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Rechtsextremismus

Was du über das Antikapitalistische Kollektiv wissen solltest

Der hessische Verfassungsschutz beobachtet die Gruppe, die in ganz Deutschland Neonazis vernetzen will. Wir haben die wichtigsten Fragen zum AKK beantwortet.
Foto: imago | Zuma Press

Am 30. Oktober 2016 demonstrierten in Wiesbaden knapp 2.000 Menschen gegen die sogenannte "Frühsexualisierung" in hessischen Schulen. Neben Erzkonservativen marschierten auch Anhänger der NPD mit, der rechtsextremen Identitären Bewegung – und Anhänger einer bis dahin relativ unbekannten Gruppe: des Antikapitalistischen Kollektivs, kurz AKK.

Besonders präsent ist diese Neonazi-Gruppe im Südwesten Deutschlands. Das Innenministerium in Wiesbaden warnt vor dem AKK als aktivste Neonazi-Gruppe Hessens. Am Donnerstag veröffentlichte der dortige Verfassungsschutz seinen Verfassungsschutzbericht – in dem er erstmals dem AKK einen eigenen Eintrag widmete.

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Doch wer ist das AKK, wer steckt dahinter und vor allem: Wie gefährlich ist es? Wir haben die wichtigsten Fragen beantwortet.


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Wer ist das Antikapitalistische Kollektiv?

Laut seinem Selbstverständnis hat das AKK vor allem ein Ziel: Es will Neonazis vernetzen. "Das Kollektiv ermöglicht effektive Zusammenarbeit, ohne dabei den Sinn von Aktionsgruppen, freien Strukturen, Parteien und Organisationen aufzugeben", heißt es auf der Website. Jeder Aktive im AKK soll parallel in einer anderen Organisation aktiv sein. Es geht um Austausch. Einzig wichtig sei, dass Aktive nationalistisch eingestellt sind und kritisch gegenüber dem globalen Kapitalismus.

Das AKK selbst will außerhalb der Parlamente protestieren, aber gleichzeitig mit Parteien zusammenarbeiten. In einem Text zu einer Veranstaltung im November vergangenen Jahres in Magdeburg etwa lobt das AKK ausführlich die Redner David Köckert und Dieter Refling, zwei bekannte Neonazis und ehemalige NPD-Mitglieder.

Die Zahl der aktiven Mitglieder im Kollektiv liegt laut Schätzungen des Verfassungsschutzes gerade "im mittleren zweistelligen Bereich" – in ganz Deutschland. Das AKK scheint keine große Gruppe zu sein, aber das täuscht. Der Verfassungsschutz schreibt, das Kollektiv könne bis zu mehrere hundert Personen mobilisieren. Indem jeweils nur ein Abgeordneter einer anderen Organisation sich beim AKK engagiere, verschleiere das Kollektiv seine wahre Größe.

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Was will das AKK?

Das Kollektiv besetzt mit "Antikapitalismus" ein Thema, das viele eigentlich mit linker Rhetorik verbinden. Das AKK verurteilt "Klassendenken" und "Gewinnmaximierung auf Kosten von Lebewesen und deren Umwelt". Das AKK knüpft damit an die Idee des Nationalen Sozialismus an. Statt Hammer und Sichel prangen auf ihrem Logo Hammer und Schwert. "Nur der Sozialismus innerhalb der Nation kann gerecht und nachhaltig sein", heißt es auf der Webseite. Laut Verfassungsschutz will das AKK "einen völkischen Sozialismus" als Gegenentwurf zu einem globalisierten Kapitalismus und lehnt die freiheitlich demokratische Grundordnung in Deutschland ab.

Welche Aktionen macht das AKK?

Das AKK hat es sich, als eine Art Dachverband, zur Aufgabe gemacht, seine Mitglieder zu schulen. Dazu hat es ein Handbuch herausgegeben, in dem unter anderem steht, wie sich Mitglieder des AKK auf Demonstrationen benehmen sollen. Das Handbuch ist das Ergebnis des "Antikapitalistischen Zeltlagers" im baden-württembergischen Mühlacker im Sommer 2016. Dort, so berichtet der Verfassungsschutz, hielten die Neonazis unter anderem eine "Demo-Übung" mit Pfefferspray und Maskierung ab.

Das AKK ist gewaltbereit. Als die selbsternannten Globalisierungskritiker den Tag der Arbeit in diesem Jahr kapern wollten, kam es bei einer Demo im sächsischen Plauen zu Ausschreitungen. Rund 200 Personen aus dem Umfeld des AKK kamen zusammen und prügelten sich mit Polizisten und Gegendemonstranten. Nach der Demo rechtfertigte das AKK die Gewalt mit den Worten: "Hier ist eine Generation nicht mehr bereit, sich den staatlich geduldeten Angriffen zu beugen."

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Auf der Demo in Plauen imitierte das AKK die Strategie des linksautonomen "Schwarzen Blocks". Sie vermummten sich und schützten sich durch Transparente und Regenschirme vor Blicken und Fotografen. Dass Neonazis Demo-Strategien von Linken übernehmen, ist nicht neu. Schon in den frühen 2000er Jahren ahmten die sogenannten Autonomen Nationalisten den Schwarzen Block nach. Neu ist allerdings, dass Mitglieder des AKK geschult werden, wie sie sich so tarnen, dass sie sich in den Schwarzen Block linker Autonomer einschleusen können.

Bei den G20-Protesten im Sommer sollen sich Mitglieder des AKK unter die Demonstranten in Hamburg gemischt haben, um Steine zu werfen und Feuer zu legen. Das behaupten die Neonazis zumindest selbst, einen Beleg dafür gibt es nicht.

Außerdem betreibt das AKK einen Online-Shop, in dem es Sticker zu kaufen gibt, mit denen Neonazis "NS-Areas" markieren können. Zur Bundestagswahl werden dort gerade Poster angeboten, die man über Wahlplakate kleben soll. Darauf steht: "Diese Partei bringt uns den Volkstod."

Seit wann gibt es das AKK?

Das AKK ist ein Ableger des internationalen Kollektivs ACN/AKN Anticapitalist Network, das bereits 2011 in Mailand gegründet wurde. In Deutschland organisierte sich das AKK seit 2013 zunächst nur im Internet. Es war ein überregionales Projekt, aus dem nur langsam einzelne Landesgruppen bildeten. Das Personal des AKK in Hessen etwa, so teilt der Verfassungsschutz mit, setzt sich zu großen Teilen aus Mitgliedern des rechtsextremen Freien Netz Hessen zusammen.

Außerhalb des Internets trat das AKK erstmals bei den Protesten zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank 2015 in Frankfurt in Aktion. Zwar hatte das linke Bündnis Blockupy den Protest organisiert, teilgenommen haben aber auch die Neonazis des AKK.

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Wie gefährlich ist das AKK?

Die Antisemitismusforschung warnt davor, dass pauschale Kapitalismuskritik häufig das antisemitische Stereotyp des reichen und gierigen Juden benutzt. Rechte, die Finanzeliten verabscheuen, bemühen häufig nationalsozialistische Kampfbegriffe wie den des "Welt-Finanz-Judentums".

Die Gefahr des AKK für die Gesellschaft bewerten Experten unterschiedlich. Torsten Hahnel vom Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit, vermutet, dass das AKK sich nicht etablieren werde. Zu zerstritten sei die extreme Rechte, zu salonfähig seien einige Positionen durch die AfD geworden.

Anders sieht das der Verfassungsschutz. Er befürchtet einen neuen Impuls für die Neonazi-Szene durch das AKK. Das Kollektiv vernetze bestehende Gruppen und versuche so, deren Kräfte zu bündeln. Es präsentiere sich modern in sozialen Netzwerken und biete eine "Möglichkeit, Rechtsextremismus aus ihrer inhaltlichen und strategischen Orientierungslosigkeit zu holen". Dabei könnte man meinen, dass antikapitalistische Neonazis, die die Globalisierung aufhalten wollen, indem sie in ihrem Shop fair gehandelte Shirts mit englischen Slogans wie "Defend Heritage" verkaufen, schon längst vom Weg abgekommen sind.

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