Menschen

Spinnen, Flüche, Schnaps: Horrorgeschichten aus dem Supermarkt

"Es ist eigentlich Standard, dass alle zwei Tage ein Kammerjäger in den Markt kommt und Fallen aufstellt", erzählt Matze.
Einkaufswagen, der durch einen Supermarkt geschoben wird
Foto: imago | imagebroker

Ein Job im Supermarkt klingt höchstens dann gut, wenn man mehr Weed geraucht hat als Snoop Dogg in seinen besten Zeiten: Pizza, Fanta, Tortilla-Chips und Käse-Dip soweit das Auge reicht. Spätestens bei dem Gedanken an Kunden, die dich an der Kasse zur Sau machen, weil du ihnen 7,22 Euro statt 7,23 Euro zurückgegeben hast, wird klar: Supermärkte sind ein Eldorado und die Hölle zugleich.

In wohl kaum einem anderen Job kommt man mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Menschen, die einem auch gerne mal an der Kasse ins Gesicht husten, in Mülleimer pissen oder das habe Schnaps-Sortiment klauen.

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Wir haben mit fünf Menschen gesprochen, die während der Uni bei Supermärkten in Essen, Remscheid und Berlin gearbeitet haben. Obwohl die meisten von ihnen nie mehr dorthin zurück möchten, bleiben sie hier lieber anonym.

Ratten, Spinnen und Mäuse

Matze: Ich würde behaupten, dass es kaum einen Supermarkt ohne Ratten gibt. Die kommen aber höchstens nachts in den Laden. Es ist eigentlich Standard, dass alle zwei Tage ein Kammerjäger in den Markt kommt und Fallen aufstellt.

Man stumpft aber irgendwann extrem ab. Am ekligsten ist es eigentlich, den Pfandautomaten sauber zu machen. Immer wenn eine Flasche nicht ganz leer ist, landet ein Schluck in einem Auffangbehälter – und den musst du halt jeden Tag sauber machen.

Alina: Ratten hatten wir nicht. Aber eine sehr große Spinne, die aus einer Bananenkiste kam. Die war schon sehr groß. Fast wie eine Vogelspinne. Der Abteilungsleiter hat sich das angeschaut und meinte, es sei OK. Ich weiß nicht, ob das wirklich OK war. Ich glaube, er hat sie dann einfach getötet.

Lukas: Mäuse und Ratten kommen über die Paletten in den Laden. Die fressen sich da rein. Zwei Kollegen mussten mal während der Nachtschicht Ratten fangen. Dafür haben sie einen Zuschlag bekommen.

Betrunkene Kunden

Alina: Ich habe viel in Kreuzberg und Friedrichshain gearbeitet. Teilweise hatten wir bis 24 Uhr geöffnet. Gerade am Wochenende hatten wir häufiger Kunden, die betrunken oder drauf waren. Kurz bevor wir geschlossen haben, kam mal ein älterer Herr zu mir an die Kasse. Der hat dann einleitend den Standardsatz gesagt: "So eine schöne Kassiererin hatte ich schon lange nicht mehr." Darauf folgt meistens nichts Gutes.

Dann hat er mich gefragt, welches Sternzeichen ich sei. "Löwe." Daraufhin sagte er: "Ah, das habe ich mir gedacht." Dann hat er seine Tarotkarten rausgeholt, mir die Karten gelegt und was von Leidenschaft und Passion erzählt. Ich meinte dann, dass er sein Bier noch bezahlen muss. Als ich ihm die EC-Karte zurückgegeben habe, hat er mir einen Handkuss gegeben, sich für den grandiosen Service bedankt und gefragt, ob ich das Kartenlegen nicht gerne etwas intensivieren würde.

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Beleidigungen

Alina: Einmal wollte ein Mann Blumen kaufen. Während ich die Rosen über das Band gezogen habe, ist eine Blüte abgefallen. Er ist total ausgerastet. Ich habe ihm erklärt, dass er sich an der Tür neue Blumen nehmen kann, aber er wollte genau diesen Strauß. Ich weiß nicht mehr genau, was er gesagt hat, sowas wie "Schlampe".

Matze: An der Kasse laden die Kundinnen und Kunden gerne alles ab, was beim Einkauf falsch gelaufen ist. Zum Beispiel, wenn der Fleischer etwas unhöflich war. An einem Tag war ich nicht so gut drauf und habe nur mit den Schultern gezuckt, als sich jemand beschwert hat. Danach hat der Mann geschrien, wie unfähig ich sei. Klar: Der Kunde ist König. Trotzdem lässt man sich nicht alles gefallen.

Sex

Lukas: Früher haben wir noch Klamotten verkauft und hatten deshalb eine Umkleide im Markt. Die war in unmittelbarer Nähe der Zeitschriften. Irgendwann wurden dort eine große Packung Tempos und Tittenhefte gefunden. Kunden hatten sich beschwert, weil sich dort offensichtlich jemand einen runtergeholt hatte. Weil noch mehrmals Kunden deshalb auf uns zukamen, haben wir die Kabine abgebaut.

Alina: Ein Kunde hat mal Kondompackungen aus dem Regal genommen und an der Kasse im Poetry-Slam-Style vorgetragen, was hinten drauf steht. Ich glaube, der war drauf. Die Kasse war super voll und vor mir stand eine ältere Dame, die gerade bezahlt hat. Ich fand das aber ganz cool und lustig. Am Ende hat er die Kondome allerdings gar nicht gekauft.

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Max: Sex im Laden hatte niemand. Unser Filialleiter wurde aber mehrfach im Personalraum dabei erwischt, wie er mit Typen rumgemacht hat.

Luzie: Unser Filialleiter hat mal mit der Filialleiterin in der Tiefgarage gebumst.

Fäkalien

Lukas: Wir hatten Mülleimer im Sortiment. Die wurden aber nicht so oft verkauft. Einer stand besonders lange im Laden. Als eine Kollegin reingeschaut hat, hat sie gesehen, dass jemand reingepinkelt hatte. Keine Ahnung, wie lange das schon her war.

Ladendiebe

Matze: Bei uns wurde massiv geklaut. Meistens haben wir das erst bemerkt, wenn Sachen fehlten. Wir hatten auch Detektive. Manche saßen nur im Büro vor dem Monitor und haben sich acht Stunden nicht bewegt, andere haben im Zwei-Minuten-Takt jemanden rausgezogen.

Nach Ladenschluss gab es manchmal unangekündigte Taschenkontrollen für die Mitarbeiter. Wir mussten auf alle Lebensmittel, die wir selber mitbringen, einen Sticker kleben und eine Unterschrift von der Geschäftsführung einholen. Aber ein Kollege, der nur für Getränke zuständig war, hat irgendwann angefangen hochprozentigen Alkohol hinter der Laderampe zu verstecken, um ihn nach Feierabend da abzuholen.

Ein anderer Kollege hat mit Sodastream-Kartuschen beschissen. Da sind 25 Euro Pfand drauf. Der hat sich mehrfach den Pfand ausbezahlt, ohne eine Pfandflasche entgegenzunehmen.

Es gab auch einen hohen Schwund an Treuepunkten. Die lagen immer im Lager, weil die Kunden klauen wie die Weltmeister.

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Ein Kunde hat regelmäßig das ganze Kaugummi-Regal in seine Tasche befördert. Einmal wurde mittags im laufenden Betrieb der ganze Alkoholschrank ausgeräumt und in drei Sporttaschen verstaut. Das muss ein Insider gewesen sein, weil die Glasvitrine nicht zerstört wurden.

Alina: Mir wurden mal 50 Euro aus der Kasse geklaut. Ein Mann wollte Geld abheben und hat dann eine Diskussion gestartet, weil ich ihm angeblich nicht das Geld gegeben hätte. Vermutlich war die Kasse in dem Moment offen und sein Kollege hat Geld rausgenommen. Das war ziemlich blöd, weil ich das selber zahlen musste. Ich war über eine Studentenvermittlung angestellt, deswegen wurden mir die 50 Euro von meinem Gehalt abgezogen, obwohl die Chefin mir geglaubt hat.

Im Mitarbeiterbereich hängen einige Bilder von Leuten, die Hausverbot haben. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich die vermutlich nicht erkannt hätte, wenn sie vor mir gestanden hätten.

Max: Früher mussten wir die Pfandbons am Ende der Schicht immer zusammenrechnen, damit die Chefs wussten, wie viel Geld wir ausgezahlt haben. Das wurde aber nie kontrolliert. Ich habe mir jeden Monat ein bisschen was rausgenommen.

Stammkunden

Matze: Wir hatten eine Kundin, die kam ein- bis zweimal die Woche für mehrere Stunden. Die hat alle Produkte mit dem Taschenrechner zusammengerechnet – und wehe am Ende kam an der Kasse etwas anderes raus! Dann gab es Diskussionen. Wenn Menschen runtergerockt aussehen, verstehe ich, wenn 30 Cent einen Unterschied machen. Aber die Frau sah normal aus. Ich glaube, sie war eher sehr pedantisch.

Alina: Ein Kunde kam jede Stunde. Mindestens zehnmal am Tag. Er hat immer ein Bier und eine Schrippe gekauft. Das ging über einen längeren Zeitraum so. Sehr freundlich, aber ich denke, dass er Alkoholiker war.

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Zu uns kamen viele Menschen, die komplett verdreckt waren. Die haben mir einzeln die Centstücke in die Hand gelegt und ich dachte: "Nein, Nein, Nein, fass mich nicht an. Bitte huste mich nicht an." Oder kranke Menschen, die keinen Körperkontakt scheuen. An manchen Tagen habe ich mir nach jedem zweiten Kunden die Hände desinfiziert.

Schlechte Anmachen

Luzie: Ein Typ hat mir mal erzählt, er sei Regisseur. Dann hat er mir seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und gesagt, ich solle mich melden, er plane einen Dreh. Die Nummer hat er ein paar Monate später wieder abgezogen.

Lukas: Mich haben mehrfach Frauen Mitte vierzig gefragt, was ich am Wochenende machen würde und ob ich nicht in einer Bar vorbeikommen wollen würde. Ich war damals Anfang zwanzig.

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