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FPÖ

Das antifeministische Frauenbild der FPÖ und Norbert Hofers

Die Rechtspopulisten von der FPÖ thematisieren Sexualstraftaten von Ausländern. Dabei wird die Zahl österreichischer Täter ignoriert—und ein ganz bestimmtes Täterbild konstruiert.

Update: Am Mittwochnachmittag hat uns Leo Gabriel Kohlbauer telefonisch kontaktiert und sich von der Videobotschaft von Katy Milacek distanziert. "Ich teile die Botschaft dieser Frau in keinster Weise und distanziere mich deutlich davon. Was in diesem Video gesagt ist, ist widerwärtig und kann man so nicht sagen. Ich habe den Beitrag nicht bewusst geliked, das ist unabsichtlich passiert", so der FPÖ-Bezirksparteiobmann von Mariahilf gegenüber VICE.

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Vor einigen Tagen spülte mir Facebook ein Video des Wiener Models Katy Milacek in meine Timeline. Katy Milacek regt sich darin fürchterlich über drei "Flüchtlinge" auf, die sie im Stadtpark angestarrt hätten. Einer von ihnen habe sich später außerdem in der U-Bahn neben sie gesetzt, was sie schließlich dazu veranlasst hat, ihrer Meinung in Form eines Videobeitrags auf Facebook kundzutun. Eigentlich regt sich Katy Milacek nicht nur auf. Sie droht auch dem nächsten "Flüchtling", der "hinter ihr gehe", mit dem erschießen:

"Jetzt ist mein Weg einfach zum Waffenschein und mir ist das wurscht, ich werde diese Waffe einfach 24 Stunden bei mir tragen und wenn es seien muss, ich werde die benutzen. […] Heast, eine Kugel in die Kopf sofort! Interessiert mich einfach nicht, diese Leute haben hier nichts zu suchen! […] Wenn ich eine Waffe dann irgendwann habe und ich die benutze, werd ich 100 Prozent ins Gefängnis gehen, weil er ist so ein armer Flüchtling und die haben dort nicht so hübsche Frauen wie wir hier in EUropa, die haben dort keine Blondinen, die haben dort keine rothaarigen, was auch immer. […] Es wird nicht lange dauern und ich fahre nach Tschechien und besorg mir eine Waffe und wenns sein muss, werd ich die benutzen. […] Waffe ist das einzige wovon jeden Mensch auf der Welt Respekt hat!"

Nun ist Katy Milacek bei weitem nicht die erste, die emotional völlig überreagiert und einen ziemlich diffusen und undifferenzierten Videobeitrag zum Thema Schutzsuchende via Social Media verbreitet. Sie ist auch nicht die Erste, die ankündigt, sich eine Waffe zuzulegen und von dieser im "Notfall" Gebrauch zu machen.

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Überrascht hat mich schließlich aber—nicht unbedingt aus ideologischer, aber zumindest aus strategischer Perspektive—, dass sich unter den 123 Likes auch eines von Leo Gabriel Kohlbauer findet. Kohlbauer ist FPÖ-Bezirksparteiobmann und Bezirksrat in Wien-Mariahilf und steht in einem Nahverhältnis zu Pegida und den Identitären.

Die FPÖ, und mit ihr auch Leo Kohlbauer, versucht seit Monaten, sexuelle Übergriffe von Asylwerbern in Österreich und Deutschland für ihre Agenda zu nutzen und daraus politisches Kapital zu schlagen. Dass es der FPÖ dabei aber nicht nur um die Opfer sexualisierter Gewalt, sondern vor allem um die Konstruktion eines bestimmten nicht-österreichischen Tätertypus—dem "Flüchtling"—geht, zeigt ein Blick auf die Auseinandersetzung der Freiheitlichen mit Sexismus und gewalttätigen Grenzüberschreitungen.

Ein Beispiel: In einem Interview mit der Boulevardzeitung Österreich beantwortete Heinz-Christian Strache die Frage, ob "Po-Grapschen ins Strafrecht kommen" sollte, mit "sicher nicht". Den sogenannten "Po-Grapsch-Paragraphen", der Frauen (und Männer) vor ungewollten Berührungen am Oberschenkel und Hinterteil bewahren soll, gibt es seit Anfang des Jahres dennoch—aber eben trotz Gegenstimmen (und nicht auf Initiative) der FPÖ.

Noch deutlicher wird die schwammige Haltung der FPÖ gegenüber sexualisierter Gewalt, wenn man weg von der öffentlichkeitswirksamen Parteispitze geht und die freiheitliche Basis genauer unter die Lupe nimmt. Hier stolpert man sehr schnell über Aussagen, die genauso gut von Roosh V selbst stammen könnten.

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Zum Beispiel stellte der promovierte Philosoph Wilfried Grießer, der 2015 auf Platz 19 bei den Mödlinger Gemeinderatswahlen für die FPÖ kandidierte, in einer Stellungnahme an das Justizministerium die Behauptung auf, dass Frauen es "mitunter nachgerade lieben, von einem 'wildgewordenen' Penis 'überfallen' zu werden; und hierzu die Zustimmung einzuholen, […] wäre genau der Verlust dieses Reizes." Wem das zu verschwurbelt formuliert ist: Ja, hier hat gerade ein Doktor der Philosophie und FPÖ-Gemeinderatspolitiker gesagt, dass Sex für Frauen seinen Reiz verlieren kann, wenn sie nicht von einem Penis überfallen werden.

Für Grießer ist außerdem klar, dass "der Mann die Frau zum Ding herabsetzen muss". Und auch der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Harald Stefan fiel etwa mit der sexistischen Aussage auf, die Frau wäre "vom Nestbauinstinkt geprägt" und würde "meistens nicht anführen" wollen.

Interessant an der Tatsache, dass die FPÖ plötzlich sexualisierte Gewalt thematisiert, ist vor allem, dass Gewalt gegen Frauen bisher alles andere als ein Anliegen der Freiheitlichen war. So schrieb etwa die FPÖ Amstetten noch 2012 in ihrem Parteiblatt, Frauenhäuser wären "Unfug, der abgestellt gehört" und lehnte die Subvention des örtlichen Frauenhauses mit der Begründung ab, dieses würde "Ehen zerstören".

Nicht der gewalttätige Mann, sondern die schutzsuchende Frau wäre also schuld am Zerbrechen von Beziehungen. Frauenhäuser stellen für die FPÖ außerdem eine Gefahr für den Fortbestand des traditionellen Familienbildes dar, da sie die "Scheidungsindustrie" bedienen. Brigitte Kashofer, FPÖ-Chefin von Amstetten, kritisierte weiter, dass das "Gender Mainstreaming" die "Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs mit effektiveren Waffen" wäre, da damit die Geburtenrate "insbesondere der deutschen Bevölkerung" gesenkt werden solle.

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Foto: Facebook/Norbert Hofer

Norbert Hofer ist in seinen Aussagen etwas vorsichtiger, was in erster Linie wohl am Wahlkampf liegt und vermutlich auch mit seiner durchaus durchdachten Art der Kommunikation zu tun hat. Weniger antifeministisch macht ihn das aber nicht.

Hofer ist, wie bereits an mehreren Stellen ausgeführt wurde, unter anderem Autor des Handbuchs freiheitlicher Politik, in dem es wörtlich heißt, die Gebärmutter sei "der Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in unserem Land". Ein Satz, von dem sich der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat auch im Wahlkampf nicht distanzieren wollte.

Sein ambivalentes Verständnis von der Selbstbestimmung der Frau zeigte Hofer in der ORF-Sendung Report, als er sagte, dass er eine Ministerin mit Kopftuch nicht angeloben würde, da "die Burka ein Symbol der Unterdrückung der Frau ist und das Kopftuch ebenso". Gleichzeitig will Norbert Hofer Frauen in Österreich aber eine "Bedenkzeit" vor einem Schwangerschaftsabbruch vorschreiben.

Lest hier, wer Norbert Hofer wirklich ist

Gerade aber das Recht auf Abtreibung ist ein fundamentales Frauenrecht, wie die Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger in einer Aussendung betont: "Als Wiener Frauenstadträtin ist es mein Ziel, dass jede Frau selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden kann. Das inkludiert das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Dabei hat weder eine staatliche noch eine religiöse Institution mitzureden, sondern es ist die alleinige Entscheidung der Frau."

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In anderen Ländern, wo Abtreibungen verboten sind, führen Komplikationen bei illegalen Abtreibungen jedes Jahr bei fünf bis acht Millionen Frauen zu Verletzungen und vorübergehenden oder dauerhaften Behinderungen. Laut der Weltgesundheitsorganisation starben 2008 rund 47.000 Frauen an den Folgen von illegalen Schwangerschaftsabbrüchen.

Jeder Schritt weg von der liberalen Gesetzgebung in Österreich—wie etwa das Infragestellen der Fristenlösung oder das Vorschreiben einer Bedenkzeit—ist damit auch ein Schritt zurück im Kampf um die Selbstbestimmung der Frau. Das hat auch der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer bereits vor 16 Jahren klar gemacht, indem er sagte, dass diejenigen, die "die Fristenlösung auch nur teilweise rückgängig machen wollen" sich "zurück ins 19. Jahrhundert bewegen".

Stefanie Sargnagel hat sich mit Norbert Hofer angelegt und wurde dafür von Facebook gesperrt

Mit Parolen wie "Frauen sind das Fundament der Familie" und "Ja zu Familien statt Gender-Wahnsinn" zeigt die FPÖ jedenfalls ganz offiziell, wo sie die Rolle der Frau sieht: Zu Hause als Mutter und Hausfrau, wie bereits Jelena Gučanin in einem Artikel in der Wienerin festgestellt hat. Das spiegelt sich auch im eigenen Parlamentsklub wieder. So sind nur sieben der insgesamt 38 FPÖ-Mandatare im Nationalrat weiblich. Zum Vergleich: Bei den Grünen sind 12 der 24 Mandate von Frauen besetzt.

Für die FPÖ ist Frauenpolitik und Gewalt gegen Frauen anscheinend vorwiegend dann ein Anliegen, wenn Wahlkampf ist, beziehungsweise österreichische Frauen von ausländischen Tätern angegriffen werden. Dass sich gewisse FPÖ-Funktionäre nun als Frauenrechtler aufspielen, ist vor allem dann scheinheilig, wenn man bedenkt, dass die meisten Verbrechen gegen Frauen nach wie vor im österreichischen Ehebett stattfinden, die FPÖ für den Erhalt der traditionellen Familie plädiert und gleichzeitig gegen Schutzeinrichtungen für Frauen, die Gewalt in der Familie erfahren, auftritt. Auch 2015 wurden dreimal so viele Österreicher wegen Sexualdelikten verurteilt wie Ausländer. Das spielt im Wahlkampf der FPÖ anscheinend kaum eine Rolle.

Paul auf Twitter: @gewitterland