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Zivilpolizisten schauen zu, wie Identitäre auf AntifaschistInnen einprügeln

Nach dem Aufmarsch der Identitären gab es rechte Übergriffe am Praterstern. Die Polizei-Strategie wirft Fragen auf.
Foto von David Prokop

Foto von David Prokop.

Nach dem Aufmarsch der rechtsextremen Identitären am vergangenen Samstag kam es am Praterstern zu einem Angriff auf AntifaschistInnen. Die Identitären wurden zuerst von der Polizei in einer Sonder-U-Bahn eskortiert, die vom Reumannplatz bis zum Stephansplatz durchfuhr. Dort stieg die uniformierte Polizei aus, die Identitären fuhren ohne uniformierte Begleitung weiter bis zum Praterstern.

Am Praterstern trafen sich die Identitären nochmals zu einer Art Schlusskundgebung. Auf Videos ist zu hören und sehen, dass die Identitären dort durch ein Megaphon zu den Anwesenden sprachen. Auch ein Gruppenphoto wurde bei dieser Gelegenheit gemacht. Uniformierte Polizei war zu diesem Zeitpunkt nicht sichtbar präsent.

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Nachdem eine kleine Gruppe von 15 bis 20 anwesenden AntifaschistInnen auftaucht und beginnt, Parolen zu rufen, stürmen Rechte auf sie zu. Ein Video zeigt, dass zuvor Gegenstände von beiden Seiten flogen. Die Rechten gingen bei ihrem Angriff unter anderem mit Fahnenstangen gegen die AntifaschistInnen vor, wie in einem anderen Video und auf Bildern zu sehen ist. Einige AntifaschistInnen flüchteten vor der Attacke, andere verteidigten sich und wehrten die Angreifer ab.

Gleichzeitig versuchten Ordner der Identitären, die eigenen Leute zurückzuhalten. Andere Männer mit sichtbaren Symbolen der Identitären waren aber auch am Angriff beteiligt. So soll ein Mann mit Identitären-Shirt mehrmals mit seinem Megaphon zugeschlagen haben, wie ein Augenzeuge sagt.

Ein anderer, ebenfalls mit dem Lambda-Logo der Identitären auf der Brust, ist auf Bildern mit erhobener Fahnenstange zu sehen. Die Bilanz des Angriffs: Zumindest ein verletzter Antifaschist, der vor Ort von der Rettung erstversorgt wurde und dann ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Ich habe mit Polizeisprecher Roman Hahslinger über die Situation am Praterstern und das Verhalten der Polizei gesprochen. Auf meine erste Frage, warum die Polizei die im Block abfahrenden Identitären am Stephansplatz verlassen habe, sagt Hahslinger, dass das „taktische Gründe" gehabt hätte. In Folge erklärt er dann aber, dass der Hintergrund des polizeilichen Abzugs ein anderer war: „Offensichtlich war vereinbart, dass die Identitären am Stephansplatz aussteigen, die Änderung war in der Kürze nicht vorhersehbar."

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Hahslinger erklärte in einem Interview auf Radio Orange aber auch, dass auch am Praterstern „uniformierte Polizei vor Ort" gewesen sei. Im Gespräch mit mir schränkt er ein, damit den Praterstern allgemein gemeint zu haben und nicht den Treffpunkt der Identitären. Hahslinger gibt weiter an, dass auch direkt am Ort der Auseinandersetzung zivile Einsatzkräfte präsent gewesen seien. Auf meine Frage, ob die Schärfe der Attacke mit Stangen nicht erforderlich gemacht hätte, dass diese anwesenden BeamtInnen auch einschreiten, sagt Hahslinger: „Diese Frage geht mir jetzt zu sehr in eine Richtung, das möchte ich nicht kommentieren."

Ich frage, ob ein solcher Angriff nicht potentiell lebensbedrohend sei. Hahslinger erklärt: „Mit diesen Stangen ist keine Lebensgefahr verbunden. Wenn ich einen kleinen Kieselstein oder mittelgroßen Stein habe, ist damit keine Lebensgefahr verbunden. Aber ich kann trotzdem jemand umbringen. Verstehen Sie den Unterschied?"

Der verletzte Antifaschist, der zu Boden ging, sagt, er wäre von der Rettung rund 20 Minuten vor Ort versorgt worden (das deckt sich mit meiner Wahrnehmung und anderen ZeugInnenaussagen). In dieser Zeit sei keinerlei Kontaktaufnahme durch zivile Polizei oder die inzwischen eingetroffenen uniformierten PolizistInnen erfolgt. Es gab also keine Bitte um Daten, Personenbeschreibung der Täter oder ähnliches. Das ist verwunderlich, denn in anderen Fällen löst die Polizei durchaus auch bei mutmaßlichen Körperverletzungen sogenannte Alarmfahndungen aus, wo im Bereich des Tatorts und an Hand von TäterInnenbeschreibungen gezielt gefahndet wird.

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Auf die Frage, warum am Praterstern keinerlei Kontaktaufnahme mit dem Verletzten stattfand, sagt Hahslinger, dass ohnehin alle Daten vom Spital übermittelt würden und danach eine Einvernahme stattfinden würde. Hahslinger sagt auch, dass später im Lokal Alpendorf (wohin die Identitären vom Praterstern zogen) die Daten aller anwesenden Rechten aufgenommen wurden.

Das Problem dabei: Falls die Täter vom Praterstern ihr Abschluss-Bier vor der Heimreise nicht im Alpendorf, sondern woanders tranken, gibt es nun keine Personalien. Die Identitären geben selbst an, dass viele ausländische Kameraden zum Aufmarsch kamen. Falls das auch auf die Täter zutrifft, würde eine Personenbeschreibung in einigen Tagen wohl zu spät kommen.

Beim Angriff am Praterstern gab es zumindest noch ein weiteres Opfer. Ein Foto-Journalist berichtet, dass er zuerst nur dokumentiert habe. Als der Antifaschist, der getreten wurde, am Boden lag und sich nicht mehr bewegte, sei für ihn aber klar gewesen, dass er helfen müsse. Daraufhin hätte er selbst einen Schlag mit der Faust gegen den Kopf bekommen. Er berichtet, dass er den Vorfall am Praterstern bei den dann eintreffenden PolizistInnen mit Täterbeschreibung angezeigt habe und zwei Polizei-Autos den Tätern nachgefahren seien. Polizei-Sprecher Hahslinger hätte ihm dann aber später gesagt, dass keine Anzeige vorliegen würde.

Nach Angaben der Gewerkschaftsfraktion AUGE/UG soll es im Prater einen weiteren Angriff gegeben haben. Stefan Steindl, der stellvertretende Landessprecher der AUGE, soll im Prater von einem Rechten angegriffen und geschlagen worden sein. Auch aus dem Lokal Alpendorf, wo sich die Identitären trafen, flogen später Gegenstände, ein Aschenbecher traf dabei einen Photographen.

Weitere Vorfälle werden vom Abend nach der Demonstration gemeldet. Natascha Strobl, Sprecherin der Offensive gegen Rechts, wurde via Twitter bedroht. Sie war schon mehrmals das Ziel von Drohungen durch Rechtsextreme. Die Sozialistische Linkspartei (SLP) postete auf Facebook, dass einige ihrer AktivistInnen in der Nähe einer Antifa-Party gezielt von einer Gruppe von Rechtsextremen attackiert worden seien. Laut SLP-Sprecher Sebastian Kugler wird deshalb Anzeige erstattet.

Ihr könnt Michael auf Facebook kontaktieren und seine ersten Gehversuche auf Twitter unter @michaelbonvalot verfolgen.