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Die längste Wahl der Welt

Welche Außenpolitik erwartet uns mit Norbert Hofer?

"Wir müssen uns heute fragen, wenn wir Entscheidungen treffen, was hätte dieser heilige deutsche Charakter an unserer Stelle getan? Wäre er mutlos gewesen, oder mutig?"

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2016 neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu und damit auch die wahrscheinlich längste Wahl der Welt—vorausgesetzt es klappt diesmal auch wirklich alles. Im Grunde ist schon fast alles zur Wahl gesagt—und das, obwohl ihr Ausgang völlig offen ist.

Für den Fall, dass wirklich alles, was angeblich dem Hofer hilft, dem Hofer geholfen hat und dieser zum neuen Bundespräsidenten gewählt wird—und um nicht unvorbereitet von diesem Ereignis getroffen zu werden, wie die US-Medien von der Wahl von Donald Trump—, haben wir uns hier schon mal die Positionen von Norbert Hofer und der FPÖ zum Thema Außenpolitik angesehen.

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Norbert Hofer und sein Verhältnis zu Südtirol

Screenshot via YouTube

In der Südtirolfrage kann man Norbert Hofer eine gewisse Ähnlichkeit zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán adjustieren. Nicht weil der etwa davon träumt, sein Machtreich bis ins italienisch-österreichische Grenzgebiet auszudehnen. Aber zumindest, weil es Parallelen zwischen Orbáns Engagement für die ethnischen Ungarn in Rumänien und der Slowakei und Hofers Verständnis von Österreich als "Schutzmacht" und "Vaterland" der Südtirolerinnen und Südtiroler gibt und beide die Doppelstaatsbürgerschaft für die ethnischen Ungarn, beziehungsweise Österreicher fordern.

"Die Trennung Südtirols durch eine Grenze vom Vaterland war Unrecht, ist Unrecht und wird immer Unrecht bleiben, solange diese Grenze besteht", versicherte Norbert Hofer erst im Februar 2015 bei einer Gedenkveranstaltung für den Volkshelden der deutsch-nationalistischen Südtirol-Bewegung, Andreas Hofer, in Meran.

Ein Südtiroler Imam zeigt auf, wie Integration geht

Das Pariser-Abkommen scheint dabei für Hofer nur wenig Bedeutung zu haben, wenn er zum Beispiel den versammelten Südtiroler Schützen auf der Gedenkveranstaltung zuruft: "Wir müssen uns heute fragen, wenn wir Entscheidungen treffen, was hätte dieser heilige deutsche Charakter [gemeint ist Andreas Hofer, Anm.] an unserer Stelle getan? Wie hätte er entschieden? Wäre er mutlos gewesen, oder mutig?"

Was Norbert Hofer damit konkret meint, hat er ebenfalls auf der Veranstaltung in Meran preisgegeben, als er sich davon "überzeugt" zeigte, dass sich "eines Tages ein Zeitfenster auftut, das es erlaubt, dieses Unrecht, das dem Land und das den Menschen in diesem Land angetan wurde, auch wieder getilgt werden kann". Zuvor hatte Hofer in Richtung der Südtirolerinnen und Südtiroler klargestellt: "Eure Heimat ist Österreich!"

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Ein solches "Zeitfenster" für eine Wiedervereinigung könnte sich demnach mit Norbert Hofer als österreichischem Bundespräsidenten ergeben—bleibt noch die Frage, ob sich ein Großteil der Südtirolerinnen und Südtiroler überhaupt eine Heimkehr ins vermeintliche Vaterland wünscht.

Die Auslandskontakte der FPÖ

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Die FPÖ reist gerne und viel. Besonders gerne zu jenen Staatsmännern, denen andere Politikerinnen und Politiker lieber aus dem Weg gehen. So sorgte zum Beispiel im Jahr 2002 ein Besuch Jörg Haiders beim irakischen Diktator Saddam Hussein für Entsetzen. Als einen "Schlag ins Gesicht der westlichen Welt" bezeichnete das US-Außenministerium die Reise des damaligen FPÖ-Chefs. Haider hingegen versicherte dem nach seinem Sturz gehängten Diktator die "Solidarität der Österreicher mit den Irakern".

Die guten Kontakte zwischen Haiders FPÖ und dem libyschen Despoten Muammar al-Gadaffi sorgten auch nach Haiders Tot noch für Schlagzeilen. Immerhin 60 Millionen Euro sollen aus Libyen an die FPÖ geflossen sein. Weitere 15 Millionen aus dem Irak. Zu solchen Geldflüssen kam es nach dem Besuch vom außenpolitischen Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner, und Johann Gudenus, FP-Vizebürgermeister von Wien, beim tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow nicht. Dennoch sorgte der Besuch für einiges an Aufregung. Schließlich wird dem tschetschenischen Präsidenten immer wieder vorgeworfen, Folter und Morde in Auftrag zu geben.

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Norbert Hofer tritt hier etwas leiser auf. Abgesehen von einer Reise nach Israel, die einige Fragen aufgeworfen hat, hielt sich der Bundespräsidentschaftskandidat der FPÖ mit Skandalbesuchen bisher zurück. Trotzdem bieten auch seine Kontakte ins Ausland einiges an politischem Zündstoff.

Abseits von seiner offen zur Schau gestellten politischen Freundschaft mit Rechtspopulisten wie Marine Le Pen, Geert Wilders, oder Frauke Petry, pflegt Hofer zum Beispiel engen Kontakt zum serbischen Präsidenten Tomislav Nikolić. Nikolić ist ein konservativer Nationalist, der vor allem in der Kosovo-Frage als Hardliner gilt.

So sagte Nikolić kurz nach seiner Angelobung 2012, er werde das Kosovo "nie anerkennen, auch nicht zum Preis einer Mitgliedschaft in der EU". Heinz-Christian Strache vertrat eine ähnliche Meinung, als er 2008 bei einer nationalistischen Kundgebung gegen die Unabhängigkeit Kosvos in Belgrad den Serben zurief: "Kosovo ist das Herz Serbiens!"

Überhaupt scheint die FPÖ und Norbert Hofer einiges mit Serbien zu verbinden. Geht es nach Hofer, leben in Serbien vor allem Menschen, "die gleich denken und die gleichen Werte, die gleiche Kultur haben wie wir". Der einzige Unterschied besteht laut Hofer darin, dass man in Serbien eine andere Sprache spricht.

Ein gern gesehener Gast Norbert Hofers ist außerdem der Präsident der bosnischen Teilrepublik Republika Srbska, Milorad Dodik. Der nationalistische Politiker sorgt mit seiner Forderung der Loslösung der Republika Srbska von Bosnien immer wieder für Spannungen und Sorge am Balkan. Unterstützung bei Kundgebungen für sein Anliegen bekam Dodik dabei auch schon von Johann Gudenus und Harald Vilimsky. Und auch Norbert Hofer unterstützt ein entsprechendes Referendum Dodiks. Der bosnische Politiker empfahl im Gegenzug Österreichern mit serbischen Wurzeln, Norbert Hofer zu wählen, wie ARD-Wien berichtet.

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Sollte Norbert Hofer die Wahl für sich entscheiden können, hätte Putin damit einen weiteren Mitstreiter innerhalb der EU für seine illiberale Politik gefunden.

Unterstützung bekommt Dodik aber auch von Wladimir Putin, den auch die FPÖ seit einiger Zeit umwirbt. So spricht sich Norbert Hofer zum Beispiel dezitiert gegen Sanktionen gegen Russland aus. Eine wichtige Kontaktperson innerhalb der FPÖ zu Russland ist wiederum Johann Gudenus, der in Moskau studiert hat, laut ORF über Geschäftskontakte in Russland verfügt hat und bereits mehrmals zu politischen Treffen und Konferenz nach Russland gereist ist. Dort positionierte sich Gudenus vor allem gegen die "Homosexuellenlobby" und die angeblich durch NATO und USA gesteuerte EU-Politik.

Aber auch beim umstrittenen Krim-Referendum eilten Abgeordnete der FPÖ dem Kremel zu Hilfe, wie Profil berichtete. Während offizielle Wahlbeobachter der OSZE an der Grenze abgewiesen wurden, durften unter anderem Gudenus und Hübner als Vertreter der Eurasian Observatory for Democracy and Elections“ (EODE) die Wahl beobachten und bescheinigten ihr auch sogleich einen einwandfreien demokratischen Ablauf—trotz fehlender Kuverts für die Stimmzettel, gläsernen Urnen und nicht vorhandenen Wahlkabinen. Auch, dass der Chef des EODE laut Profil der Rechtsextremist Luc Michel ist, störte die FPÖ-Abgeordneten anscheinend nicht.

Sollte Norbert Hofer die Bundespräsidentschaftswahl für sich entscheiden können, hätte Putin damit einen weiteren Mitstreiter innerhalb der EU für seine illiberale Politik gefunden. Norbert Hofer wäre dann Teil eines Bundes der sich zunehmend in Richtung eines neuen Autoritarismus begibt und in der ohnehin instabilen Balkanregion mit dem Feuer spielt.

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Die Haltung zum ÖXIT und zur EU

Screenshot via Facebook

Es ist einer der zentralen Kritikpunkte am Kandidaten der FPÖ: Ein Bundespräsident Norbert Hofer würde der Europäischen Union ablehnend gegenüber stehen und einen Austritt Österreichs forcieren. Verstärkt wurde sie durch die populistische Kampagne des Industriellen Hans Peter Haselsteiner mit dem Motto "Kommt Hofer. Kommt Öxit."

Dass die Kampagne durchaus für Unbehagen sorgt, zeigt sich an der vehementen Zurückweisung des ÖXIT-Vorwurfs durch Hofer während der letzten Monate. Gebetsmühlenartig erklärt er, dass er gegen einen EU-Austritt sei. Dieser wäre "ein Schaden für Österreich." Nur unter zwei Gesichtspunkten trete er für einen Austritt ein: sofern ein Beitritt der Türkei im Raum stehe, oder ein neuer EU-Vertrag Europa noch "zentralistischer" machen würde.

Dass die FPÖ und Norbert Hofer einen ÖXIT sehr wohl in Kauf nehmen würden, beziehungsweise diesem nicht ablehnend gegenüber stehen, belegt wiederum ein Entschließungsantrag vom 27. Jänner 2016; unterzeichnet von Klubobmann Strache und Verfassungssprecher Stefan und unterstützt vom gesamten FPÖ-Klub. "Es ist daher unerlässlich, dass als erster Schritt in Richtung Volksabstimmung eine Volksbefragung über den Austritt Österreichs aus der EU abgehalten wird", hieß es in dem Antrag.

Ein Video der populistischen Kampagne Haselsteiners gegen einen möglichen Öxit.

Hintergrund war das EU-Austrittsvolksbegehren der Aktivistin und Hofer-Unterstützerin Inge Rauscher, die im Juni 2015 260.000 Stimmen dafür gesammelt hatte. Offiziell stand die Partei damals nicht hinter dem Volksbegehren: "Ein Austritt ist kein grundsätzlich erstrebenswertes Ziel, sondern lediglich die letztmögliche Option in einer Reihe von Maßnahmen zur Wahrung der österreichischen Interessen", schrieb Herbert Kickl damals an Mitglieder der FPÖ. Ein halbes Jahr später sah sich die Partei dann jedoch trotzdem als Anwalt dieses Volksbegehrens im Parlament.

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Fest steht jedenfalls: Norbert Hofer ist kein Freund der Europäischen Union. Er hat 1994 gegen einen Beitritt zur EU gestimmt und würde das im Jahr 2016 auch wieder tun. Im Parteiprogramm der FPÖ, das Hofer mitverfasst hat, kommt das Wort "Europäische Union" kein einziges Mal vor. Man bekennt sich stattdessen zu einem diffuseren "Europa der Vaterländer", ohne auf Kompetenzverteilung genauer einzugehen. Man kann Hofer und der FPÖ aber wohl abnehmen, dass sie für keinen sofortigen Austritt aus der EU stehen.

Viel mehr benutzt die Partei das Austritts-Gespenst seit zehn Jahren aus taktischen Gründen. Um, wie ab 2007, mit Kritik gegen den Lissabon-Vertrag zu punkten; um sich bei der Nationalratswahl 2013 schärfer gegen Stronach abzugrenzen; und im aktuellen Wahlkampf, um sich den mehrheitsfähigen Ärger über die Türkei zugute zu machen, obwohl ein Beitritt wohl auf Jahrzehnte ausgeschlossen ist. Ein "Nein, aber ja" eben.

Eingliederung in die Visegrad-Staaten?

Bild: Wikimedia Commons

Viel weniger enthusiastisch als bei der FPÖ, wird ein EU-Austritt übrigens bei der befreundeten Nachbarregierung Ungarns gesehen. Dort hat Viktor Orban sogar aktiv für einen Verbleib Großbritanniens in der EU geworben. Nicht einmal die rechtsextreme Jobbik spricht sich für einen EU-Austritt aus. Das Interesse der Ungarn hat wohl auch damit zu tun, dass das Land, neben Polen, der größten Netto-Empfänger innerhalb der der Union ist.

Auch alle anderen Länder der großen EU-Erweiterung von 2004 profitieren finanziell von der Mitgliedschaft. Trotzdem hat sich mittlerweile vermehrter Widerstand gegen Brüssel vonseiten der sogenannten Visegrad-Staaten—Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen—gebildet. Die FPÖ will sich in dieser Opposition, die sich etwa vehement gegen eine europäische Verteilung von Flüchtlingen ausspricht, stärker engagieren, und sogar Teil davon werden. "Mir schwebt eine Visegrad-Plus-Gruppe vor, wo wir mit Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn regelmäßige Treffen abhalten", sagte Norbert Hofer zuletzt etwa in der Wiener Zeitung.

Das hat natürlich einerseits eine historisch-symbolische Komponente. Österreich war einst Zentrum des Donauraums und Beherrscher des Balkans—gewisse nationale Identitätsgefühle werden damit natürlich bedient. Gute Kontakte am Balkan hat Österreich mit Sicherheit, was sich integrativ auch bereits jetzt immer nutzen lässt, Polen passt hier vielleicht nicht unbedingt rein.

Die FPÖ bemüht sich um Kontakt zum tschechischen Präsidenten Milos Zeman, der eine Art mitteleuropäischen Trump mit Alkoholproblemen repräsentiert.

Von wesentlicherer Bedeutung ist ohnehin die politische Komponente, wenn es um die sogenannten Visegrad-Staaten geht. Autoritäre Entwicklungen wie in Ungarn, in denen sich die Exekutive der Gerichtsbarkeit bemächtigt, kann die FPÖ schwer leugnen. Selbes gilt seit dem Machtwechsel in Polen auch dort. Gleichzeitig bemüht man sich um Kontakt zum tschechischen Präsidenten Milos Zeman, der mit homophoben und sexistischen Aussagen seit Jahren eine Art mitteleuropäischen Trump mit Alkoholproblemen repräsentiert.

Der FPÖ und Hofer muss jedenfalls bewusst sein, dass sie in dieser Hinsicht auf klar nationalkonservative und illiberale Kräfte setzen und nicht auf die sogenannte, politische Mitte, wie sie es gerne hätten. Bei all den guten Kontakten zu östlichen Nachbarn, muss man doch feststellen, dass Österreich in der Zweiten Republik jahrzehntelang dem westeuropäischen Narrativ angehörte. So manches deutet jedenfalls auf eine Abkehr von diesen Werten hin.

Thomas auf Twitter: @t_moonshine, Paul auf Twitter: @gewitterland