Die Polizei hat alle 30 Demos gegen Schwarz-Blau am Ballhausplatz zurückgewiesen

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Die Polizei hat alle 30 Demos gegen Schwarz-Blau am Ballhausplatz zurückgewiesen

Zahlreiche Organisationen wollen in Wien am "Tag X" der Angelobung einer schwarz-blauen Regierung auf die Straße gehen. Die Demos werden vorerst aber nicht gestattet.

Dieser Artikel ist Teil unserer laufenden Berichterstattung über die schwarz-blaue Regierung, die wir hier unter dem Namen “Schwarz-blaue Geschichten” gesammelt haben.

"Ballhausplatz-Route schließen" heißt der Aufruf für den Protest in Anlehnung an die sogenannte Balkanroute für geflüchtete Menschen. Das Bündnis "Offensive gegen Rechts" will von der Universität marschieren, die "Plattform radikale Linke" vom Karlsplatz, beim Bahnhof Wien-Mitte ist der Treffpunkt für einen geplanten SchülerInnenstreik. Alle drei Protestzüge wollen sich schließlich am Ballhausplatz vereinigen.

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Um keinen Grund für das Einschreiten der Polizei zu liefern, sollten die Proteste bei der Landespolizeidirektion Wien angemeldet werden. Allerdings steht der Tag der Regierungsangelobung noch nicht fest, daher haben die AktivistInnen vorsorglich an jeden Wochentag bis Ende Dezember eine Kundgebung am Ballhausplatz angemeldet.

Dass die Anmeldung nur an dem Tag "abgerufen" wird, an dem die Angelobung stattfindet, liegt auf der Hand. Dennoch hat die Polizei die Anmeldungen für den Protest nun zurückgewiesen.

Der Anmelder der Kundgebungen am Ballhausplatz ist David Albrich, Sprecher der “Plattform für eine menschliche Asylpolitik”. In einem Bescheid an ihn, der VICE vorliegt, vertritt die Polizei nun den Standpunkt, dass eine solche Sammelanzeige einen "krassen Missbrauch des Versammlungsrechts" darstellen würde.

Die Anmeldung würde "das Recht der Versammlungsfreiheit am Ballhausplatz in einem nicht zumutbaren Ausmaß für Dritte" einschränken. Der Plattform-Sprecher will das so nicht gelten lassen.

"Das Argument ist an den Haaren herbeigezogen", so Albrich. "Selbstverständlich können am Ballhausplatz auch mehrere Kundgebungen gleichzeitig stattfinden. Wir haben bei den Verhandlungen mit der Polizei klar gesagt, dass für uns auch andere Versammlungen in Ordnung gehen. Einzig Pro-Regierungs-Kundgebungen würden wir natürlich nicht zu lassen." In der Zurückweisung der Anmeldung sieht er einen "Vorgeschmack auf den autoritären Umbau des Staates".

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Auch Carla Sedlak von der Plattform Radikale Linke zeigt sich über die Untersagung empört: "Während Rechtsextreme und ehemalige Neonazi-Wehrsportler in der Hofburg die Regierungsangelobung feiern, soll hier antifaschistischer Protest verboten werden. Das werden wir nicht akzeptieren."

Das Argument der Polizei geht noch weiter. Der Versammlungszweck "Ballhausplatz-Route schließen“ gäbe "Anlass für Bedenken, das Regierungsmitgliedern der Weg über dem Ballhausplatz als öffentliche Verkehrsfläche zwischen verfassungsmäßigen Einrichtungen durch Blockaden unmöglich gemacht werden sollte". Das sei ein Untersagungsgrund.

"Bescheide der Behörden sollten aber dem Gesetz entsprechen und nicht der Vision einer Sachbearbeiters", kritisiert Hornyik.

Tatsächlich gibt es keine Aufrufe für eine solche Blockade, sondern ausschließlich die Aufrufe für Demonstrationen und eine Kundgebung. Doch auch eine Blockade an sich wäre noch kein Untersagungsgrund, erklärt Verfassungsexpertin Brigitte Hornyik.

"Eine Blockade widerspricht nicht von vornherein dem Strafgesetz und muss auch keineswegs die sogenannte öffentliche Sicherheit gefährden." Für sie ist diese Argumentation der Polizei nicht nachvollziehbar. "Ich halte das für entbehrlich und sinnentleert und es entspricht auch nicht dem Versammlungsgesetz", so Hornyik.

Sie kann sich diesen Passus nur so erklären, dass sich ein Sachbearbeiter an die Proteste gegen die Regierungsangelobung im Jahr 2000 erinnert gefühlt habe. Damals musste die schwarz-blaue Regierung durch einen Tunnel unter dem Ballhausplatz gehen, während oben Tausende protestierten.

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Auch auf VICE:


Schließlich findet sich im Schreiben der Behörde auch die Erklärung, dass es keine Mobilisierungsaufrufe für die entsprechenden Kundgebungen geben würde, weder im Internet noch auf Plakaten würde "zur Teilnahme an derartigen Versammlungen aufgerufen".

Christoph Altenburger von der Offensive gegen Rechts (OGR), einem breiten Bündnis linker Organisationen, ist darüber sehr erstaunt: "Wir mobilisieren gemeinsam mit den anderen Bündnissen seit Wochen für den Tag X. Einmal ins Netz gehen würde reichen, um mehr als genug Material zu finden." Ein Blick auf Facebook gibt Altenburger Recht. So wurde etwa die Tag-X-Veranstaltungsankündigung bisher bereits fast 500 Mal geteilt.

Brigitte Hornyik ergänzt: "Eigentlich sollte das auch irrelevant sein und es wäre sehr schlecht, wenn ein solches Beispiel Schule macht. Denn es kann sicherlich nicht der Behörde obliegen, zu beurteilen, ob eine Kundgebung erfolgreich wird oder nicht." Sie erklärt auch, dass der jetzige Bescheid ausschließlich die bisher angemeldeten Versammlungen betrifft. Neue Versammlungen müssten neu geprüft werden. Und genau das planen die AktivistInnen nun.

Christoph Altenburger von der OGR erklärt: "Wir werden den Protest jetzt nochmals verbreitern, zahlreiche Organisationen werden die Anmeldungen tragen." Eine dieser Organisationen ist der KZ Verband Wien, ein Zusammenschluss von AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfern des Faschismus.

Obfrau Dagmar Schindler kündigt an: "Wir werden gerne eine der Anmeldungen übernehmen. Und wir würden es als Skandal betrachten, wenn die Polizei die Anmeldung eines Opferverbandes untersagen würde."

Und es ist ohnehin nicht davon auszugehen, dass die Proteste mit der Zurückweisung der Anmeldung aufzuhalten wären. Carla Sedlak von der Plattform Radikale Linke ist hier sehr eindeutig: "Wir werden in jedem Fall am Tag X auf der Straße sein, denn antifaschistischer Widerstand ist legitim und notwendig."

Gegenwärtig ist nicht absehbar, wann die neue Regierung von ÖVP und FPÖ angelobt wird. Aus Regierungskreisen wird kolportiert, dass bei den Verhandlungen nicht unbedingt alles rund laufen würde. Dennoch ist nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass sich die beiden Parteien einigen werden – genauso wie davon, dass sie wohl mit lauten Gegenstimmen zu rechnen haben.

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