dem Medium zu spielen. Durch die Unterwanderung der erwarteten Form werden Sehgewohnheiten aufgebrochen, was die Botschaft nur stärker macht. Im ersten Fall richtet sich die gegen alle Parteien in Deutschland (außer NPD und AfD), im zweiten gegen die „+Transatlantiker+Volksverräter+AntiDeutsche+Wendehälse+pathologische Lügner+Arschkriecher+Zionisten+Charakterlose+Geldgierige+Meinungsfaschisten+Duckmäuser+Karrieregeile"—kurz gesagt: die Lügenpresse. Das alles arrangiert auf einem Fahnenhalter, der an das Feldzeichen einer römischen Legion erinnert. Alles in allem ziemlich beeindruckend.

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Kreativität: Eine 3+ für den ersten, eine 2+ für den zweiten Beitrag. Leider kann auch der Adler die Verwendung von drei verschiedenen Schriftarten nicht ganz rausreißen, sonst hätte das zu einer 1 gereicht!

8. Der Gewinner

Botschaft: Wir wissen es nicht. Merkel ist ein NSA-Schwein? Die DDR hat Merkelschweine für die NSA gezüchtet, um Stasi-Agenten Berufsperspektiven in den USA zu ermöglichen? Ist „IM Erika" Merkels geheimer Stasi-Name? Kann sie mit diesen Ohren fliegen?

Kreativität: 1+. Das Format ist ungewöhnlich, die Gestaltung ansprechend, und die Aussage stark (wenn auch verworren). Man sollte sich nicht wundern, wenn die Arbeit demnächst in Kunstgalerien einen Platz findet.