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Macht Geld unmoralisch? Nein, eher glücklich und sorglos

Man hört immer nur von den bösen Hedge Fund Managern, die nie Interviews geben und die ganze Welt mit ihren miesen Methoden abzocken. Wir haben uns jetzt mit einem zusammengesetzt. Klar, Drogen, Kohle und Nutten kennt er auch, und Wall Street regiert...

Geld, Banken, Finanzindustrie, billige Kredite. Was vor zehn Jahren in der Boomzeit noch keinen scherte—nämlich billiges Geld für alle—ist heute der Sündenbock der Welt. Verhasst sind nicht nur die großen Banken, sondern auch sogenannte Schattenbanken wie Hedgefonds. Das Wort klingt aber auch gemeingefährlich. Dass sich dahinter auch private Rentenfonds verstecken, die ganz nebenbei bemerkt, einer der größten Marktteilnehmer sind, und die dafür sorgen, dass unsere Eltern später mal nicht nur von der mickrigen Staatsrente leben müssen, verschweigen die meisten dabei gerne.

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Und leider sind Hedgefonds-Manager und -Trader auch nicht gerade die gesprächigsten Menschen, was es noch leichter macht, sie zu verurteilen. Wir haben dennoch einen dazu bewegen können mit uns zu reden. Er möchte, dass wir ihn Manta nennen, denn laut Vertrag darf er über seine Erfahrungen nicht reden. Manta hat während der Krise einen großen Hedgefonds sicher durch die Kernschmelze der Finanz- und danach Weltwirtschaft geführt. Danach ist er ausgestiegen, um zu reisen und sich selbst zu finden. Heute fordert er ein einfacheres Leben und mehr Regulierung. Außerdem haben wir uns über Koks und Nutten unterhalten.

VICE: Lass uns erst mal über Koks reden. Der britische Pharmakologe David Nutt hat vor kurzem behauptet, die Finanzkrise sei primär durch Kokain ausgelöst worden.
Manta: Das ist eine lächerliche Vereinfachung. Großer Schwachsinn. Ich denke es ist einfach die Gier nach schnellem Geld. Die falsche Mentalität also. Und dumme Leute in den falschen Positionen bei null Kontrolle.

John Coates, ehemaliger Wall Street Broker und mittlerweile Neurologe in Cambridge behauptet hingegen, dass Testosteron eine sehr wichtige Rolle an den Finanzmärkten spielt.
Das auf jeden Fall schon eher. Große Bewegungen am Markt werden sicherlich mit von den Hormonen der Broker und Trader beeinflusst. Es ist bekannt, dass solche Typen überdurchschnittlich viel Testosteron im Blut haben. Sicherlich kein Job für schwache. Haha.

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Aber generell spielt Kokain doch eine Rolle in der Finanzindustrie. Zumindest bringen das viele damit in Verbindung.
Die Industrie ist definitiv seit Beginn voll von Typen, die wilde Partys feiern, in Stripclubs gehen, schnelles Geld wollen und Drogen nehmen. Ich habe da nie mitgemacht. Am Wochenende habe ich schon gefeiert, aber nicht unter der Woche mit Klienten oder Brokern der Banken. Die Broker der großen Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan feiern richtig hart unter der Woche. Das ist Teil des Business. So unterhältst du deine Kunden. Was da abgeht ist schon krank. Das Krasseste, was ich während meiner Zeit gehört habe, war als ein Broker eine 60 Meter lange Yacht angemietet hat, um einer seiner Kunden damit zu bespaßen. Auf Firmenkosten natürlich.

Ist also doch die ganze Finanzindustrie so?
Die Brokerszene ist definitiv von Nutten, Partys und Kokain bestimmt. Doch auch da gibt's natürlich ganz normale Kerle, die ihren Job sehr ernst nehmen. Bei dem Hedgefonds, für den ich gearbeitet habe, gab es solche Typen nicht. Das waren normale Familienmenschen. Ich glaube, dass der abgefahrene Lifestyle, mit dem Hedgefonds-Manager normalerweise in Verbindung gebracht werden, eigentlich der Lifestyle der Broker der großen Banken. Andererseits musst du als Broker sehr gut aufpassen, wem du vertrauen kannst. Einfach mit jedem zu koksen geht nicht. Da wirst du schnell gefeuert. Jeder gegen jeden.

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Wie hat deine Karriere in der Finanzwelt begonnen?
Ich habe 2005 also recht kurz vor der Finanzkrise angefangen. Ein Freund hat mich in ein Trainee-Programm eines Hedgefonds in New York reingebracht.

Wie war damals die Stimmung so mitten in der größten Finanzblase aller Zeiten?
Vor der Kernschmelze der Finanzwelt wussten die Leute natürlich, dass der Markt absolut überbewertet war. Jeder hat irre viel Geld verdient. Sogar einfache Assistenten bekamen Boni von zwischen 300 und 400 Tausend Dollar pro Jahr. Es gab überhaupt kein Limit. Aber das, was dann geschehen sollte, hat wirklich keiner vorhergesehen.

Warum war das nicht vorhersehbar?
Na ja, dass eine so große Bank wie Lehman Brothers pleite gehen kann … das war einfach außerhalb der Vorstellungskraft. Doch in den Tagen direkt vor dem Zusammenbruch von Lehman war es dann zu spüren: Die Aktien der großen Banken gingen um 20% rauf und wieder runter. Innerhalb weniger Stunden nur.

Wie verrückt ist die Wall Street eigentlich wirklich?
In New York ist Geld alles, was zählt. Und die Wall Street treibt alle Märkte global immer noch allein an. Die Amerikaner sind einfach die aggressivsten Investoren. Wenn Wall Street um 16 Uhr zumacht, macht die Welt zu.

Wie war es für dich, in so einem Umfeld zu arbeiten?
Da ich Europäer bin, ist mein Hintergrund ist ein komplett anderer als der der Amis. Ich bin viel gereist bevor ich angefangen habe zu arbeiten. Bei den US Typen ist das anders. Die gehen an die Uni und dann direkt in die großen Banken oder Fonds. Und arbeiten dann 16 bis 18 Stunden am Tag. Die sind wie Maschinen. Und alles, was sie produzieren sollen, ist Geld, Geld, Geld … Ganz ehrlich, ich habe mich in der Zeit eher mit Musikern und Künstlern umgeben. Die sind definitiv weniger langweilig.

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Kann ich mir vorstellen. Wo warst du, als die Krise ausbrach?
Ich wurde kurz bevor die Krise zuschlug nach London versetzt. Mein Fonds hat daraufhin viele Leute gefeuert und einen Haufen Geld verloren. Das war schon hart. Ich war dann auf einmal für drei Märkte, Asien, Europa und USA zuständig. Wegen der verschiedenen Zeitzonen habe ich quasi so gut wie nie geschlafen und fast non-stop gearbeitet. Die Krise war episch. Aber mir hat das Spaß gemacht: Geldflüsse auf der ganzen Welt zu kommandieren und zu versuchen, das Geld unserer Investoren zu retten.

Hedgefonds bekommen ja extrem viel negative Presse. Hat sich durch die Finanzkrise irgendetwas in dem Business geändert?
Zunächst mal kann ich sagen, dass die Krise viele der richtig Schlechten zerstört hat. Bernie Madoff war sicherlich der Schlimmste von allen, das war ja nur ein Ponzi-Scheme. Durch die Krise gab es eine Konsolidierung unter den Hedgefonds und die meisten richtig Beschissenen sind weg. Das Klima ist jetzt besser. Es ist insgesamt schwerer, schnell Geld zu verdienen

Wofür sind Hedgefonds deiner Meinung nach gesamtwirtschaftlich gut?
Ich habe in einem acitivist fund gearbeitet. Das heißt, wir helfen Unternehmen. Wir kaufen Anteile an einem Unternehmen und verbessern sie durch Umstrukturierung. Wir platzieren jemand im Aufsichtsrat und versuchen, das Unternehmen wieder auf Vordermann zu bringen. In den USA gab es ja eine Menge Manager von Firmen, die sich selbst einfach viel zu hohe Boni und Gehälter gezahlt haben, ohne Leistung zu bringen. Als wir das mitgenommen haben, haben wir alles daran gesetzt, das zu unterbinden. Denn das schadet jedem Unternehmen auf lange Sicht. Gute Hedgefonds versuchen zudem, für ihre Kunden immer Gewinn rauszuschlagen, egal ob die Märkte hoch oder runter gehen. Du "hedgst" (absichern zu deutsch) also gegen Verluste. Hedgefonds sind also eine alternative Anlageform und da Hedgefonds-Manager ihr eigenes Geld investieren, haben sie kein Interesse, ihre Kunden anzulügen.

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Inwiefern beeinflussen Hedgfonds die Märkte?
Hedgefonds können den Markt sehr positiv beeinflussen. Durch Short-Selling (Leerkauf) können sie Investitionsblasen verhindern. Nimm Apple als Beispiel: der Wert einer Aktie lag vor Kurzem noch bei fast 700$ pro Stück. Doch Apple hatte kaum neue, innovative Produkte und der Smartphone- sowie Tabletmarkt sind auch immer stärker umkämpft. Also haben Hedgefonds begonnen, Apple zu shorten, um eine Blase zu verhindern. Short-Selling ist also nichts Schlechtes, sondern sehr wichtig für die Weltwirtschaft. Ohne Short-Selling hättest du jeden Tag eine neue Blase.

Aber heißt das nicht, dass Hedgefonds die Märkte beeinflussen, um für sich einen kurzfristigen Gewinn rauszuschlagen? Findet also Manipulation statt?
Nein. Manipulation bedeutet, Informationen zu verbreiten, um den Kurs zu beeinflussen. Manche Leute tun das ganz offensichtlich, was natürlich falsch ist. Aber glaub mir: den Kurs von Apple zu beeinflussen ist nicht ganz so einfach.

Hedgefonds-Manager regieren die Welt also nicht aus einem düsteren Schattenreich heraus.
Nein, das ist auch völlig unmöglich. Hedgefonds sind das personifizierte Böse. Es gibt natürlich auch seltsame Geschöpfe unter den Hedgefonds, wir nennen diese "Black Boxes". Ich habe nie ganz verstanden, wie die arbeiten. Sie basieren auf abgefahrenen mathematischen Formeln und werden von Ingenieuren erstellt.

Teilweise klingt es schon auch ein bisschen wie eine Verschwörungstheorie: Ein paar Leute regieren die Welt, nur für den eigenen Profit. Dennoch scheint die Wut der Menschen teilweise berechtigt. Oder wie siehst du das?
Natürlich ist das berechtigt. Ich kann das absolut nachvollziehen. Jeder, der sich den Arsch abarbeitet für einen geringen Lohn, sieht jeden Tag, wie viel Geld diese Typen immer noch verdienen, nachdem sie die ganze Welt an den Abgrund getrieben haben. Die Banken haben Scheiße gebaut, aber sind immer noch extrem mächtig. Während sich die Leute machtlos fühlen, was sie natürlich noch mehr frustriert. Das System wird sich aber so schnell nicht ändern. Die Banken sind alle miteinander verbunden. Es ist also in ihrem Interesse, das System am Laufen zu halten. Hedgefonds sind aber wirklich etwas anderes. Da geht es hauptsächlich um gute Investitionsmöglichkeiten von Privatleuten, aber auch Rentenfonds eurer Eltern. Überleg: Ein mittelgroßer Hedgefonds hat 5 bis 1o Mitarbeiter. Goldman Sachs hat 30.000 …

Ist bessere Regulierung notwendig?
Ja, definitiv. Banken werden jetzt schon etwas stärker reguliert und das finde ich sehr gut. Weißt du, die Banken waren vor der Krise eigentlich keine Banken mehr, sondern übergroße, high-risk Hedgefonds. Aber was Banken eigentlich tun sollten, ist Geld an Leute zu leihen, damit sie zum Beispiel eine Firma eröffnen können. Dafür sind Banken da. Nicht als große Spielkasinos, die die ganze Welt abfucken. Das Resultat ist die Finanzkrise.

Was sollte sich in Zukunft in der Finanzindustrie ändern?
Ich kann dir nur sagen, was ich mir erhoffe. Ich bin da wahrscheinlich zu idealistisch. Aber weißt du, ich glaube, die Leute wollen alle ungefähr das Gleiche: Eine Familie, glücklich sein, das Beste für ihre Kinder. Meine Hoffnung ist, dass die Menschen weniger gierig sind, weniger egoistisch, mehr an das Kollektiv denken. Die Typen in der Finanzindustrie sollten kapieren, dass das einfache Leben besser ist anstatt die ganze Zeit zu versuchen wie das Arschloch Gordon Gekko zu werden. Es ist falsch, immer nur Geld, Geld, Geld im Kopf zu haben. Ich hatte die beste Zeit, nachdem ich gekündigt hatte. Das Leben dieser Finanztypen ist so schnell. Wenn du in der Finanzindustrie arbeitest, bist zu immer zu spät, immer in Eile. Du wirst alt, reich und verpasst das Beste im Leben. Und das sind die einfachen Dinge.