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diskriminierung

Autohaus will syrischen Bewerber zurück in sein Land schicken

"… da der Krieg beendet ist und Sie dort dringend benötigt werden, um es aufzubauen."
Foto mit freundlicher Genehmigung von MiGAZIN

Wenn Asylbewerbern gesagt wird, sie sollen sich integrieren, klingt es immer, als sei es das Einfachste der Welt: fehlerloses Deutsch, einen Job finden, Steuern zahlen und Schweineschnitzel statt Hummus. Tatsächlich sind es aber oft die Einheimischen selbst, die Migranten die Integration erschweren – so wie es jetzt ein Warsteiner Autohaus bei einem syrischen Bewerber gemacht hat. Der 26-Jährige lebt in Bonn und sucht nach einer Ausbildungsstelle. Als die Firma Budde Automobile bei Facebook nach Azubis sucht, bewirbt er sich. Eine Woche später liegt die Absage in seinem Briefkasten – und eine diskriminierende Empfehlung:

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"Nach Auswertung Ihrer Unterlagen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass Sie nicht unsere Vorgaben erfüllen." Dann folgen zwei Zeilen, für die das Unternehmen nun heftig kritisiert wird: "Ich möchte Ihnen eher die Empfehlung aussprechen, in Ihr Land zurückgehen [sic!], da der Krieg beendet ist und Sie dort dringend benötigt werden, um es wieder aufzubauen."

Foto mit freundlicher Genehmigung von MiGAZIN

Das Deutsch der Absage ist dabei so schief wie die Einschätzung des Autohaus-Mitarbeiters zur Lage in Syrien: In vielen syrischen Regionen finden noch immer Kämpfe statt, noch immer werden fast täglich Zivilisten bei Luftangriffen getötet. Der UNO-Sicherheitsrat hat erst vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass die humanitäre Hilfe in dem Land für ein Jahr verlängert wird.

Im Gespräch mit dem Magazin MiGAZIN betont Salim F., wie ausführlich er sich auf seine zukünftige Ausbildungsstätte und insbesondere die Bewerbung beim Autohaus vorbereitet habe. Seit er vor zwei Jahren als syrischer Flüchtling nach Deutschland kam, habe er seinen Führerschein und sein Abitur anerkennen lassen und einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 abgeschlossen. Aktuell bereite er sich für die Prüfung des B2-Kurses vor, so das Magazin, das Salims echten Namen nicht öffentlich machen will.

Anfang Dezember entdeckte Salim bei Facebook eine mittlerweile gelöschte Stellenanzeige, die zu ihm passte: Budde Automobile expandiere und suche dafür nach neuen Auszubildenden. Salim entschied, sich zu bewerben, und ließ seine Bewerbungsunterlagen laut MiGAZIN sogar beim Arbeitsamt checken, damit alles ordentlich sei. Die Beraterin habe ihm gesagt, dass seine Bewerbung "super" sei. Trotzdem fand er eine Woche später die Absage des Autohauses in seinem Briefkasten.

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Die Absage liegt MiGAZIN vor, das Magazin schreibt, der Geschäftsführer Carsten Budde werde als Ansprechpartner genannt. Der hat sich unterdessen in zwei Posts auf der Facebook-Seite seines Unternehmens zu dem Brief geäußert. Dort entschuldigt er sich im Namen seiner Mitarbeiter. Die Äußerung einer einzelnen Person entspreche nicht der Meinung des Unternehmens oder seiner Belegschaft, heißt es in dem ersten Posting. In einem späteren Beitrag schreibt Budde, die für das Schreiben verantwortliche Person räume den Fehler ein und müsse mit Konsequenzen rechnen.

Welche Konsequenzen genau getroffen werden, ist bisher nicht bekannt. Für eine Stellungnahme war der Geschäftsführer Carsten Budde am Vormittag nicht zu erreichen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich unterdessen bei Twitter eingeschaltet und Salim F. dazu ermutigt, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Benachteiligungen unter anderem aufgrund der Ethnie, Sexualität oder Herkunft einer Person. "Im Falle einer gerichtlich festgestellten Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft hätten Betroffene Anspruch auf eine Entschädigung", sagt der Sprecher der Antidiskriminierungsstelle Sebastian Bickerich gegenüber VICE.

Ob Salim F. gegen den Autohändler klagen wird, ist unklar. Carsten Budde schreibt, er habe ihn zu einem persönlichen Gespräch eingeladen: "Ich wünsche mir, dass wir die Gelegenheit erhalten, uns persönlich für den Fehler zu entschuldigen." Budde hofft, dass mit dem Vorfall eine Diskussion angestoßen werden könne: Integration sei nur möglich, wenn sich Unternehmen an den Integrationsbemühungen beteiligen und den Menschen eine Chance geben.

Noch schöner wäre es allerdings, wenn diese Bemühungen selbstverständlich wären – und nicht erst durch einen diskriminierenden Brief angestoßen werden müssen.

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