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VICE: Kannst du kurz beschreiben, was bei eurer Konferenz am Dienstag geschehen ist, nachdem ihr von den Anschlägen gehört habt?„Du kannst dein Gehirn nicht vom Arbeiten abhalten, nur weil irgendwelche Terroristen die Gesellschaft und alle ihre Mitglieder mit Angst und Trauer lähmen wollen."
Andrei Kurkow: Das Programm wurde natürlich geändert. Anstatt mit der Lesung eines Essays anzufangen und diesen zu besprechen, begannen wir, die Diskussion vom Vorabend wieder aufzugreifen. Das Thema war die Rolle des Schriftstellers in Kriegs- und Krisenzeiten. Wir sind dann letztendlich aber doch wieder mehr oder weniger zum ursprünglich geplanten Ablauf übergegangen, wobei die Ereignisse des Morgens den ganzen Tag über in den Unterhaltungen und Diskussionen natürlich präsent waren.Warum wurde entschieden, die Konferenz fortzuführen, und was hältst du persönlich von der Entscheidung?
Das Seminar wird nur teilweise und ohne das Abendprogramm weitergeführt. Du kannst dein Gehirn nicht vom Arbeiten abhalten, nur weil irgendwelche Terroristen die Gesellschaft und alle ihre Mitglieder mit Angst und Trauer lähmen wollen. Die Taten der Terroristen haben unser Prioritätenliste hinsichtlich der Diskussionsthemen beeinflusst, aber das Einstellen irgendeiner Aktivität ist gleichbedeutend mit einer Kapitulation. Damit zeigst du ihnen nur, dass sie gewinnen. Eine Konferenz dient nicht der Unterhaltung. Ich finde es unglaublich wichtig und bereichernd, in einem Moment wie diesem mit anderen Schriftstellern zusammen zu sein.
Was und wie sollten Schriftsteller und Journalisten über Anschläge wie diese schreiben?Motherboard: Warum Belgien sein Terrorproblem nicht in den Griff bekommt
Für Journalisten sind die Fakten am wichtigsten—wie viele wurden getötet und wie viele verwundet. Autoren sollten nicht das Gefühl haben, mit den Journalisten wetteifern zu müssen—sie haben das Recht, angesichts dieser Vorkommnisse als „Doktoren" oder „Analysten" aufzutreten. Wie aber jeder einzelne Schriftsteller reagiert—was er schreibt oder abgesehen von, beziehungsweise anstelle des Schreibens macht—, bleibt in seinem eigenen Ermessen. Diese Tragödie wird jetzt die Gestalt eines ernsthaften politischen, gesellschaftlichen und psychologischen Problems annehmen und für eine gewisse Zeit so bleiben. Die Texte, die in dieser Zeit erscheinen, werden also auch eine politische, gesellschaftliche und psychologische Dimension annehmen. Schriftsteller sollten allerdings zu allererst gegen den Hass ankämpfen. Es muss unbedingt vermieden werden, den Schmerz derjenigen, die von den Ereignissen am stärksten betroffen sind, in Hass umschwenken zu lassen.