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'Treibt Feminismus-Hype Männer in die Porno-Falle?' — die kritische Edition eines 20-Minuten-Artikels

“Der Pornokonsum zu Hause scheint Männern die attraktivere Alternative zu einer Beziehung zu sein.”

Screenshot 20 Minuten.  Besinnungslos auf den Feminismus einzudreschen, als wäre er eine mit Goldstücken gefüllte Piñata, ist nichts Neues. Trotzdem scheint das kreative Bullshit-Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Das Schweizer Onlineportal 20 Minuten hat 48 Stunden nach dem Weltfrauentag folgende haarsträubende These zusammengebastelt: Feminismus zerstört monogame Beziehungen und verdammt Männer zum Pornoschauen.

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Nach der Lektüre des Artikels haben wir die Faktenlage zum Thema Porno und Feminismus etwas genauer angeschaut und eine kritische Edition der abstrusesten Aussagen der Story verfasst.

"Junge Frauen, die sich vermehrt für Gleichberechtigungsfragen interessieren, verunsichern viele junge Männer."

Wir würden gerne vom Urheber dieses Zitats, Markus Theunert von Männer.ch, dem Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen, wissen, wo diese "vielen jungen Männer" genau sind, die sich von Frauen verunsichern lassen. Was ist falsch daran, wenn Frauen Interesse für ihre Grundrechte zeigen? Scheinbar hat jemand den Schuss noch nicht gehört, dass Bewegung in der Gleichstellungsfrage ohne die Offenheit von Männern nicht möglich ist. Und wie soll das funktionieren, wenn man sie nicht einmal kritisieren kann?

"In Beziehungen- und Sexualitätsfragen wüssten junge Männer nicht mehr, was sie dürfen und was nicht."

Es ist schon mal ein gutes Zeichen, dass sich die "jungen Männer" trotz ihrer Verunsicherung Gedanken über ihr Verhalten machen. Aber vielleicht müssten sie einfach mal die 20-Minuten weglegen, sich ausführlich mit dem Thema Gleichberechtigung und moderner Liebe auseinandersetzen, um ihrer Verwirrung zu entkommen. Leseempfehlung: unsere Guides zu Sexismus, Feminismus oder Tinder für Männer von einer Frau.

"Der Pornokonsum zu Hause scheint Männern die attraktivere Alternative zu einer Beziehung zu sein."

Die Annahme, dass Männer Sex mit Pornos kompensieren, ist längst widerlegt. Laut einer Studie steigern Pornos sogar die Libido. Ebenso die Annahme, dass nur Männer Pornos schauen. Laut einer Umfrage schauen im deutschsprachigen Raum 76 Prozent aller Männer zwischen 18 und 35 regelmässig Pornos und 32 Prozent aller Frauen. Und gerade feministische Pornos sind auf dem Vormarsch. Auch schliessen sich das Wort Porno und Beziehung nicht aus. Laut dem Buchautor David Ley kann das gemeinsame Pornoschauen in Beziehungen einen positiven Effekt auf beide Partner haben.

"60 Prozent aller Maturanden sind weiblich, auch bei den Universitätsabschlüssen sind die Frauen bereits in der Mehrheit." Die Männer würden ihre dominierende Rolle in der Arbeitswelt verlieren. "Und was macht die Politik?", fragt Theunert. «Gar nichts. Sie hat noch kein Bewusstsein für dieses Problem. Sie versagt."

Die Zahlen stimmen, man kann davon ausgehen, dass die Arbeitswelt in der Schweiz weiblicher wird. Das als Problem zu bezeichnen, ist das wahre Problem.

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