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Politik

Jemand hat Sobotka vor die Tür gekackt und deshalb will er mehr Überwachung

Sobotka macht jetzt mit Scheiße Politik. Wortwörtlich.

Foto von Wolfgang Sobotka: Michael Kranewitter | Wikimedia Commons | CC-BY-SA 4.0; Hintergrundbild von Jakob Steiner; Collage: VICE Media

Menschen kacken. Manchmal weil sie müssen, manchmal aus Boshaftigkeit. Und wenn sie kacken, dann tun sie das nicht nur gerne in Flugzeugen oder Supermärkten, sondern offenbar auch hin und wieder vor die Haustüren österreichischer Politiker. Ein unbekannter Held soll bei Innenminister Wolfgang Sobotka vor Jahren vor die Tür geschissen haben – und das sogar mehrmals. Was den Unbekannten dazu bewegte, weiß man nicht. Dass er Sobotka damit jedoch als Argument zur Durchsetzung des Überwachungsstaates motivieren würde, war ihm wahrscheinlich nicht gänzlich bewusst.

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Mit dem neuen Regierungsprogramm haben sich ÖVP und SPÖ nämlich nicht nur auf ein Verschleierungsverbot, sondern auch auf neue Überwachungsmaßnahmen geeinigt – unter anderem sieht das Programm die Speicherung von Telekomdaten verdächtiger Personen, die Registrierung von SIM-Karten und die Überwachung von WhatsApp-Nachrichten vor. Aus diesem Anlass fragte die Tageszeitung Heute bei Sobotka nach, ob er in Zukunft eigentlich jeden Bürger überwachen wolle. Das war seine Antwort im Wortlaut:

"Nein. Mit den Maßnahmen klären wir Verbrechen auf oder verhindern sie im besten Fall. Es geht stark um Prävention. Ein Beispiel: Vor meiner Haustüre lag – vor vielen Jahren – immer wieder menschlicher Kot. Als ich eine Kamera aufgestellt habe, war das sofort vorbei."

Ich wiederhole: Jemand hat Sobotka vor Jahren vor die Tür gekackt und dieses Vorkommnis scheint seine Ansichten derart nachhaltig geprägt zu haben, dass er es heute verwendet, um die Überwachungspläne der Regierung damit zu begründen und uns allen zu veranschaulichen, welchen Nutzen wir daraus ziehen können.

Sehen wir uns Sobotkas Antwort einmal ganz genau an. Zu Beginn spricht er von der Aufklärung und Verhinderung von Verbrechen. Bedeutet das, die Kacke vor seiner Tür war ein Verbrechen? Eher war sie ein Vergehen – zum Beispiel in Form einer Störung der öffentlichen Ordnung. Nun folgt Sobotka mit seiner Aussage einer bemerkenswerten Logik: Welches "Verbrechen" könnte die Heute-Leser wohl mehr von umfassenden Überwachungsmaßnahmen überzeugen als "menschlicher Kot" vor seiner eigenen Haustür?

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Was ist der Albtraum eines jeden Österreichers? RICHTIG, MENSCHLICHER STUHL vor Sobotkas Haustür. Und schon legitimiert er die geplanten Überwachungsmaßnahmen mithilfe eines persönlichen Erlebnisses, ohne dass wir die mangelnde Faktengrundlage bemerkt haben, weil wir zu beschäftigt damit waren, uns vorzustellen, wie jemand in einem Busch vor Sobotkas Haus auf den richtigen Moment wartet, um dessen Leben nachhaltig mit Exkrementen zu verändern.

Nun beschreibt Sobotka den Heute-Lesern sein persönliches Martyrium: Vor vielen Jahren soll vor seiner Haustüre immer wieder menschlicher Kot gelegen haben. Die Frage, die sich jedem Defäkier-Investigativjournalisten an dieser Stelle aufdrängt, ist freilich: wer und warum. Man darf auch andiskutieren, wie sich Sobotka gänzlich sicher sein konnte, dass es sich bei den Haufen um menschlichen Kot handelte. Kann man sich denn wirklich jemals sicher sein? Aber Sobotka kann. Und macht deshalb nun basierend auf dem vermeintlichen Fäkalienfakt offiziell mit Scheiße Politik.

Denn im wahrscheinlich wichtigsten Teil der Geschichte erzählt der Minister, wie er zur Vermeidung weiterer Scheißeladungen vor seiner Haustüre eine Überwachungskamera angebracht habe. Mit der sofortigen Konsequenz, dass ihm fortan niemand mehr vor die Tür schiss. Derartige Kameras muss man übrigens mit einem Hinweis kennzeichnen, darf sie nicht auf einen öffentlichen Gehsteig richten und muss sie unter Umständen beim Datenschutzregister anmelden.

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Man kann aus Sobotkas kleiner Kack-Anekdote, die von manchen auf Twitter bereits schon liebevoll als Kackigate bezeichnet wird, mehrere Lehren ziehen: Einerseits gereicht menschlicher Dung in Österreich gern mal zum Politikum, andererseits reichen auch schon mal persönliche Befindlichkeiten, um strenge Überwachungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Ohne tiefergehende faktische Auswertung der Gesamtlage oder kompliziertes Abwägen davon, wie sinnvoll und effizient Überwachung bisher eigentlich war – also statistisch und nicht nur gefühlt.

Bei allem Spaß, den Kack-Metaphern und Scheiße-Vergleiche machen: Solche Argumentationslinien sind vor allem in Zeiten um sich greifender Fake-News-Debatten und gefühlter Halbwahrheiten bedenklich. Andererseits macht eine Anekdote wie die von Sobotkas Türschiss auch sichtbar, welche Macht wir einfachen Bürger offenbar haben. Vielleicht lässt sich daraus ja auch eine Handlung ableiten, mit der wir die Überwachungsforderung zum Positiven korrigieren können. Auch ganz ohne Kot.

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Verena auf Twitter: @verenabgnr