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Ich bin als erwachsene Frau zum Spring Break gegangen

Spring Break bedeutet einen Monat alkoholgeschwängerter Ausschweifungen, was wiederum Tausende Studenten anlockt – und mich.

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Ein junger weißer Mann in einem Tanktop geht auf einen anderen jungen weißen Mann in einem Tanktop zu. „My fuckin' nigga!", ruft er, dann umarmen sie sich—aber nicht zu viel, es könnte ja sonst als homoerotische Geste gedeutet werden. Ich schaue mich um, ob sonst irgendjemand von diesem Spektakel ähnlich angewidert ist wie ich. Nein, anscheinend niemand.

Ich befinde mich für die letzte Woche des Spring Break in Lake Havasu City, Arizona. Der Spring Break—ein Monat alkoholgeschwängerter Ausschweifungen—lockt dem lokalen Besucherzentrum zufolge jährlich 30.000 College-Studenten an die zugemüllten Ufer des Stausees. Das Wetter ist eher mittelprächtig. Es ist windig, der Himmel bedeckt und überhaupt ist es recht kühl. Die dunklen Wolken vermitteln eher ein Gefühl von Weltuntergang als Party. Trotzdem wird unbeirrt gefeiert. So einfach will man sich die Stimmung hier nicht versauen lassen.

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Früher am gleichen Tag hatten ein paar versprengte Frat Brothers und Sorority Sisters—ihr wisst schon: amerikanische Verbindungsstudenten—, auf dem Sand des Nautical Beach Resort gestanden—dem Epizentrum von SWATopia, a.k.a. „West Coast's Largest Spring Break Event". Man wuselte zwischen Klapptischen umher, während die Sonne immer wieder hinter den dunklen Wolken hervorschaute und wieder verschwand. Die angehenden Akademiker vergnügten sich mit Beer-Pong, dazu spielte ein unglaublich apathischer DJ „London Bridge" von Fergie. Kleiner Fun-Fact: Die echte London Bridge ist 1971 für 7 Millionen US-Dollar demontiert und nach Lake Havasu City transportiert worden. Sie ist der ganze Stolz der Stadt.

Schutzlos den Elementen ausgeliefert und nach mehreren Tagen Dauerrausch waren die (durchaus noch jungen, aber bestimmt nicht unzerstörbaren) Körper sichtlich mitgenommen. Wenn man dem Durchschnittsbesucher, der um spätestens schon um 13 Uhr schon gut einen sitzen hatte, in die Augen schaute, sah man nichts—nur die Spiegelung der eigenen Silhouette.

Sobald die Sonne untergegangen war, war die Rockstar Stage des SWATopia bereit für den Auftritt eines DJs namens 3LAU. Er hatte seinen Gig aber auf den nächsten Abend vorschoben. Wie einer der Türsteher des Ladens mir mitteilte, „hatte er befürchtet, dass es vielleicht regnet oder irgendeinen Mist."

Meine Enttäuschung hielt sich in Grenzen, kannte ich doch keinen einzigen Track aus 3LAUs Oeuvre. Trotzdem bot mir der Türsteher an, mir für die Unannehmlichkeiten 10 US-Dollar des Eintrittspreises zu erstatten. Außerdem gab er mir noch einen Rat mit auf den Weg: „Bring das nächste Mal eine Dose Rockstar Energy Drink mit, dann kommst umsonst rein." Er warnte mich aber: „Die muss aber voll sein! Nicht leer!"

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Überall waren Rockstar-Energy-Drink-Logos zu sehen, genauso wie überall Rockstar-Energy-Marketingleute rumliefen, die Beachbälle und Trucker-Caps in die spärliche Menge warfen. Diese Ansammlung besoffener Studenten gehörte, wie es schien, zu ihrer Zielgruppe.

Um 21 Uhr, dem offiziellen Start der Konzerte, war der Veranstaltungsraum menschenleer. Ich entschied mich also dazu, über das Gelände des Nautical zu wandern. Im Vorbeigehen schaute ich in offen stehende Hotelzimmer. Überall waren Mädchen in Bikinis und Typen in Board-Shorts. Draußen im lichten Gras türmten sich Berge aus roten Einwegbechern und leeren Bierdosen.

Die Zimmer der Spring Breaker waren voll mit dem gleichen Müll. Im Vorbeigehen konnte man sehen, wie die Bewohner sinnlos rumgrölten, während dazu die gleiche EDM-Musik lief, wie sie nicht weit entfernt von der Bühne plärrte. Sie waren hierher gekommen, um ein langes Wochenende ohne Lärmbeschwerden und die kritischen Blicke ihrer Tutoren zu feiern; ein Wochenende ohne Regeln und ohne Erwachsene. Die Erwachsenen, genau wie das Krankenhaus, befanden sich aber nur einen Steinwurf entfernt—auf Abruf sofort da, wenn nötig. Lake Havasu City ist auch ein beliebtes Urlaubsziel für wassersportbegeisterte Menschen mittleren Alters, die sich den See dann einen Monat mit zugedröhnten Jugendlichen teilen.

Während ich so durch die Gegend wanderte, traf ich auf ein grünhaariges Mädchen. Sie sagte mir, dass sie es in den ganzen Jahren noch nie so leer erlebt habe. Sie hat die letzten drei Jahre ihren Spring Break hier verbracht und erzählt mir, dass dieses Jahr bloß 25 Studenten der Cal State Fullerton hergekommen seien—normalerweise seien es Hunderte. Niemand von der Las Vegas Crew—Studierende von der University of Nevada, Las Vegas—habe es hierhergeschafft, da sich deren Spring Break dieses Jahr zeitlich nicht mit ihrem überschnitten habe.

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Aber auch mit einer kleineren Crowd würde es noch immer Spaß machen: „Weniger Menschen bedeuten auch weniger Drama." Ich fragte sie, wo denn die ganzen Leute bleiben würden, immerhin war es schon 22 Uhr. „Die wachen noch auf", sagte sie mir. Niemand würde sein Zimmer vor 23 Uhr verlassen. Sie gab mir den Rat, mir irgendeine Vorglüh-Runde zu suchen, da man in den Konzertbereich auch keine alkoholischen Getränke von außerhalb mitbringen darf.

Ich entschied mich trotzdem dazu, zurück in den Konzertbereich zu gehen. Während ich an meiner lauwarmen Dose Rockstar Sugar Free nippte, beobachtete ich die trostlose Szenerie vor meinen Augen. Die Nebelmaschinen schossen ihren Rauch in den leeren Raum. „Das ist wie eine extrem traurige Mittelstufenparty", merkte meine Begleitung an, während wir auf die etwa 30 Besucher schauten, die verkrampft in Grüppchen umherstanden. Ein Typ in Hawaiihemd neben uns warf sich eine Pille ein.

Mit der Zeit trafen immer mehr Spring Breaker ein, aber mehr als ein paar hundert Feierwütige sollten es in dieser Nacht nicht werden. Ein Remix von Ludacris „Move Bitch (Get Out the Way)" brachte die Menge zum Kochen—aber nur kurz. Ein Freund des DJs machte mit seinem iPhone unzählige Aufnahmen von ihm, vermied es aber penibel, die nur spärlich vorhandene Crowd miteinzubeziehen. Ich beobachtete einen Typen dabei, wie er an ein Podest gelehnt eine Frau im Arm hielt und sie fingerte. Der Nebel, der das Paar umgab, ließ das Schauspiel aussehen wie eine Szene aus einem Kriegsgebiet.

Und ich dankte Gott, dass ich zu alt für diesen Scheiß bin.