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Mode

Der Hass auf Trainerhosen ist das Burkaverbot der Leistungsgesellschaft

Wir haben mit einer Professorin über Jogginghosen-Verbote gesprochen.
Jogginghose

Titelfoto von Alberto Lugli | Stocksnap Nein zum Klimawandel, Nein zu Abtreibungen, Nein zu LGBTIQ-Videos: Verbote, die alte bröckelnde Weltbilder stützen, scheinen in unserer Gesellschaft gerade Hochkonjunktur zu haben. Ein aktuelles Beispiel liefert die Schulleitung eines Basler Gymnasiums, die Trainerhosen im Klassenzimmer verbieten will, wie die Schweiz am Wochenende schreibt. In der Region Basel scheint das Verhältnis zu Trainerhosen allgemein eher angespannt zu sein. Letztes Jahr wurde einer Familie in der Basler Gemeinde Bubendorf die Einbürgerung verweigert, weil die männlichen Familienmitglieder unter anderem "mit Trainerhosen durchs Dorf gelaufen" seien.

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VICE hat mit einer Professorin für Trends und Identity an der Zürcher Hochschule der Künste und Expertin für Kleidungscodes über die Bedeutung der Trainerhose in unserer Gesellschaft gesprochen.

VICE: Frau Stetter, Sie beschäftigen sich mit Mode und Kommunikation. Was symbolisiert die Trainerhose?
Bitten Stetter: Sie hat mehrere Bedeutungsebenen. Es geht hier einerseits um die Versportlichung der Gesellschaft. Diese Entwicklung bezieht sich auf den Megatrend Gesundheit. Die Sporthose wird zum Teil der Alltagsmode. Wenn man einen Club betritt, scheint es manchmal, als sei man im Yogastudio gelandet. Andererseits ist die Jogginghose auch das genaue Gegenteil: ein Zeichen der Bequemlichkeit, der Unsportlichkeit, Gemütlichkeit und Gleichgültigkeit.

Welche Subkulturen prägen den Trainerhosen-Stil?
Bei den Männern sind es insbesondere die Gopniks. Das ist eine Subkultur, die sich in Russland gebildet hat: Zu den Trainerhosen tragen sie kurz geschorene Haare und Slipper. Die Strömung kommt eher aus dem ärmeren Milieu und steht für Männlichkeit, Kampfsport und Gangs.

Einmal sind es Leggings, Jeans mit Knielöchern, dann Miniröcke: Warum will man generell bestimmte Kleidung verbieten? Sie ist doch an sich harmlos.
Wir erleben momentan in der westlichen Welt Züge einer Verbotskultur. Ob Tattoos in Frankreich oder das Zuckerverbot in Dänemark, unsere Gesellschaft ist bereit, vom Staat mehr Kontrolle zu akzeptieren. Das liegt an der Multioptionalität: wir müssen alles selbst entscheiden und sind eigentlich zufrieden, wenn der Staat Regeln aufstellt. Unter dem Begriff der Freiheit und Demokratie ist es eigentlich perfide, dass wir diese Verbote einfach über uns ergehen lassen, obwohl die Generationen vor uns dagegen gekämpft haben.

Gibt es im historischen Kontext Kleidungsstücke, die verboten wurden und Sie an die Debatte um die Trainerhose erinnern?
In der DDR waren Jeans verboten. Sie war die Hose des Klassenfeindes, weil sie aus den USA kam. Ein anderes Beispiel ist der Kilt in Schottland oder Jeans-Verbote für Frauen in Indien, wie sie 2014 in 52 Dörfern verhängt wurden.

Was für Parallelen gibt es zwischen der Debatte um ein Verbot von Trainerhosen in der Schule und dem Burkaverbot im öffentlichen Raum?
Es gibt Parallelen zur Trainerhose, auch sie ist ein Kleidungsstück, das einen Verdacht weckt. Bei ihr geht es nicht um die Angst vor der Islamisierung, sondern darum, dass die Leistungsgesellschaft nicht produktiv genug ist und faul und dumm wird.

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