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Heuschnupfen ist die beschissenste Krankheit, die niemand ernst nimmt

Nur weil man an einer Pollenallergie nicht stirbt, heißt das noch lange nicht, dass sie dein Leben nicht um ein gehöriges Stück bekackter macht.
Foto: James Gathany, Wikimedia

Seitdem ich denken kann, sind Mai und Juni für mich schlechte Monate. Und das, obwohl ich gutes Wetter, BBQs und Open Air-Veranstaltungen theoretisch genau so gerne mag, wie jeder andere vernünftige Mensch auch. Diese Tatsache war meinem Immunsystem aber ziemlich egal, als es irgendwann einmal beschlossen hat, mir eine dicke, fette Pollenallergie zu verpassen.

Während der Geruch von frisch gemähtem Gras bei den meisten Leuten nostalgische Sommergefühle auslöst, verursacht er bei mir seit meiner Kindergartenzeit eher Panik. Laut dem letzten Test, den ich beim Arzt gemacht habe, bin ich „sehr starker Pollenallergiker" und sogar auf Blütenstaub von Pflanzen allergisch, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Sämtliche Gräser, Roggen, Ragweed, Birken—es ist wirklich alles Mögliche.

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Natürlich es gibt schlimmere Krankheiten, und wenn man sich nicht ganz blöd anstellt, wird ein Heuschnupfen—solange man kein allergisches Asthma entwickelt—keine tödlichen Folgen haben. Aber wenn ich euch eines versichern kann, dann, dass eine Pollenallergie auf so ziemlich jeder Ebene, die man sich vorstellen kann, BESCHISSEN ist (entschuldigt die Großbuchstaben, aber dieses Thema macht mich emotional). Diese Beschissenheit hat einen ganzen Haufen Gründe.

DIE REAKTIONEN DER LEUTE

Das größte Problem ist, dass eine Pollenallergie offensichtlich einfach ein paar komödiantische Aspekte hat. Wie will man eine Krankheit, die sich „Heuschnupfen" nennt, auch wirklich ernst nehmen? Wenn jemand zum 17. Mal in Folge niest, können die meisten Leute einfach nicht anders, als zu lachen—auch wenn sie dann meistens ein schlechtes Gewissen bekommen und ein, „Meiii, du Armer" dranhängen, weil sie merken, dass es dir gerade offensichtlich gerade gar nicht so sehr nach Lachen zumute ist.

Dass die Menschen in öffentlichen Verkehrsmittel dich mit einer Mischung aus Mitleid und Ekel anschauen, während du verzweifelt versuchst, mit deinem letzten Taschentuch den Fluten aus deiner Nase Herr zu werden, ist in dem Moment dein geringstes Problem. Eher nervt es schon, wenn man den Leuten wieder und wieder die gleichen Dinge erklären muss.

„Nein, das ist nicht ansteckend, du musst keine Angst haben, dich näher als fünf Meter an mich zu nähern" und „Nein, ich bin nicht permanent stoned, meine Augen sind aus einem anderen Grund klein und rot" sind da die Klassiker. Auf Partys sind die Reaktionen noch anstrengender—mittlerweile hab ich mich aber einfach damit abgefunden, dass die Leute mich für einen Kokser halten, wenn ich morgens um 3:00 Uhr schniefend durch einen Club laufe.

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DIE AUSWEGLOSIGKEIT

Über die Jahre hinweg habe ich herausgefunden, welche Pflanzen mir wann zusetzen und wann die gefährliche Zeit auf mich zukommt. Deshalb bereite ich mich schon Wochen im Vorhinein mental auf die zweite Maiwoche vor—verblüffend genau da fangen die meisten Gräser an zu blühen, und die Tragödie beginnt jedes Jahr wieder von vorne. Denn letztendlich gibt es tatsächlich kaum etwas, das meine Allergie stoppen könnte.

Dabei gibt es viele Mittel, die einem helfen sollen, die Allergie in den Griff zu bekommen. Antihistamin-Tabletten zum Beispiel, Nasensprays oder Augentropfen. Und ich kann mich auch noch daran erinnern, als ich mit solchen Mittelchen wirklich Herr der Lage geworden bin. Aber das ist spätestens seit meinen Teenager-Tagen vorbei.

Jetzt helfen all die Sachen, die man klassischerweise verschieben bekommt, nur noch minimal. Einige Ärzte haben mir gesagt, ich soll statt der einen Tablette, die man normalerweise am Tag nimmt, drei Tabletten täglich nehmen, weil meine Allergie so stark ist. Aber nicht mal das funktioniert. Manchmal frage ich mich in solchen Momenten dann, ob die Pharma-Industrie mich einfach ganz persönlich verarschen will.

Die nächste Maßnahme, die ich in meiner Not ergriffen habe: Kortison. Und zwar in Form einer bösen, langen Spritze, die man direkt in die Arschbacke bekommt. Eine Saison lang hat das prächtig funktioniert. Mittlerweile hält die Wirkung dieser Spritze nur noch zwei Wochen an, danach beginnt die Tragödie von vorne. Außerdem will sie mir kaum ein Arzt noch geben, weil die Nebenwirkungen von Kortison viel zu stark sind.

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Die letzte Möglichkeit, die mir noch offen steht, ist eine Desensibilisierung—das bedeutet, dass ich über mehrere Jahre hinweg regelmäßig Spritzen mit genau dem Zeug bekomme, auf das ich allergisch bin. Klingt teuflisch, ist aber die einzige Methode, mit der man seine Allergie über einen längeren Zeitraum wirklich los wird, oder sie zumindest abschwächen kann—aber selbst diese Therapie hilft nicht bei jedem. Drückt mir also die Daumen.

Die Tatsache, dass nicht mal du selbst deine Krankheit noch ernst nimmst

Was würdest du unter normalen Umständen tun, wenn du eine sintflutartig laufende Nase, angeschwollene Augen, Hautausschlag und Atembeschwerden hättest? Richtig, vermutlich würdest du dir eine Krankschreibung holen und den Rest des Tages oder der Woche wie ein Häufchen Elend im Bett verbringen. Nicht so der Pollenallergiker.

Die Tatsache, dass dein Umfeld so tut, als wäre eine Pollenallergie keine richtige Krankheit, sondern lediglich eine Beschwerde, die eh ein Viertel der Bevölkerung trifft (was ja eigentlich auch stimmt), und du ohnehin keine Lust hast, dich zwei Monate in deinem Bunker zu verkriechen, führt dazu, dass du auch als Allergiker mit gröberen Beschwerden in der Regel trotzdem in die Arbeit, in die Schule oder in die Uni gehst. Denn nicht mal du selbst nimmst deine Allergie noch wirklich ernst.

Dazu kommt, dass die Allergie immer dann am schlimmsten ist, wenn die Tage am wärmsten und schönsten sind. Und wenn ich auf eines keinen Bock habe, dann darauf, zwei Monate lang jede gute Freiluft-Party zu verpassen. Deshalb beschließe ich jedes Mal aufs Neue, doch hinzugehen, obwohl ich tief drinnen schon im Vorhinein weiß, dass es mein Verderben sein wird. Zwei Stunden später fahre ich mit zugeschwollenem Gesicht wieder nach Hause, während der kleine, vernünftige Teil meines Gehirns mir erklärt, dass ich ein Vollidiot bin, der es eigentlich gar nicht anders verdient hat.

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Die Müdigkeit

Einen Großteil der Pollenflug-Saison verschlafe ich. Das liegt an diesen vermeintlich recht harmlosen Antihistamin-Tabletten, die ich bereits angesprochen habe. Die sollen dir eigentlich helfen, deine Symptome irgendwie in den Griff zu bekommen, aber meiner Erfahrung nach tun sich hauptsächlich eines: Sie machen dich müde. Sehr müde sogar. In der Woche, in der ich in dieser Saison begonnen habe, meine Medikamente zu nehmen, habe ich vermutlich mehr geschlafen, als ich wach war.

Dieser Allergietabletten-Schlaf hat mir schon viele Probleme bereitet. Ich kann mich an eine Situation im Biologie-Unterricht erinnern, in der ich erst aufgewacht bin, als ich den Rest der Klasse im Chor lachen hörte. Ich machte also die Augen auf und sah meinen Bio-Lehrer auf mich herabblicken, der es gar nicht so lustig fand, dass ich seinen Unterricht verpennte. Aber nachdem ich ihm von meinem medikamentösen Problem erzählt hatte, hat er mich sogar weiterschlafen lassen.

Auf der Suche nach einer Tablette, die mich A: nicht sofort in einen komatösen Schlaf versetzt und B: meine Symptome lindert, habe ich so ziemlich jedes Mittel von jedem erdenklichen Hersteller ausprobiert. Nachdem eine Freundin mir erzählt hatte, dass sie in New York superstarke und effektive Allergietabletten namens „Benadryl" im Supermarkt gefunden hatte (ja, die verkaufen so was im Supermarkt), begann ich regelmäßig Leute anzuschnorren, dass sie mir doch bitte solche Tabletten aus Amerika mitnehmen sollten. Letztendlich habe ich durch die amerikanischen Tabletten auch nicht viel weniger Beschwerden gehabt—ich habe meinen Heuschnupfen lediglich noch konsequenter verschlafen. Das einzige, was in der kritischen Jahreszeit als Allergiker wirklich hilft, ist das Wissen, dass der Spuk in ein paar Wochen wieder ein (vorläufiges) Ende nimmt.


Titelbild: James Gathany | Wikimedia | CC. 3.0