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Drogen

Der bayerische Staat muss diesem Kiffer seinen Joint bezahlen

Vorher hatte ihn ein Polizist als "Junkie" beschimpft.
Christoph mit seiner Medizinalhanfdose vor seiner Apotheke | Foto: Micha Greif

Als Christoph das Medikament gegen sein ADHS nehmen muss, sitzt er mit zwei Freundinnen in München auf einer Wiese an der Isar. Das Medikament des 31-Jährigen ist Cannabis. Zehn Dosierungen am Tag wurden ihm verschrieben – also zehn Joints. Wenige Minuten nachdem er sich einen davon angezündet hat, umzingeln vier Zivilpolizisten die Gruppe, durchsuchen sie und nehmen Christoph den Joint ab. Dass er ein Rezept hat, ignorieren sie. Stattdessen beleidigt ihn ein Beamter als "Junkie" und wirft ihm Rezeptfälschung vor. Weil die Polizisten keine Straftat feststellen können, lassen sie ihn eine halbe Stunde nach der Kontrolle laufen. Christoph legt anschließend Beschwerde ein, wegen Beleidigung und Beschädigung seines Eigentums. Das war im Mai – jetzt musste der Freistaat Bayern zahlen.

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"Ich habe eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und Recht bekommen", sagt Christoph zu VICE. "Neben der Beleidigung haben die Polizisten unter anderem meine Medizin hygienisch unbrauchbar gemacht." Der Joint wanderte bei der Kontrolle von einer Polizeihand zur nächsten. Das erkannte auch der Freistaat Bayern an – und zahlte 6,60 Euro Schadensersatz für den Joint von Christoph. So viel sei eine Konsumeinheit der Cannabis-Blüte "Bedrocan" wert. "Wir bedauern die Wortwahl des Beamten", so die Polizei München in einem Brief an Christoph.

Die Staatsanwaltschaft München I erklärte in einem Schreiben an Christoph zudem, dass eine Beleidigung vorlag, sie das Verfahren aber wegen Geringfügigkeit eingestellt habe. Sie gehe davon aus, dass sich ein solcher Vorfall durch den Polizeibeamten auch ohne eine Bestrafung nicht wiederholen werde. Die Durchsuchung des Patienten und seiner Begleitpersonen sei jedoch rechtmäßig, da in diesem Bereich häufig gekifft werde und dieser somit "gefährliches Gebiet" sei.

"Somit sollte nun auch für die bayerische Polizei deutlich sein, dass Cannabis-Patienten keine Kriminellen sind", sagt Micha Greif, Sprecher der Münchener Ortsgruppe des Deutschen Hanfverbands (DHV) in einer Pressemitteilung. Trotz der Freigabe von Cannabis als Medizin im März dieses Jahres müssen sich Patienten immer wieder mit der Polizei herumschlagen. Er kenne alleine "sechs bis sieben Patienten", sagt Christoph, die ähnliche Erfahrungen mit der Polizei gemacht hätten wie er. Der Hanfverband kann das bestätigen. "Es gab seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes für Cannabis als Medizin einige Einzelfälle, in denen Polizisten Medizinalhanf rechtswidrig beschlagnahmt oder unbrauchbar gemacht haben", sagt der stellvertretende Geschäftsführer Florian Rister gegenüber VICE. Das sei aber nicht die Regel. Die erfolgreiche Beschwerde von Christoph sieht er als Chance für andere Patienten. "Wir werden in Zukunft eine ähnliche Vorgehensweise empfehlen", so Rister. Eine Lösung des Problems könne aber nur von der Polizei kommen. "Eine interne Dienstanweisung an alle in der Öffentlichkeit aktiven Polizeibeamten wäre sinnvoll."

Christoph will die 6,60 Euro symbolisch an den DHV spenden, weil dieser sich für ihn und andere Patienten stark mache. Für ihn sei die Zerstörung seiner Medikamente doppelt ärgerlich gewesen, da es in den Apotheken wegen Engpässen oft nur wenig bis gar kein medizinisches Cannabis gebe. Seit dem Vorfall im Mai sei er vorsichtiger geworden. "Ich achte seitdem darauf, dass ich nicht mehr alleine meine Medizin nehme, sondern immer Zeugen dabei habe", so der 31-Jährige. "Ich hoffe einfach, dass die verfassungsrechtlich fragwürdige Jagd auf Cannabis-Konsumenten ein Ende hat."

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