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Nachdem ich mir meinen Penis abgeschnitten hatte, wurde ich Opfer einer schlimmen Medien-Hetzjagd

Der mit dem Wu-Tang Clan verbandelte Rapper Christ Bearer hat sich von dem schrecklichen Zwischenfall zwar schon wieder erholt, ist aber immer noch davon überzeugt, dass die Medien mit dem Thema psychische Gesundheit anders umgehen müssen.

Andre Johnson, auch bekannt als Christ Bearer

Letztes Jahr ereignete sich eine der schlimmsten Tragödien im Bezug auf psychische Gesundheit, als sich Andre „Christ Bearer" Johnson, ein mit dem Wu-Tang Clan zusammenarbeitender Rapper, im PCP-Rausch und an Depressionen leidend den Penis abschnitt. Der Medienrummel um Johnsons Geschichte war erstaunlich groß und der Musiker, der vorher nur im Untergrund bekannt war, zierte plötzlich die Titelseiten vieler Zeitungen und Klatschzeitschriften. Das Ganze war Mobbing im großen Stil, denn Mainstream-Journalisten machten sich über den potenziell tödlichen Akt der Selbstverletzung lustig. Ich nahm den internationalen Tag der seelischen Gesundheit (10. Oktober) zum Anlass, um mit Johnson darüber zu reden, wie die Reaktion der Presse seine Genesung beeinflusst hat. Der nun folgende Artikel ist eine Niederschrift seiner Gedanken zu diesem Thema.

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2014 war nicht wirklich mein Jahr. Nachdem mir meine Ex-Frau verboten hatte, meine Töchter zu sehen, wurde mein Leben von schweren Depressionen überschattet. Ich hatte einfach das Gefühl, dass alles schief lief. Als ich dann dachte, dass es nicht mehr schlimmer werden könnte, musste ich auf dramatische Art und Weise das Gegenteil erfahren: Eines Tages verlor ich jeglichen Bezug zur Realität, nachdem ich Gras und PCP geraucht hatte, schnitt mir wie im Wahn meinen eigenen Penis ab und sprang anschließend vom Balkon. Das Angel Dust hatte in mir düstere und zerstörerische Gedanken hochkommen lassen und durch meinen Kopf lief nur ein einziger Satz: „Scheiß drauf, vielleicht bin ich ohne dieses Ding besser dran, weil ich dann keine Kinder mehr zeugen kann—wenn man bedenkt, wie scheiße es mit denen läuft, die ich bereits in diese Welt gesetzt habe."

Zum Glück habe ich diesen Zwischenfall überlebt. Das Ganze war ein schrecklicher Abschnitt meines Lebens, den ein schwächerer Mensch wohl nicht überstanden hätte, aber ich bin Mitglied der Original Nation of Islam und glaube deswegen an den unbezwingbaren Geist des allmächtigen Gottes Allah, der mich vollkommen durchdringt und diese Sache deswegen überstehen ließ. Dieser entsetzliche Akt der Selbstverletzung war jedoch erst der Anfang der Tortur. Leider leben wir in einem Zeitalter, in dem mental geschädigte Personen von den Medien als eine Art Zirkusnummer angesehen werden. Anstatt mir eine schnelle Genesung zu wünschen, belästigten mich die Journalisten ohne Unterlass und gaben ihr Bestes, um mich psychisch zu brechen.

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Der mediale Shitstorm geriet total aus dem Ruder. Eigentlich hätte ich mich auf meine Gesundheit konzentrieren sollen und dazu standen noch zwei weitere Operationen an. Stattdessen standen jedoch die Journalisten aller möglichen Magazine und Zeitungen vor dem Krankenhaus Schlange, was dann auch die Ärzte dazu zwang, mich von einem Zimmer ins andere zu verlegen, um mir zumindest ein kleines bisschen Privatsphäre zu ermöglichen. Den Pressevertretern war es offensichtlich wichtiger, sich über meine lebensbedrohliche Lage lustig zu machen, als über die Tatsache nachzudenken, dass ich hätte sterben können.

Nachdem ich das Krankenhaus wieder verlassen durfte, wurden meine Depressionen durch berühmte Personen noch weiter verschlimmert, die ich vorher eigentlich immer geschätzt hatte. Sie machten Witze auf meine Kosten, um so aus meinem Unglück Profit zu schlagen. Man könnte zwar auch damit argumentieren, dass ich für diese Misere durch meinen Drogenkonsum selbst verantwortlich war, aber als die Story zum ersten Mal in den Medien auftauchte, wusste noch niemand, dass ich damals PCP geraucht hatte.

Im Gegenteil: Es wurden sogar meine Depressionen als Auslöser genannt. Die Presse hetzte nicht gegen mich, um auf die Gefahren von Drogen aufmerksam zu machen—es sollten einfach nur mehr Exemplare verkauft werden, indem man sich auf meine persönliche Tragödie stürzte.

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Der Radiomoderator Charlamagne ging sogar so weit und machte mich zum „Donkey of the Day"—ein Titel, der normalerweise nur Leuten gegeben wird, die etwas Dummes getan oder gesagt haben. Solche Aktionen lassen Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, nicht gerade in einem guten Licht dastehen. Zusätzlich machten sich noch wichtige Zeitungen mit großen Auflagen über mich lustig, deren Mitarbeiter es eigentlich wirklich besser wissen sollten.

Professor David Lester von der Stockton University hat sich mit den Selbstmorden von berühmten Persönlichkeiten auseinandergesetzt. Ihm zufolge ist ein solches Verhalten der Medien lebensbedrohlich. „Das Ganze ist mit Internet-Mobbing vergleichbar, das ja ebenfalls oft mit Selbstmord endet", meint er. „Die psychische Erkrankung erhöht das Suizid-Risiko nur noch weiter."

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Ich bin eigentlich nur in HipHop-Kreisen bekannt und kann mir deswegen kaum vorstellen, was wirklich berühmte Leute durchmachen müssen, wenn sie psychisch erkranken. Patrick Corrigan vom Illinois Institute of Technology, der auch das BuchThe Stigma of Disease and Disability veröffentlicht hat, schlägt in die gleiche Kerbe wie Professor Lester. „Wenn man sich über die psychische Krankheit einer berühmten Person lustig macht, dann werden so nicht nur die Lebensumstände des betroffenen Menschen verschlimmert, sondern auch das Stigma der psychischen Krankheit", erklärt er. „Dieses Stigma kann für die Betroffenen genauso problematisch werden wie die Symptome der psychischen Krankheit."

Zum Glück half mir mein Glaube dabei, diese Probleme und Sorgen hinter mir zu lassen. Die eigene Einstellung bestimmt, wie man sein Leben angeht, und der Glaube daran, sein eigener Jesus zu sein, ist ein wichtiger Bestandteil der Original Nation of Islam. Ich bin der Gott meiner eigenen Welt und deshalb musste die Veränderung auch von mir ausgehen. Ich ließ die Kritik an mir abprallen, machte selbstironische Witze über meinen „Unfall", um nicht wieder in Selbstmitleid zu versinken, und war weiter als Musiker tätig, um damit anderen Menschen hoffentlich Mut zu machen.

Eine Sache ist jedoch gleich geblieben: Die Medien tragen auch heute noch zu dem Stigma bei, das psychischen Erkrankungen anhaftet. Daran muss sich etwas ändern oder wir werden weiterhin im Mittelalter feststecken und Menschen mit mentalen Problemen gelten auch in Zukunft noch als aussätzige Personen, über die man sich lustig machen kann. Gesellschaftliche Meinungen werden durch die Medien sowohl geprägt als auch widergespiegelt—und genauso, wie letztendlich ich für meine Genesung verantwortlich war, sind wir alle dafür verantwortlich, die Veränderung voranzutreiben, die wir sehen wollen.

Hoffentlich kommt diese Veränderung so schnell wie möglich, denn sie ist dringend nötig.