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Medienkritik

Der absurdeste Scheiß, den Haiders 10. Todestag an die Öffentlichkeit gespült hat

Wir haben uns durch die Medien-Orgie zu Haiders Todestag gewühlt, damit ihr es nicht müsst.
Foto: imago | Manfred Siebinger

Es ist Mitte Oktober und zum zehnten Mal jährt sich jenes Ereignis, das halb Österreich und ganz Kärnten in einen akuten Trauerzustand versetzt: der Todestag von Jörg Haider.

Der ehemalige FPÖ-Chef, Gründer des BZÖ und Vater des neuen europäischen Populismus kam in der Nacht zum 11. Oktober 2008 mit 1,8 Promille im Blut bei einem Autounfall ums Leben. Seither pilgern jährlich Haider-Fans zum Unfallort bei Klagenfurt. Und wer die Reise nicht schafft, der kann seinen Respekt erweisen, indem er bei den fiebrigen Online-Diskussionen mitmacht darüber, ob nicht doch die Deutsche Bank oder der israelische Mossad hinter dem Tod des ZGRÖÖAZ (Zweitgrößten Österreichers Aller Zeiten) stecken.

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Wer aber wirklich trauert, das sind die österreichischen Medien. Worüber soll man denn schreiben, jetzt wo Haider tot ist? Soll man sich neue etwa neue Themen überlegen? Irgendwas recherchieren? Nein, nein. Dann lieber: doch wieder Haider.

Und so kommt es, dass sich praktisch jedes Jahr irgendein österreichischer Journalist laut fragt, woher eigentlich der Mythos Jörg Haider kommt – und damit den "Mythos" am Leben hält. Und natürlich ist das im Jubiläumsjahr besonders schlimm.

Aber auch sonst scheint dieses Jubiläum eine ganze Menge Sicherungen durchbrennen zu lassen. Deshalb haben wir ihn für euch gesammelt: der ganze absurde Wahnsinn, den der Haiderfimmel dieses Jahr an die Oberfläche gespült hat.

Die irre "Versöhnung" zwischen Strache und dem… toten Haider?

Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Lahmer Spruch, passt hier aber wirklich ausgezeichnet. Denn jeder weiß, dass FPÖ-Parteiobmann Strache und Haider sich gründlich gehasst haben, seit Haider sich 2005 mit dem BZÖ von der FPÖ abspaltete. Strache verweigerte Haider einst sogar öffentlich das Du. Iconic!

Nur: Jetzt ist Haider tot und kann sich nicht mehr wehren, und deshalb hat irgendjemand wohl beschlossen, dass Strache und er sich jetzt "vertragen" sollen, damit Strache endlich mit vollem Segen Haiders Erbe antreten kann. Und so kam es, dass Strache nach Kärnten gedüst ist und dort am Grab seines Feindes, von dessen treuestem Mitstreiter und dessen Witwe, die "Jörg-Haider-Medaille" verliehen bekommen hat. Im Grunde ein absolutes Wunder, dass der verweste Haider sich nicht aus dem Sarg genagt hat, um Strache an Ort und Stelle zu erwürgen.

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Wie Rudi Fußi und Wolfgang Fellner live den Typen auslachen, der sich die Jörg-Haider-Medaille ausgedacht hat

Das ist Gerald Grosz, hauptberuflicher Haider-Hagiograph, der sich vor lauter Verehrung nichtmal mehr sicher zu sein scheint, ob der Jörg überhaupt ein Mensch war. ("Mensch, Mythos, Medienstar – und diese ihm posthum zugeschriebenen Attribute sind längst nicht verblasst", säuselt er in einem eigenen Twitter-Video in seine Handy-Kamera.)

Grosz hat sich, bevor er dem HC die Medaille umhängen sollte, noch mal schnell bei Wolfgang Fellner in eine Live-Sendung gesetzt, um darüber zu sprechen. Das… stellte sich als ein großer Fehler heraus. Denn man kann von Rudi Fußi halten, was man will – Leute auslachen kann er wirklich gut:

Die Krone-Homestory bei Haiders Schwester

"Eines ist sicher", schreibt die Kronen-Zeitung in einem ihrer 8 Haider-Artikel, mit der sie die Leser in den letzten Wochen bombardiert haben: "Zehn Jahre nach seinem Tod ist Jörg Haider präsent wie immer." Wie das wohl kommt?

Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Krone Artikel bringt wie den hier:

Die Überschrift ist schonmal stark: Klarer kann man nicht auf den Punkt bringen, wie sehr man sich nach dem starken Jörg zurücksehnt, wie orientierungs- und führerlos man bei der Krone jetzt durch die Welt treibt. WHAT WOULD HAIDER DO???, aus hundert Kehlen steigt der verzweifelte Schrei, ersticktes Schluchzen, Tränen abgewischt, dann Anruf bei der Schwester, zum Trost.

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Tja, und die Schwester darf dann sehr ausführlich erzählen: wie traurig die ganze Familie war, als sie von seinem Tod erfuhren. Dass sie nicht glaubt, dass Haider wirklich so viel getrunken hat ("Ich glaube einfach, dass ihm vielleicht, aus welchen Gründen immer, andere Substanzen in ein Getränk beigemischt wurden"). Und natürlich, dass ihr Bruder immer "für eine offene Gesellschaft und gegen Meinungsdiktatur eingetreten" sei. Damit war er wohl ziemlich erfolgreich, wenn die größte Zeitung des Landes es wichtig findet, seine Schwester lang und breit seinen xenophoben Rechtspopulismus schönreden zu lassen.

Die komplette Talkshow über Haider

OK, eigentlich heißt das Format "Pro und Contra", und die Spezialsendung zum Thema heißt – ihr werdet es nie erraten – "Mythos Haider". Musste ja!

"Was blieb vom einstigen Enfant Terrible der Politik?", fragt Puls4, "Wie hat Jörg Haider die Politik in Österreich verändert? Wie sehr prägt er sie bis heute? Und wer ist in seine Fußstapfen getreten?" Spannende Fragen!

Spannende Fragen, die in Österreich genau so schon seit zehn Jahren so gnadenlos hoch und runtergebetet werden, dass man jetzt noch jeden beliebigen betrunkenen 16-Jährigen an der Disko anstupsen kann, und sofort quillt eine halbstündige "Mythos-Haider"-Analyse aus ihm heraus. Bitte, bitte: Lasst es doch einfach.

Das BZÖ stellt Haider aus Versehen in eine Linie mit Adolf Hitler

Wirklich wahr! Der Obmann des BZÖ-Kärnten hat nämlich vorgeschlagen, einen Platz in Klagenfurt nach seinem Jörg zu benennen. Was alles in allem eine sehr dumme Idee ist: Der "Neue Platz" hatte nämlich im Laufe der Geschichte auch mal einen anderen Namen: "Adolf-Hitler-Platz".

Und das BZÖ hat sein Auto versteckt

Ja, auch das ist passiert: Wie wir jetzt erfahren, hat das BZÖ den geschrotteten Phaeton um 40.000 Euro mit Parteigeldern gekauft – und dann "an einen geheimen Ort gebracht". Was einfach… sehr, sehr viele Fragen aufwirft. Was wollen die mit der zerknautschten Karre? Die Verschwörungstheorien weiter anheizen?

Wie auch immer, aktuell passt jedenfalls ein Ex-Landesrat und Rechtsanwalt darauf auf. Was man damit vorhat, scheint der aber auch nicht zu wissen: "Das Auto ist hier im Lavanttal und ich komme für die Kosten der Lagerung auf, bis die Partei entscheidet, was sie damit machen möchte", erzählte er der Tageszeitung “Heute”.

"Haha, Haider war schwul"

Mit dem Witz hat der Kabarettist Florian Scheuba ziemlich daneben gegriffen. Nicht, weil er sich über einen Toten lustig macht – das kann man schon mal machen, wenn man will –, sondern weil er sich über dessen vermeintliche Homosexualität lustig macht. "Finde gut, dass man Schwulenwitze über ihn macht", schreibt dann auch eine Twitter-Userin sarkastisch. "Weil Haider war kein Problem, weil er Rassist war, sondern weil er eventuell schwul war". Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Und damit sind wir durch – bis nächstes Jahr!