FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

Der Cool Freaks Wikipedia Club besteht aus lächerlichen Besserwissern

Eigentlich geht es in der Facebook-Gruppe darum, besonders absurde Wikipedia-Einträge zu teilen. Stattdessen ist sie ein brodelndes Kriegsgebiet.

Die Welt ist voll von allem möglichen Zeug und manches davon ist cool und verrückt. Fast alles hat einen Wikipedia-Eintrag, also ist Wikipedia auch voll von coolen und verrückten Wissenshappen. Das Problem ist nur, dass Wikipedia so überfüllt mit Wissen ist, dass es schwierig werden kann, die wirklich guten Seltsamkeitsbrocken zu finden. Zumindest bis der ​Cool Freaks Wikipedia Club angefangen hat, uns die Arbeit abzunehmen.

Anzeige

Der CFWC ist eine Facebook-Gruppe mit 28.000 Mitgliedern, die sich der Suche nach verrückten Wikipedia-Einträgen verschrieben hat. Das ist auch die einzige Facebook-Gruppe, der ich angehöre, und das zu Recht: In den vergangenen Stunden habe ich gelernt, dass es mich umbringen könnte, wenn ich meinen  ​Ventilator nachts anlasse und dass ​Zyzzyx Road der kommerziell erfolgloseste Film aller Zeiten war und an den Kinokassen nur 30 Dollar eingespielt hat. Außerdem habe ich mehr über ​Panir erfahren, als ich je wissen wollte oder mir je nützlich sein wird. Neben den esoterischen Halbwahrheiten und unbedeutenden Fakten habe ich aber noch etwas viel Grundlegenderes gelernt: Die Leute, die sich für Wikipedia interessieren, sind unglaublich pedantisch und sehr empfindlich was die bloße Möglichkeit betrifft, dass sich jemand von den Einträgen und Kommentaren vor den Kopf gestoßen fühlt.

Der Wikipedia-Eintrag für Panir zum Beispiel führte zu einer hitzigen Diskussion von Cool Freaks-Mitgliedern, ob es nicht offensichtlicher Orientalismus sei, wenn Panir einen eigenen Eintrag bei Wikipedia bekommt, wo das Wort doch einfach nur „Käse" bedeutet. Jeder, der einen skeptischen Kommentar postete, oder einfach nur aufzeigen wollte, dass es schon irgendwie verrückt ist, aus einem Facebook-Post über einen Wikipedia-Eintrag zum Thema Käse eine Bühne für die Orientalismus-Hetze zu machen, wurde sofort aus der Gruppe ausgeschlossen.

Anzeige

Postet ihr einen anstößigen Kommentar, werdet ihr gesperrt. Macht ihr euch über eine Anthropomorphismus-Triggerwarnung lustig, werdet ihr ausgeschlossen. Ihr fragt nach, warum das Videospiel Sonic the Hedgehog mit einer Zoophilie-Warnung versehen werden muss? Nun ja, es gibt eine Zwischensequenz, in der Sonic eine Prinzessin küsst. Und schon wurdet ihr dafür gesperrt, dass ihr gewagt habt zu fragen.

Mein Mitbewohner hat mich vor sechs Monaten zu Cool Freaks gebracht. Mittlerweile wurde er aber gesperrt, weil er auf Facebook einen blöden Witz gerissen hat. Dabei hat er ihn noch nicht einmal in die Gruppe gepostet, sondern auf die Seite eines Facebook-Freundes, wo ihn einer der Cool Freaks-Admins gelesen hat. Daraufhin wurde er ausgeschlossen.

Gelegentlich tauchen in meinem Feed Ausbrüche vom CFWC-Mitgliedern auf – Posts von Leuten, die wegen der faschistoiden Überempfindlichkeit der Moderatoren von Cool Freaks fast einen Nervenzusammenbruch erleiden. Das ehemalige CFWC-Mitglied Christian Larson war sofort begeistert, als er die Seite auf Facebook fand. „Ich liebte die Gruppe. Sie bestand aus einem Haufen Nerds, die obskure Wikipedia-Geschichten miteinander teilten und sie diskutierten. Genau darum sollte es bei Social Media doch gehen", sagte mir Larson. „Den Leuten schien es ziemlich auf Political Correctness anzukommen, wenn man das so sagen kann. Aber mir, daran könne ja erstmal nichts verkehrt sein."

Anzeige

Larson erzählte seinen Freunden von der Gruppe und schon bald waren auch deren Feeds voll mit Wikipedia-Einträgen über  ​Sandwiches aus Toastbrot und ​AlphaSmarts. Dann postete einer seiner Freunde einen Artikel über eine besonders coole und komische Einheit im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und plözlich war alles anders. Es häuften sich die Kommentare und die Vorwürfe, er würde Imperialismus und die Vorherrschaft der Weißen befürworten. Larsons Kumpel wurde beschimpft, weil er den Artikel gepostet hatte. Dieser Mann, ein Universitätsprofessor und entschiedener Liberaler, war mehr als überrascht. Sein Post wurde zum Schlachtfeld einer Kolonialismus-Diskussion, im Rahmen derer die Trigger-verrückten Moderatoren Sperren wie Bonbons verteilten.

Larson: „Es ist erschreckend, wie hämisch die Moderatoren sind, wenn sie jemanden sperren. Ich weiß, es ist schwach, als weißer, heterosexueller Mann jemanden des Mobbings zu bezichtigen. Aber eine andere Bezeichnung gibt es nicht dafür."

Der Professor wurde gesperrt. Seine Posts wurden gelöscht. Cool Freaks machten einfach weiter, als wäre nichts gewesen.

Larson wurde irgendwann auch gesperrt: „Eines Tages postete jemand einen Artikel über die Bombardierung Dresdens, der für ziemlichen Aufruhr sorgte. Irgendwann schrieb jemand in einem Kommentar, dass es im Krieg keine guten Jungs gebe. Das erinnerte mich an einen  ​berühmten britischen Sketch, in dem zwei Nazis am Lagerfeuer sitzen und sich fragen, ob sie zu den Guten oder den Bösen gehören."

Anzeige

Er postete ein witziges Zitat aus dem Sketch und ging zur Arbeit. Am Abend konnte er sich nicht mehr auf der Facebook-Seite von Cool Freaks Wikipedia Club einloggen. Anscheinend hatte Larson, der als Aktivist Teil der Protestbewegung gegen den Irak-Krieg war, mit dem Zitat für Aufruhr gesorgt. Die Cool Freaks stempelten in als „Nazi-Sympathisanten" und „Genozid-Verteidiger" ab und sperrten ihn kurzerhand.

Larson versuchte noch, mit einem anderen Account in die Gruppe zurückzukehren und sich für den geschmacklosen Scherz zu entschuldigen, aber er wurde einfach wieder gesperrt. Die Gruppe machte unermüdlich weiter, postete coole und komische Artikel und sperrte gleichzeitig alle, die es wagten, eine Triggerwarnung für das Wort „Geister" in Frage zu stellen.

Der CFWC hat jetzt fast 30.000 Mitglieder und Hunderte von gesperrten Mitgliedern. Für die Facebook-Flüchtlinge, die den Strom an seltsamen Wikipedia-Einträgen vermissen, gibt es mehrere Möglichkeiten, wie sie sich trösten können. Zusammen mit ungefähr 700 anderen ehemaligen Mitgliedern hat Larson eine konkurrierende Facebook-Gruppe namens Cool Nerds Trivia Club ins Leben gerufen. Andere gesperrte Mitglieder versuchen, sich den Cool Freaks über eine Rehabilitationsgruppe namens „Banned Members Reinstatement Program" anzubiedern. Sie können dort den Post oder Kommentar veröffentlichen, wegen dem sie gesperrt wurden, einem Admin beweisen, dass sie reumütig sind, und darauf hoffen, wieder in die Cool Freaks-Community aufgenommen zu werden.

„Es ist ja bloß Facebook", sagte mir gestern ein Cool Freaks-Mitglied. (Aus Angst vor den Moderatoren hatte er mich gebeten, seinen Namen nicht zu nennen.) „Ich verstehe ja, dass die Cool Freaks alle einbeziehen wollen und verstärkt auf Themen achten, die heikel sein könnten. Ich verstehe, dass sie alles zivilisiert und höflich halten möchten."

„Aber wenn die Tatsache, dass Sonic the Hedgehogvon einer Zeichentrickprinzessin einen Schmatzer auf die Wange bekommt, bei jemandem eine posttraumatische Belastungsstörung auslöst, dann ich das Internet für diese Person wohl allgemein nicht der richtige Ort. Ich will ja nur komische Wikipedia-Einträge mit anderen teilen ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen, ob meine Ausdrucksweise nicht vielleicht jemanden vor den Kopf stößt."

Er machte eine Pause. „Ich werde die Gruppe wirklich vermissen, wenn ich erstmal dafür gesperrt worden bin, dass ich mit dir gesprochen habe."