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#metoo

Ein paar Antworten auf Nina Prolls Zeilen über sexuelle Belästigung

Frauen sollen doch froh sein, wenn jemand mit ihnen Sex haben will.
Screeshot: YouTube

Liebe Nina,

du hast geschrieben, du verstehst die Diskussion um #MeToo nicht – Frauen sollten doch froh sein, wenn jemand Sex mit ihnen will –, deswegen versuche ich dir zu erklären, was gerade passiert: Niemand besteht darauf, dass Frauen Opfer sind. Ich wage zu behaupten, dass sich jede Feministin freuen würde, wenn keine Frau jemals wieder Opfer wäre – und ich hoffe, dass diese Meinung auch von Menschen geteilt wird, die sich nicht als Feministinnen oder Feministen bezeichnen. Ich freue mich für dich, dass du noch nie sexuell belästigt wurdest. Du gehörst damit zu einer glücklichen Minderheit.

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Welche sexuellen Annäherungsversuche Frauen gut finden – und welche nicht –, liegt aber in ihrem Ermessen, nicht in deinem. Wenn dir etwas gefällt, das anderen nicht gefällt, dann gut für dich, aber sag anderen nicht, dass sie es auch mögen müssen. Es gibt auch Dinge, die du nicht magst (Rosenkohl?) und ich hoffe für dich, niemand zwingt sie dir auf.

Dass Frauen nur belästigt werden, wenn sie erfolglos, jung und aufmerksamkeitsgeil sind, ist genau so falsch wie eigentlich alles andere an deinem Text. Und es ist erniedrigend, verharmlosend und zynisch noch dazu. Es ist vollkommen egal, was eine Frau ist: klein, groß, hetero, homo, trans, Vorstandsmitglied, Eisverkäuferin, Tochter, Mutter, Schwester, Großmutter, alles auf einmal oder alles nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihrem Leben mindestens einmal sexuell belästigt wird, ist sehr hoch.

Deine Zeilen sind erniedrigend, verharmlosend und zynisch.

Nein, Abhängigkeit liegt nicht im Auge des Betrachters. Wenn dein Chef dich belästigt, dann kannst du oft nicht so reagieren, wie du gerne würdest. Außer eventuelle berufliche Konsequenzen sind dir egal. Und wenn das so ist, dann gratuliere: Du bist in einer sehr privilegierten Situation.

Ich frage mich auch, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und ich finde, die Antwort ist gar nicht so schwer: In einer Gesellschaft, in der Macht gerecht aufgeteilt ist, in der sich Frauen frei bewegen können, es keine Frauenhäuser mehr braucht, keine Gleichbehandlungsanwaltschaft, keine Gleichbehandlungskommission, keine Gleichbehandlunsbeauftragte, kein Frauenministerium, keine Frauenpolitik, keinen Feminismus. In einer Gesellschaft, in der sich jeder bei diesen Zeilen denkt, wie redundant sie sind, weil alles davon so selbstverständlich ist.

An dem Punkt sind wir aber noch lange nicht – im Gegenteil: Wir entfernen uns immer mehr davon. Es wäre schön, wenn "Nein" zu sagen immer so einfach wäre und noch schöner, wenn ein "Nein" immer reichen würde. Du stellst dich mit deinen Zeilen auf die Seite von Männern, die Frauen belästigen, misshandeln, missbrauchen. Ein "Nein" ist nämlich gewiss nicht leichter, wenn ein Mann dir nicht nur sagt, was er gerne mit dir anstellen würde, sondern es auch tut. Vielleicht möchtest du ja einmal mit einer Frau sprechen, die missbraucht wurde und ihr sagen, das sei passiert, weil sie nicht erfolgreich sei und einfach nicht "Nein" gesagt habe. Ich glaube, das möchtest du nicht.

Es geht hier nicht um dich. Es geht auch nicht um mich. Es geht darum, dass durch die Geschichten all dieser Frauen eine globale Struktur aufgezeigt wird, in der Männer denken, sie hätten das Anrecht auf etwas, auf das sie nie eines hatten. Und deine Zeilen sind nur ein weiteres Symptom.

Alles Liebe,
Hanna