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homophobie

Deutscher Kardinal vergleicht LGBTQ-Aktivisten mit Nazis

Außerdem behauptet der ehemalige Bischof von Regensburg, Homophobie würde nicht existieren.
Foto: Kardinal Müller: imago | Ulmer/Lingria || Montage: VICE

Ach, wären nur all die absurden Behauptungen wahr, die Welt wäre vielleicht sogar eine Bessere. Der Feminismus wäre nicht mehr notwendig, wie die selbsternannte Egoistin Ronja von Rönne einst schrieb. Den Holocaust hätte es nie gegeben, wie es die Holocaustleugner behaupten. Es würde sicher weniger Autos geben, weil viele Menschen seit Kindesalter wie Bibi Blocksberg auf Besen fliegen könnten. Und Homophobie würde es, ganz allein weil Gerhard Ludwig Kardinal Müller diese steile These aufgestellt hat, einfach nicht geben.

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In einem Gespräch mit der italienischen Journalistin Constanza Miriano behauptete Kardinal Müller am Wochenende, dass Homophobie nicht existiere. Sie sei von LGBTQ-Aktivisten als Unterdrückungsinstrument eingeführt worden. Kardinal Müller war von 2012 bis 2017 Leiter der Glaubenskongregation. Deren Aufgabe ist es, die Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche zu schützen und zu fördern. Der 70-Jährige ist sich sicher: "Homophobie ist ein Betrug, der dazu dient, die Leute zu bedrohen." Den Aktivisten würden die wissenschaftliche Argumente fehlen. "Es ist das marxistische Schema, laut dem nicht die Wirklichkeit das Denken schafft, sondern das Denken sich die Wirklichkeit", analysiert der Kardinal. Anschließend verglich er LGTBQ-Aktivisten mit Nazis und Kommunisten. Wer diese "konstruierte Wirklichkeit" nicht akzeptiere, werde als krank betrachtet. "In der Sowjetunion wurden Christen in psychiatrische Kliniken gesperrt. Das sind die Mittel der totalitären Regime, des Nationalsozialismus und des Kommunismus", sagt er weiter.

Kardinal Müller selbst äußerte sich bereits mehrfach feindlich gegenüber Homosexuellen. 2014 sagte er der polnischen Zeitung Nasz Dziennik, dass Homosexualität entgegen der Natur und eine Sünde sei. Außerdem sprach er sich öffentlich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus, wie queer.de berichtete.


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Was Kardinal Müller ignoriert: 2017 wurden dem Anti-Gewalt-Projekt Maneo allein in Berlin 324 Angriffe mit homo,- oder transphobem Hintergrund gemeldet. Das sind zwölf Prozent mehr als im Vorjahr – die Dunkelziffer wird allerdings noch deutlich höher geschätzt. Aus Fallbeispielen des Maneo-Reports geht hervor, wie vielschichtig sich Homo- und Transphobie äußert. Der Report dokumentiert Beleidigungen und körperliche Übergriffe, berichtet aber auch von einem Fall im März 2017, bei dem Eltern in Berlin-Reinickendorf versuchten, die Kündigung eines schwulen Erziehers durchzusetzen.

Jörg Steinert, Pressesprecher des Berliner Lesben- und Schwulenverbands, sagt gegenüber VICE, dass hassmotivierte Gewalt gegen homo- und transsexuellen Menschen in Großstädten wie Berlin täglich stattfindet. "Schwuchtel" sei eines der häufigsten Schimpfwörter in Schulen. Auch für den katholischen Homophobie-Leugner hat Steinert – auf seine diplomatische Art – klare Worte: "Kardinal Müller scheint eine sehr respektlose Person zu sein."

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