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Bundesheer

Warum Wehr- und Zivildienst abgeschafft werden müssen

Natürlich bringt der Wehrdienst Erfahrungen. Alles, was man erlebt, bringt Erfahrungen. Aber manches muss man halt einfach nicht erlebt haben.
Foto von Severin Koller.

Im Gegensatz zu fast allen anderen EU-Staaten, Kanada, den USA, Australien, Neuseeland und unzähligen weiteren Ländern hat Österreich immer noch die Wehrpflicht. Und das erste mal seit 2013 wird dieser Umstand nun wieder, aus äußerst tragischen Gründen, öffentlich debattiert.

Ich kann und möchte hier nichts zu den Zuständen des österreichischen Bundesheeres schreiben (das sicher auch viel Nachholbedarf hat), weil ich mich damit als ehemaliger Zivildiener einfach nicht auskenne. Aber ich bin der Meinung, dass man auch unabhängig davon eine Debatte über die Wehrpflicht führen muss.

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Denn beim Wehr- und Zivildienst handelt es sich um eine weithin akzeptierte Form der Zwangsarbeit. Und ja, das Wort Zwangsarbeit klingt hart, aber es definiert nun einmal sehr gut, was der Wehrdienst ist: Arbeit, zu der man gezwungen wird. Denn wer sie verweigert, muss mit Geld- oder Gefängnisstrafen rechnen. Abgesehen davon besteht die dürftige Vergütung der Arbeit aus knapp 300 Euro pro Monat, was man bei den 40-Stunden-Wochen gar nicht auf die Stunde herunterrechnen will.

Dennoch stimmten bei der Volksbefragung im Jänner 2013 52,4 Prozent der Wähler für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Und das zum Teil aus scheinheiligen bis komplett unlogischen Gründen wie etwa, dass die sozialen Einrichtungen auf die Zivildiener angewiesen seien, oder dass es für junge Männer doch gut sei, einmal richtig hart zu arbeiten.

Und weil mir diese Argumente inzwischen wirklich nur noch zum Hals raushängen, hier nun ein paar persönliche Antworten auf die Top 3 der Gründe, die ich immer wieder für die Beibehaltung des Wehr- und Zivildienstes gehört habe:

1. "Die sozialen Einrichtungen brauchen die Zivildiener!"

Wenn all die sozialen Einrichtungen ohne Zivildiener nicht auskommen, wieso lautet dann die Schlussfolgerung: "Man darf den Zivildienst nicht abschaffen"? Stattdessen sollte man einfach mehr staatliche Gelder für soziale Einrichtungen bereitstellen. Die Stelle, an der ich meinen Zivildienst abgeleistet habe, war auch trotz der Zivildiener immer noch schrecklich unterbesetzt.

Die Lösung kann wirklich nicht sein, dass man Jugendliche zwangsverpflichtet in Einrichtungen zu arbeiten, weil der Staat unfähig ist, Gelder in soziale Einrichtungen zu stecken. Das Problem sind nicht zu wenige Zivildiener, das Problem sind zu viele Eurofighter.

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2. "Der Wehr-/Zivildienst ist für Jugendliche eine gute Orientierungshilfe bei der Berufswahl!"

Inwiefern soll die Zwangsverpflichtung, alten Männern den Arsch abwischen zu müssen, jungen Männern bei der Berufswahl helfen? In den meisten Fällen lernt man daraus, dass man alten Männern nicht gerne den Arsch abwischt und deswegen nie mehr in seinem Leben so eine Arbeit machen möchte. Auf diese Weise hat man im Endeffekt eher frustrierte als motivierte Menschen und das tut weder den Zivildienern noch den betreuten Menschen in sozialen Einrichtungen gut. Wenn man Jugendliche wirklich für soziale Arbeit motivieren will, dann gibt es sicher bessere Strategien dafür.

Abgesehen davon klingt dieses Argument so, als wäre grundsätzlich jeder junge Mann völlig desorientiert und unentschlossen und benötigt dringend Druck und Hilfe von außen, um wieder auf den richtigen Weg zu finden. Dabei gibt es unzählige Jugendliche, die bereits wissen, was sie später gerne machen wollen.

3. "Der Wehr-/Zivildienst bringt den Jugendlichen Erfahrungen und es tut Jugendlichen gut, mal richtig hart gearbeitet zu haben!"

Wenn irgendjemand wirklich der Meinung ist, dass harte Arbeit Jugendlichen gut tut, dann sollte er entweder auch Wehrdienst für Frauen fordern, oder für niemanden. Und natürlich bringt der Wehrdienst Erfahrungen. Alles, was man erlebt, bringt Erfahrungen. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu sagen: "Ja, du wurdest zwar von einem Hooligan zusammengeschlagen, aber wenigstens weißt du jetzt, wie es ist, zusammengeschlagen zu werden und hast in Zukunft mehr Respekt vor Opfern von Gewalt."

Man muss halt einfach nicht alles erlebt haben. Und man wird nicht gleich faul oder verweichlicht, oder ein schlechter Bürger, nur weil man noch nie eine Arbeit ausgeführt hat, die rückständige Personen als "richtige Arbeit" bezeichnen.

Elias hat gerade ein Buch über den Zivildienst geschrieben, das ihr lesen solltet.