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Fahrradaktivismus

Wie die vielleicht sturste Radfahrerin Deutschlands zum Twitter-Meme wurde

Ein Kleinlaster blockiert den Fahrradweg. A) Du fährst drumherum. B) Du weinst. C) NAHKAMPF.
Foto eines Tweets mit einem orangefarbenen LKW
Screenshot: Twitter | @LaSuze7

Die Welt ist ein ungerechter Ort: Ein Schminktutorial wird besser bezahlt als ein Job in der Pflege, Horst Seehofer ist noch im Amt und es gibt immer noch keine Verhütungspille für Männer. Wer die Welt ein Stück gerechter machen will, hat also viel zu tun. Und manchmal wird der Widerstand der Einen zum Twitter-Meme der Anderen. Wie die vielleicht sturste Radfahrerin Deutschlands vergangene Woche zeigte.

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Man könnte sagen, dass der Tweet der Hannoveranerin im Sozialen Netzwerk zum Running Gag wurde – läge der Witz der Sache nicht genau darin, dass sich überhaupt nichts mehr bewegte. "Fahrradstraße. Er will nicht warten oder ausweichen. Jetzt stehen wir Nase an Nase seit 10 min", hieß es am Donnerstag auf dem Account von "@LaSuze7". Darunter prangte eine Frontalaufnahme eines orangefarbenen Kleinlasters zwischen totem Laub und einem parkenden Auto mit vereister Windschutzscheibe.

Fahrrad gegen Kleinlaster, ein ungleicher Kampf. Doch wie einst bei Bushido gegen AirBerlin hielt sich LaSuze hartnäckig, ausdauernd und meist regungslos. Der Kleinlaster musste weg, die Straße zurück unter die Reifen der Radfahrenden, die sich die ungehinderte Fahrt mit ihrem Engagement für Körper und Umwelt verdient hatten. Wäre es einfacher gewesen, mit dem Rad über den Grünstreifen auszuweichen und im Vorbeifahren den Mittelfinger ans Fahrerfenster zu pressen? Sicherlich. Aber es ging offenbar ums Prinzip. LaSuze – die motorisierte Falschparkende auf Twitter auch schon mal mit dem Klassiker "Anzeige ist raus" outcallt – war offensichtlich wütend. Und unterhielt damit nicht nur die Fahrer des Kleinlasters, sondern auch die Twitter-Gemeinde.

Unter dem Ursprungstweet entbrannte eine Diskussion über Radfahr-Rechte und teilte Nutzer und Nutzerinnen in zwei Lager wie die Fahrradstraße LaSuze und den Kleinlaster. Der Radverkehr dürfe in dafür ausgeschilderten Straßen nicht gefährdet oder behindert werden, argumentierte eine Person und berief sich dabei auf die Straßenverkehrsordnung. Autofahrenden droht tatsächlich ein Bußgeld, wenn sie die Straße unerlaubt befahren. Im diesem Fall habe es eine Zusatzerlaubnis für PKW gegeben, schrieb LaSuze.

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"Es sind mindestens 50 Fahrradfahrer vorbeigefahren"

Entgegen der befürwortenden Tweets fanden einige User und Userinnen LaSuzes Einsatz offenbar ähnlich unverhältnismäßig dramatisch wie Kanye Wests regelmäßige Twitter-Rants. LaSuze hätte einfach links vorbeifahren können, schrieb eine Person. Und selbst LaSuze merkte an, dass "mindestens 50 Radfahrer" genau das getan hätten. Am Ende wurde #Fahrradstraße zum Zeichen für deutsches Wutbürgertum und Kartoffeligkeit. Und zum Meme.

Ob sich der Einsatz auch abseits steigender Followerzahlen und 15 Minuten Twitter-Fame für LaSuze gelohnt hat? Leider nicht. Nach fast einer Stunde rief das Duell die Polizei auf den Plan. Die unterbrach das Battle der Giganten und machte die Hannover'schen Straßen wieder zu einem friedlicheren Ort.

"Ich soll absteigen und auf dem Gehweg schieben, damit das Auto weiterfahren kann", schrieb LaSuze. Es sei ein Unding, dass sie mindestens 40 Minuten lang den Verkehr aufgehalten habe, zitiert sie den Beamten weiter. Dieser habe sich außerdem dafür einsetzen wollen, dass sie die Kosten des Einsatzes selber trage, und ihre Personalien aufgenommen. Denn: Wie die Polizei gegenüber der MAZ erklärte, sollten die Fahrer des Kleinlasters Fahrbahnmarkierungen im Viertel anbringen. Die Radfahrerin hätte in der Straße zwar Vorfahrt gehabt. Der Fahrer habe es laut Polizei aber als zu gefährlich empfunden, in der engen Straße zurückzusetzen.

Das Social-Media-Team der Polizei erklärte die Entscheidung damit, dass im Verkehr alle aufeinander Rücksicht nehmen sollen. Das Radlager empfand den Einsatz als ungerecht und als parteiisch für den Stärkeren. Ob LaSuze mit ihrer Sturheit wirklich richtig stand, liegt wahrscheinlich im Auge der Betrachtenden. Sicher ist: Am Ende hat sie trotz der Niederlage ein Zeichen als Fahrradaktivistin gesetzt. Auch wenn das für manche lediglich bedeutet, dass sie aus der menschlichen Straßenblockade ein lustiges Meme basteln konnten.

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