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"Für viele Männer sind Transfrauen Fantasien, die sie hinter verschlossenen Türen ausleben."

Wir haben mit dem Trans-Model Pari Roehi darüber gesprochen, wie schwer es für sie ist, einen Partner zu finden, ihre Heimat Iran und die Hetze während ihrer Zeit bei 'Germany's Next Topmodel'.

Mit vier trägt Pari Roehi ihr erstes Kleid. Damals heißt sie noch Par, lebt im Iran und wächst in einer reichen Familie als Junge auf. Nachdem ihre Mutter mit ihr und ihrem Bruder in die Niederlande geflohen ist, wird Pari in Notunterkünften groß. Sie trägt aus Vorhängen geschneiderte Kleider, liebt den Schminkkasten ihrer Mutter und Britney Spears.

Aber anders als die anderen Jungs aus ihrer Klasse, ist sie nicht in die Sängerin verknallt, sondern will ihre Bühne haben. Pari sucht das Rampenlicht, beginnt, als Frau zu modeln, und zieht über internationale Catwalks und durch Amsterdamer Clubs. Mit 19 unterzieht sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation. In Berlin strandet sie durch Zufall: Auf dem Weg zurück vom Melt!-Festival bricht das Auto ihrer Freunde zusammen. Pari will für ein paar Tage bleiben, bis das Auto wieder ganz ist—und blieb bis heute.

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2014 macht sie bei Germany's Next Topmodel mit und sorgte für ziemlichen Medienwirbel. Heute verteilt sie Kosmetiktipps auf YouTube, engagiert sich für Transgender-Jugendliche und hat vor Kurzem ein Buch über ihr Leben herausgebracht.

In den letzten Jahren hat die Welt so viel von Transgender-Models und -Schauspielerinnen gehört wie noch nie zuvor. Laverne Cox aus Orange is the New Black schaffte es als erste Transgender-Schauspielerin auf das Cover des Time Magazine. Das australische Model Andrej Pejic, das früher auch in Damenkleidern modelte, unterzog sich 2014 einer geschlechtsangleichenden Operation und heißt heute Andreja Pejic. Und die thailändische Agentur Apple Model Management eröffnete eine neue Abteilung, die ausschließlich Transgender-Models vertritt.

Aber nur weil Transgender-Models gerade "in Mode" sind, heißt es nicht, dass sie ein einfaches Leben haben. Wir haben mit Pari darüber gesprochen, wie schwierig Dating als Transfrau ist und wie ihre muslimischen Verwandten auf die Geschlechtsangleichung reagiert haben.

VICE: In deinem Buch schreibst du: "Niemand wird durch chirurgische Eingriffe zu einem anderen Menschen. Zuerst muss man wissen, wer man ist." Wann wusstest du, dass du eine Frau bist?
Pari Roehi: Schon als Kind. Sobald ich verstanden habe, dass es zwei Geschlechter gibt, habe ich geahnt, dass ich eine Frau bin. In der Pubertät war ich dann sicher. Zuerst bin ich sehr androgyn herumgelaufen: mit langen Haaren und lackierten Fingernägeln, aber mit Schlabberklamotten. Und mit 17, nachdem ich von der Pariser Fashion Week zurückkam, wollte ich kein Zwischending mehr sein.

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Ich fing an, Miniröcke und High Heels zu tragen und als Frau zu leben. Die geschlechtsangleichende Operation mit 19 bedeutete einfach, dass mein Äußeres sich meinem Inneren angleicht. Meine Genitalien hatten nichts damit zu tun, ob ich mich als Mann oder Frau empfinde.

Du schreibst auch, dass es nicht immer einfach mit der Liebe war. Viele Männer standen zwar auf dich, hatten aber nicht den Mumm, zu dir als ihre Freundin zu stehen.
Ja, für viele Männer sind Transfrauen Fantasien, die sie hinter verschlossenen Türen ausleben. Als Jugendliche litt ich oft darunter. Jetzt ist es einfacher geworden. Ich habe in meinem Leben tolle Freunde gehabt. Aber momentan ist Dating kompliziert.

Normalerweise würde ich gern erst nach dem zweiten oder dritten Date erzählen, dass ich eine Transfrau bin. Aber in neun von zehn Fällen läuft es so: Ein Mann lernt mich kennen, findet mich heiß, aber vor dem nächsten Treffen hat er mich bereits gegoogelt. Für viele Kerle ist das ein Turnoff. Sie fühlen sich überfordert. Ich versuche deshalb momentan, nur in meinen Bekanntenkreisen zu daten, damit die Menschen von vornherein Bescheid wissen.

Woher kommt die Faszination der Männer mit Transfrauen?
Woher soll ich wissen, wie Männer ticken? Ich bin ja keiner. Ein große Rolle spielt sicherlich das Tabu. Transfrauen sind neu, sie sind ungewöhnlich. Bestimmt finden viele Männer auch die Vorstellung aufregend, dass da ein Penis sein könnte. Es gibt unglaublich viele Kerle, die auf einen Finger im Hintern stehen. Ich kann mir vorstellen, dass viele die Vorstellung heiß finden, dass eine Frau ihnen einen Penis in den Hintern steckt.

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Wie hat deine iranische Familie auf deine Geschlechtsangleichung reagiert?
Meine Mutter, mit der ich als Kind in die Niederlande gekommen bin, war schon immer sehr offen und hat mich unterstützt. Und der Iran steht Geschlechtsangleichung viel aufgeschlossener gegenüber, als viele annehmen. Die Schiiten glauben daran, dass manche Menschen im falschen Körper geboren werden und man den Fehler korrigieren darf.

Sie sind damit viel nachsichtiger als mit Homosexualität. Schwul zu sein, gilt als etwas, das du dir aussuchst. In einem falschen Körper geboren zu werden, nicht. Das kann aber auch problematisch werden: Schwule werden gezwungen, das Geschlecht zu wechseln, obwohl längst nicht jeder, der auf Männer steht, sich wie eine Frau fühlt.

Es gibt also viele Geschlechtsangleichungen im Iran.
Ja, die Operation ist kein Problem. Aber danach akzeptiert zu werden, ist schon schwieriger. Vielen Transfrauen bleibt kein anderer Weg, als sich zu prostituieren. Oder man heiratet und hält es absolut geheim.

Du bist immer sehr offen damit umgegangen, dass du eine Transfrau bist. Als du zu GNTM gegangen bist, haben die Medien das Thema trotzdem ausgeschlachtet. Die Bild schrieb zum Beispiel: "Heidi wusste von nichts: Klum-Model war mal ein Mann."
Ach, natürlich wusste Heidi Bescheid. Alles wussten Bescheid. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich eine Transfrau bin, und genau das der Grund ist, warum ich bei GNTM mitmache. Aber so schreibt die Boulevardpresse nunmal. Ich bin kein Medienneuling, ich wusste, was auf mich zukommt—und habe mich trotzdem darauf eingelassen, um zu zeigen, dass Transfrauen alles machen können, was andere Frauen tun. Aber ich war trotzdem überrascht, dass es zu so einem großen Ding aufgeblasen wurde.

Du bist nicht ins Finale von GNTM gekommen. Denkst du, es hat etwas damit zu tun, dass du früher einen Männerkörper hattest?
Nein. Das Problem war eher, dass ich schon eine fertige Frau war. GNTM sucht eher formbare, junge Mädchen. Einige meiner Mitstreiterinnen waren 15 oder 16. Irgendwann hieß es: Danke, du bist schön, aber du lässt die anderen wie Schulmädchen aussehen. Aber ich wurde in der Show mit viel Respekt behandelt. Und wenn ich der Welt etwas über Transfrauen beibringen konnte, war's das allemal wert.

Findest du, dass es in Deutschland viele Wissenslücken zum Thema "Transgender" gibt?
Auf jeden Fall. In den Niederlanden sind die Leute viel aufgeklärter. Hier denken viele, dass Transfrauen so etwas sind wie Conchita Wurst. Oder Olivia Jones, die ja keine Transfrau ist, sondern ein schwuler Mann, der gern Frauenkleider anzieht. In Deutschland gibt es immer noch das Klischee des großmäuligen, auffälligen Transvestiten. Aber nicht alle Transfrauen tragen den ganzen Tag Federboas und Glitzer.

Wir sind ganz normal. Ich bin ganz normal. Und genau das möchte ich zeigen. Ich finde, dass man über verschiedene Geschlechter schon in der Schule lernen sollte—so wie man auch lernt, dass es unterschiedliche Religionen gibt.

Momentan stehen viele Transfrauen im Rampenlicht: die Schauspielerin Laverne Cox, das Model Andreja Peijic oder das New Yorker It-Girl Hari Nef. Viele Medien schreiben deshalb von einem "Trans-Hype".
Schwulsein ist ja auch kein Hype, nur weil ein paar Schwule präsent in der Popkultur sind. Deswegen: Nein, das ist kein Hype. Ich hoffe, es ist der Beginn der Transrevolution.