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Weihnachten

Menschen erzählen, wie es war, die Wahrheit über das Christkind zu erfahren

Von Omas, die das Glöckchen klingeln, Papas, die Geschenke aus dem Schrank holen und Raketen, die das Christkind töten.

Foto von der Autorin

Ihr braucht gar nicht versuchen, es zu leugnen: Herauszufinden, dass es das Christkind nicht gibt, war für uns alle ein Schock. Manche können sich nicht mehr daran erinnern, weil ihr Hirn dieses einschneidende Erlebnis gekonnt verdrängt hat—zu Recht. Es war strengstens verboten, das Wohnzimmer zu betreten und viele mussten sich im Kinderzimmer mit Spielen ablenken bis die rettende Erlösung in Form eines klingelnden Glöckchens erklang.

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Früher oder später kamen aber dann doch alle dahinter. Entweder wurde in der Schule gespoilert oder man platzte unangekündigt in das Wohnzimmer und sah seine Eltern, wie sie die Geschenke unter den Baum legten. Irgendwann wusste man es einfach und heute kann man gar nicht mehr genau sagen, wie man davon erfahren hat.

Wir haben die gefragt, die sich schon noch daran erinnern können, wie es war, die Wahrheit über das Christkind zu erfahren und haben auch Kinder getroffen, die sich noch nicht ganz sicher sind und die Wahrheit vielleicht gar nicht so genau wissen wollen.

Foto von Christopher Glanzl

Sarah, 11, Steiermark

Als ich in der ersten oder zweiten Klasse war, habe ich erfahren, dass es das Christkind nicht mehr gibt. Das war am Weihnachtstag. Meine Familie und ich sind gerade von der Kirche heimgekommen. Mein Papa hat sich schnell die Schuhe ausgezogen und gemeint, er wolle nachsehen, ob das Christkind schon da war und Geschenke unter den Baum gelegt hat. Ich bin ihm hinterhergelaufen und habe gesehen, dass er Geschenke aus dem Wohnzimmerschrank genommen hat. Meine Mama wollte mich noch aufhalten, aber es war schon zu spät.

Ich hab dann den ganzen Abend überlegt und gegrübelt. Wir haben ganz normal gefeiert und die Geschenke geöffnet, aber es ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Am nächsten Tag habe ich dann meine Mama gefragt und sie hat mir gesagt, dass es das Christkind nicht gibt. Ich war schon ein wenig traurig, aber irgendwie wusste ich es ja schon. Mein Papa hat jedes Jahr die Geschenke nach der Kindermesse unter den Baum gelegt, aber seit es damals schief gelaufen ist, gehen mein kleiner Bruder und ich immer raus zum Spielen. Er weiß es nämlich noch nicht. Ich verrate ihm auch nichts, weil ich bei diesem Geheimnis jetzt mitmache—das macht schon irgendwie Spaß.

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Max, 10, Wien

Ich glaube schon, dass es das Christkind gibt, aber ich glaube nicht, dass es die Geschenke bringt. Die Mama und der Papa bringen die Geschenke. Das Christkind ist weiß und hat Flügel und besucht die Kinder zu Weihnachten und sagt meinen Eltern, dass sie die Geschenke hinlegen können.

Steffi*, 27, Steiermark

Ich habe am Weihnachtsabend erfahren, dass es das Christkind nicht gibt. Ich glaube, dass ich sieben oder acht Jahre alt war. Mein Bruder und ich haben in unserem Zimmer Nintendo gespielt und ich hatte vor, in die Küche zu laufen, weil ich meiner Mutter etwas erzählen wollte. Die Küchentür war aus Glas und ich habe meinen Vater dabei gesehen, wie er den Weihnachtsbaum gerade in das Wohnzimmer trägt.

Bei uns gab es bis das Christkind gekommen ist auch keinen Weihnachtsbaum. Also habe ich mir das Christkind immer als fliegenden Weihnachtsbaum vorgestellt. Als ich aber meinen Vater mit dem Baum gesehen habe, war sofort klar, dass es das Christkind nicht gibt. Ich wollte gar nicht mehr in die Küche gehen und meine Eltern dabei ertappen, habe mich enttäuscht auf die Stufen gesetzt und überlegt. Ich weiß noch, dass ich zu meinem großen Bruder gelaufen bin und ihn gefragt habe, ob es das Christkind gibt—nur um sicher zu gehen. Er hat nur gesagt: "Das muss jeder selbst herausfinden".

Sandro, 22, Vorarlberg

Den ersten Verdacht, dass die ganze Christkind-Weihnachts-Story bloß eine elterliche Intrige war, habe ich geschöpft, als ich gesehen habe, wie sich der Nikolaus—der mich kurz zuvor vor versammelter Mannschaft mit den Fehlern meines vergangenen Jahres blamiert hat—umgezogen und sich in einen Kollegen meines Vaters verwandelt hat. Früher war ich ein arger Fan von Thomas Brezinas Krimis (OK, ich bin es auch heute noch), deshalb bin ich dieser Spur natürlich nachgegangen.

Es hat mich nämlich auch gewundert, dass mein Bruder und ich immer im Zimmer verharren mussten, bis das Christkind die Glocke geläutet hat. Die Erwachsenen haben währenddessen im Wohnzimmer den Christbaum im Fünfminutentakt gelobt—in Vorarlberg wird nach einem Lob an den Christbaum traditionell ein Schnaps getrunken. Ich habe also durch den Türspalt geschaut und meine Oma dabei gesehen, wie sie die Glocke läutet, während die anderen fröhlich irgendwelche Weihnachtslieder gelallt haben.

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In diesem Moment habe ich zwei lebensverändernde Dinge gelernt: Das Christkind existiert nicht und Schnaps bringt Menschen dazu, (schlecht) zu singen.

Isabella, 29, Kärnten

Alles begann mit einem Abend, dessen Voraussetzungen für uns Kinder kaum besser hätten sein können: Die Oma war da, alles war verschneit, die Mutter hat sich erbarmt, das Sauerkraut wegzulassen und es mit Kroketten auszutauschen und meine Schwester und ich durften den ganzen Tag lautstark unsere (im Nachhinein sehr lachhaften) Theaterstücke im ganzen Haus aufführen. Bis es dann eben so weit war: Wie jedes Jahr half mein Papa dem Christkind, den Baum zu schmücken und die Geschenke hinzulegen. Nicht mal in größter Verliebtheit hatte ich mehr Herzklopfen, als damals, als ich dachte, ich bin im gleichen verdammten Haus wie das Christkind, das extra für uns vom Himmel gefallen ist.

Nun. Irgendwann sagte meine Mutter die erlösenden Worte "Das Christkind war jetzt da" (was wir natürlich wussten, weil der Papa dem Ding ja half, aber vermutlich fiel ihr keine bessere Catchphrase ein), nur anders als sonst schrie sie dann noch "Kinder, Kinder, schaut, das Christkind fliegt da vorbei!" Die Minihand meiner kleinen Schwester in meiner, unsere beiden Augen größer als der Mond und die Kinderherzen voll der Dankbarkeit. Und dann: Boom. Ein Knall, Funken, vermeintliche Christkindlocken und vermeintlicher weißer Samt fielen vom Himmel. Ich, sprachlos vor Schock, meine Schwester kurz vorm Bersten: "MAMA, MAMA, DAS IST CHRISTKIND IST IN DER LUFT ZERFALLEN."

Kindertränen, Geschrei, Trauer, Mutter und Oma zwischen Schock und Lachanfall. Und dann kam der Papa, der seine Mädchen weinen hörte und noch nicht wusste, dass es seine beste Idee war, eine Rakete als Christkind zu verkaufen. Mein Vater ist ein sehr nüchterner Mensch und um das Drama schneller zu beenden, sagte er sowas wie "Na, geh, Mädls, ihr glaubts ja wohl echt nicht mehr ans Christkind." Da wir unsere Zweifel aber eh schön öfter in ernsten Diskussionen beim Spielen besprochen hatten und relativ scharf auf die Geschenke waren, gaben uns damit dann auch relativ bald zufrieden. Am nächsten Tag mussten sie halt noch ein paar "Ihr seid gemeine Lügner"-Sager aushalten.

Lorenz, 9, Wien

Ich glaube schon, dass es das Christkind gibt, weil ich jemand bin, der an solche Sachen glaubt, auch wenn es keine richtigen Beweise gibt. Bei uns ist es immer so, dass den ganzen Tag die Wohnzimmertür zu ist und erst am Abend dürfen wir hinein—also erst wenn das Christkind da war.