In Deutschland haben sich am Wochenende Tausende Verbindungsstudenten zum Massenbesäufnis getroffen

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In Deutschland haben sich am Wochenende Tausende Verbindungsstudenten zum Massenbesäufnis getroffen

"Scheiß Studenten, geht arbeiten!"

Der Geruch von gegrillten Bratwürsten macht sich auf dem Marktplatz breit. Das altehrwürdige Rathaus ist mit Fahnen des Coburger Convents geschmückt. Viel ist am Montagmorgen nicht los, doch zwei einsame Würstlbuden am Rande des Platzes machen ordentlich Umsatz. Sichtlich vom vorabendlichen Alkoholkonsum gezeichnet stopfen sich Verbindungsstudenten und alte Herren schnell noch eine Bratwurst rein, um den anstehenden Kostümauflauf zu überstehen.

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Gut 4000 aktive und ehemalige Verbindungsstudenten haben sich zum 148. Pfingstkongress der Landsmannschaften und Turnerschaften des Coburger Convents (CC) getroffen. In dem Korporationsverband sind 92 Verbindungen aus 46 Hochschulstandorten in Deutschland und Österreich organisiert. Der 10.000 Mitglieder zählende Männerbund ist farbentragend und pflichtschlagend. „Ehre – Freiheit – Freundschaft – Vaterland": So lautet der Wahlspruch des 1951 entstandenen CC.

Teilweise in Fantasieuniformen und mit Degen bewaffnet vollzogen die Studenten die jährlichen Traditionsveranstaltungen: Festball (mit Bier), Sportfest (auch mit Bier), bierseliger Frühschoppen und Festkommers im Bierzelt. Aber auch toten Deutschen wurde vor einem Ehrenmal aus der Zeit des Nationalsozialismus mit einer Kranzniederlegung gedacht. Höhepunkt des Festivals für Konservative: Ein Fackellauf mit Marschmusik, der unter anderem durch die ehemalige "Straße der SA" führte, die heute wieder "Mohrenstraße" heißt. Danach abendlicher Ausklang bei Bier.

"Der Coburger Convent ist konfessionell, weltanschaulich und politisch ungebunden. Mitglied kann jeder eingeschrieben Studenten [sic!] einer Hoch- oder Fachhochschule werden, ganz gleich seiner Religion oder Herkunft", sagt der CC auf seiner Homepage. Offiziell distanziert man sich von der extrem rechten Deutschen Burschenschaft (DB), die mit der Forderung nach einer Art "Ariernachweis" von sich Reden machte. Der CC lässt seine Mitgliedschaft im Convent Deutscher Akademikerverbände ruhen, da dieser sich nicht dazu entschließen konnte, die DB auszuschließen. Auch in den öffentlichen Reden betonte der CC seinen demokratischen Charakter. "Frieden schaffen ohne Waffen" gab gar Martin Siebert von der präsidierenden Landsmannschaft Rhenania als Parole heraus.

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"Scheiß Studenten, geht arbeiten!", riefen linke Gegendemonstranten beim Fackelmarsch ebenso wie "Die Nazis am Marktplatz ergötzen sich an eurer scheiß Ästhetik!". Dort fand im Schein der brennenden Fackeln die Rede zur CC-Feierstunde statt. Ein Neonazi mit einem Pullover des "Fränkischen Heimatschutzes" stimmte mit den versammelten Korporierten und der Lokalbevölkerung die Nationalhymne an, die vor einigen Jahren noch in allen drei Strophen gesungen wurde.

Ab 1939 durfte Coburg den Ehrentitel "Erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands" führen. 1922 fand hier der "Deutsche Tag" statt, auf dem die SA der NSDAP ihren ersten großen Auftritt hatte und sich Straßenschlachten mit linken Gegnern lieferte. Schon 1929 errang die NSDAP die absolute Mehrheit im Stadtrat, 1931 wehte am Rathaus erstmals an einem öffentlichen Gebäude in Deutschland die Hakenkreuzfahne.

Die Stadt Coburg, die im Verbindungsjargon liebevoll "Kloburg" genannt wird, empfängt die Verbindungen (gegen eine feste Reinigungsgebühr) gerne. Um Pfingsten sind alle Ferienwohnungen und Hotels in der Umgebung ausgebucht. Die korporierten Gäste können alle repräsentativen Gebäude nutzen, der Bürgermeister ist bei den großen Feierlichkeiten zugegen. Sogar Schulen dienen dem CC als Unterkunft. "Nach den Pfingstferien waren Kotzflecken im Klassenzimmer keine Seltenheit", berichtet gegenüber Jan, der das Gymnasium Ernestinum besucht hat, gegenüber VICE. Ansonsten geht nicht viel in der 40.000 Einwohner zählenden Stadt, die vor allem mit Jugendabwanderung und Rekordfunden von Crystal Meth auf sich aufmerksam macht.

Die Würstlverkäufer konnten sich dieses Wochenende jedoch freuen. Kaum hatte die Feuerwehr die Überreste der Fackeln vom Marktplatz geschafft, rauchte der Grill wieder. Dazu gab es Bier.