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Wie zur Hölle erkläre ich meinem besten Freund, dass ich seine Musik hasse?

„Na, wie findest du meine Musik?“ Diese Frage kann zum übelsten Dilemma mutieren, wenn du mit der Musik deines besten Buddies wenig oder gar nichts anfangen kannst. Doch es gibt Auswege.

Foto: Flickr | Adam Farnsworth | CC BY 2.0

Freundschaften leiden unter dem Selbstverwirklichungstrip des besten Buddies. Beispiel: Dein bester Freund fängt an, selber Musik zu machen. Musik, die du auf den Tod nicht ausstehen kannst, weil sie entweder überhaupt nicht nach deinem Geschmack ist—das ist die deutlich bessere Variante—oder weil sie einfach viel zu beschissen ist—das ist die entschieden schlechtere. Beide Varianten schützen dich nicht davor, dass dein bester Buddie irgendwann Feedback einfordert; also wissen möchte, wie du seinen kreativen Output so findest.

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Das Dilemma: Zwickmühlen sind die hässlichsten unter den Mühlen. Sie zwicken, weil tief in ihrem Bau ein Interessenskonflikt lauert. Im Falle von „Wie zur Hölle erkläre ich meinem besten Freund, dass ich seine Musik hasse?“ kommen sich zwei Interessen ordentlich in die Quere: Das freundschaftlich-zwischenmenschliche und das „Wenn Musik scheiße ist, dann sage ich es auch“-Interesse. Kurz zusammengefasst: Freundschaftliche Loyalität vs. musikalische Ehrlichkeit. Je länger man in dieser Zwickmühle ausharrt und je weiter man den Zeitpunkt herausschiebt, dem besten Freund die ehrliche Meinung zu „geigen“ (haha!), desto schlimmer und schwieriger wird es. Denn dein bester Freund interpretiert dein Stillschweigen—jede Wette—als okayes bis positives Feedback. Du gehst ja schließlich auch immer wieder auf seine Konzerte in irgendwelchen furzkleinen Jugendzentren. Dass deine Zähne dabei knirschen, kann er ja nicht ahnen. Das alles muss ein Ende haben, aber wie? Noisey proudly presents: Die vier ultimativen Auswege aus dem Dilemma.

Sukzessiver Liebesentzug

Die hochgradig unangenehme Aussprache, das klassische „Tacheles-Reden“, kann vermieden werden, wenn du strategisch vorgehst. Du musst checken, dass dein bester, neuerdings musizierender, Freund sein Feedback hauptsächlich durch zwei Kanäle bezieht: Social Media und Konzerte. Auf ein Konzert, bei dem das Publikum zu 90% aus Freunden und Bekannten besteht, kommen ca.15 Facebook-Posts und/oder Tweets im Monat. Immer die gleiche Social Media-Leier, von wegen „Leute, hört euch meinen neuesten Song an. Unbedingt teilen“, „Leute, am Samstag spiele ich beim Newcomer-Contest. Gerne teilen“ oder auch „Leute, ich suche einen Bassisten für meine Band. Bitte teilen“. Sukzessiver Liebesentzug—eigentlich eine partnerschaftliche Praxis—funktioniert so: Unbedingt das erste Konzert besuchen, eins aussetzen, das dritte Konzert besuchen, zwei aussetzen, das sechste Konzert besuchen, drei aussetzen usw.. Wenn es gut läuft, hat sich das Thema Konzerte dann schon sowieso von alleine erledigt. Beim Liken der Posts ähnlich verfahren, sprich nach und nach immer seltener einen Thumb spendieren. Unterschwellig checkt und beherzigt dein bester Freund den Liebesentzug—dieses „Reden ohne Worte“. Ergo werdet ihr niemals über seine Musik „mit Worten“ reden müssen.

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Das pädagogische Prinzip

Am Anfang der 1x1-Pädagogik steht das Lob, die bekräftigende Bestätigung: „Hey Mann, finde ich echt super, dass du Musiker werden möchtest! Könnte ich nicht, würde ich mich auch sowieso nicht trauen.“ Gerne auch gleich Bezug zum musikalischen Output nehmen: „Diese Grundidee von diesem einem Song gefällt mir echt richtig gut.“ Oder auch: „Ja Mann, die Baseline kann was.“ Da das musikalisch-künstlerische Ego deines besten Buddies zu diesem sehr frühen Zeitpunkt noch wackelpuddingartig-labil ist, kannst du so sein Vertrauen gewinnen. Hat er dich einmal als mentalen und kreativen Support akzeptiert, kannst du die Weichen stellen. „Von der Idee her echt ein guter Song, ich würde ihn nur halt anders machen, vielleicht sogar ganz anders.“ Oder auch: „Ja klar, du kannst echt super singen, aber hast du mal über ein instrumentales Album nachgedacht?“ Das vernichtende Urteil „Ich hasse deine Musik“ ist also kostümiert als gut gemeinter Ratschlag eines Freundes, der voll und ganz hinter dem neuerdings Musizierenden steht.

Die Meinung „geigen“

Was der kann, kann ich auch! Sollte in dir auch nur ein Hauch von Musikalität stecken, dann schnapp dir ein paar halbwegs musikalisch-begabte Bekannte, denkt euch irgendeinen bescheuerten Bandnamen und „geigt“ dem besten Freund die Meinung—im wortwörtlichen Sinne. Die Strategie beim „Die Meinung geigen“ läuft gleichermaßen „ohne Worte“, weil musikalisch ab wie beim sukzessiven Liebesentzug. Eure Musik muss verglichen mit der des besten Buddies brutal-kontrastiv ausfallen. Ein paar Beispiele: Winselt er als tieftrauriger, dem Exitus stets nur knapp entkommender, Singer-Songwriter vor sich hin, begebt ihr euch auf die sexistischen Spuren der Kassierer und huldigt musikalisch den Geschlechtsteilen. Versucht er sich, am Mischpult Knöpfe drehend, am intellektuellen Minimal Techno, tobt ihr euch in EDM-Geschrammel aus. Kehrt er seinen jamaikanischen Spirit nach außen und smootht im sonnendurchfluteten Reggae, taucht ihr ein in den finstersten, finnischen Death Metal. Deinem besten Freund wird früher oder später einfach ein Licht aufgehen, denn zwischen deinen/euren musikalischen Zeilen steht geschrieben: „Deine Musik ist so was von kacke! Würdest du bitte damit aufhören? Sofort!“ So richtig böse kann er dir dann aber doch nicht sein angesichts der Tatsache, dass du endlich! den Weg in die Kreativität, in die Selbstverwirklichung geschafft hast. Dieser gemeinsame Nenner bleibt euch erhalten.

Schreiben hilft aka Das journalistische Prinzip

Tagebücher dienen dazu, die eigenen—mitunter traumatischen—Erlebnisse/Erfahrungen zu reflektieren und zu verarbeiten. Dass sich dir der Magen umdreht, du dröhnende Kopfschmerzen bekommst und leise „Bitte aufhören!“ vor dich hin flüsterst, sobald dein bester Freund mit seiner Musik anfängt, gehört also genau hier rein, ins Tagebuch. Für den Fall, dass du deinem Buddie die Tagebücher nicht irgendwann schenken möchtest—schließlich muss dieser früher oder später die bittere Pille schlucken, dass du seine Musik hasst—muss ein clever Schachzug her. Der gängige Weg von der publizistischen Privatsphäre in die publizistische Öffentlichkeit, mit dem man auch noch Geld verdienen kann, heißt in diesem speziellen Fall (Musik-)Journalismus. Deine Privatsphäre kaschierst du dabei mit einem simplen Trick: Journalistische Abstraktion. Das von dir Erlebte hebst du abstrahierend auf eine allgemeingültige Ebene und distanzierst dich somit davon. Im Grenzbereich von Autobiographie und journalistischer Abstraktion sagst du deinem Freund also die Wahrheit und tust es gleichzeitig nicht. Denn wessen Musik du hasst—die deines Freundes im speziellen oder die eines besten Freundes an sich—bleibt offen. Einen gemeinsamen Nenner habt ihr so oder so: den kreativen Output. Er ist der Musiker, du bist der Journalist.

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