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Brieffreundschaft

Drogen per Post: So missbrauchen Dealer deutsche Firmen für ihre Geschäfte

Mehrere Unternehmen hatten plötzlich ungefragt Heroin, Koks und Ecstasy im Briefkasten.
Collage: VICE | Briefumschläge: imago | Westend61 | Pillen: freepik.com

Drogen gelangen auf die alltäglichsten Wege zu den Konsumenten. Manchmal kommt Gras mit dem Fernbus oder Kokain mit dem Taxi. Ganz selten schwemmt sogar die Nordsee gleich mehrere Kilo Koks an. In Mecklenburg-Vorpommern wurden kürzlich Kokain und Heroin ganz klassisch vom Postboten gebracht – ohne dass es jemand bestellt hätte.

Ende Januar erhielt ein Betreiber einer Reiseagentur in Anklam einen Brief und fand darin eine Vakuumverpackung mit weißem Pulver. Der Mann alarmierte die Polizei, die das Pulver von Spezialisten des Robert-Koch-Instituts untersuchen ließ. Die fanden heraus, dass es sich nicht etwa um Gift handelte, sondern um vier Gramm Kokain. Einen Tag später empfing eine Firma im etwa 30 Kilometer entfernten Wolgast ebenfalls einen Brief. Dort öffnete ein Mitarbeiter ein Päckchen mit fünf Gramm Heroin.

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Das Besondere bei den Sendungen: Beide Firmen standen als ursprüngliche Absender auf den Umschlägen, obwohl sie die Briefe gar nicht abgeschickt hatten. Da die Ware nicht an die Empfänger zugestellt werden konnte, ging sie an die vermeintlichen Absendern zurück, statt zu den echten Dealern. Die Polizei sieht darin eine neue Taktik von Drogenhändlern.

Falls der Handel platzt und die Post zurückgeht, könne der echte Dealer nicht identifiziert werden, sagte ein Sprecher der Polizei Anklam gegenüber VICE. Dabei nehme der Dealer in Kauf, dass die Drogen bei der Firmen-Adresse landen, wenn der Brief nicht ausreichend frankiert oder falsch adressiert ist. Oft sei die Ware sowieso schon bezahlt.


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Die Ermittler gehen nun gegen die eigentlichen Empfänger der Briefe vor. Der Brief in Anklam sollte eigentlich nach Bayern gehen, der Brief aus Wolgast nach Niedersachsen. Einen Tatverdächtigen gebe es bislang nicht, ebenso wenig wie einen konkreten Grund, weshalb die zwei Orte in Mecklenburg-Vorpommern als Absender ausgewählt wurden, sagte der Polizeisprecher: "Die Drogenbriefe könnten überall in Deutschland ankommen."

Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern kommt das Koks per Post: Auch in Niedersachsen erhielten kürzlich mehrere Firmen Briefe mit Ecstasypillen, Amphetaminen, Cannabis und Haschisch. Ein Unternehmer aus Nordhorn an der niederländischen Grenze bekam im Januar rund 30 Drogenbriefe zugestellt, alle gefüllt mit Kokain. Auch er war nicht der tatsächliche Absender der illegalen Ware.

"Die Hintermänner schicken ihre Kuriere über die Grenze, um in den Niederlanden keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen", sagt Ruth Haliti vom ermittelnden Zollkriminalamt gegenüber VICE. Auch die Drogen aus Anklam und Wolgast kämen wahrscheinlich aus den Niederlanden.

Außerdem spare man Portokosten, wenn man die Briefe nur innerhalb Deutschlands versende, anstatt sie schon in den Niederlanden einzuwerfen: "Durch den Wegfall der stationären Grenzen kann theoretisch jeder einen Brief mit Drogen über die Grenze bringen und hier versenden", so Haliti. Zwar gebe es Stichproben an beliebten Umschlagplätzen, aber die würden nur zufällig ausgewählt. Trotzdem nahmen Ermittler bereits verdächtige Kuriere aus Deutschland und den Niederlanden fest. Sie vermuten, dass mehrere unabhängige Täter dieselbe Methode benutzen: Die Drogen werden meistens im Darknet verkauft und dann mit falschen Absendern verschickt.

Wer jetzt auf einen geheimnisvollen Umschlag voller halluzinogener Muntermacher hofft, wird leider enttäuscht: Die Dealer peilen eher Firmenadressen an. Diese wirken seriöser und seien leichter ausfindig zu machen als Privatadressen, sagte Haliti.

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