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Die längste Wahl der Welt

So geht es Hofer-Wählern in Van der Bellen-Hochburgen

Wir haben mit Hofer-Wählern über Anfeindungen, ermüdende Diskussionen und Vorurteile aus dem Freundeskreis gesprochen.

Foto von der offiziellen Facebook-Seite von Norbert Hofer

Endlich findet die längste Wahl der Welt ihr Ende. (Wenns denn wirklich wahr ist.) Ein Ende, das—so oder so—vermutlich die Hälfte des Landes unglücklich stimmen wird. Ein Grund mehr, aus unserer jeweiligen Filterblase zu kriechen und auf die Anhänger des anderen politischen Lagers zuzugehen. Nachdem wir diese Woche schon mit Van der Bellen-Wählern außerhalb von Österreichs Ballungszentren gesprochen haben, die dort in der Minderheit sind, lassen wir jetzt auch noch Hofer-Wähler zu Wort kommen, die in den grünen Hochburgen Graz und Wien leben, wo die Zahl der Hofer-Wähler deutlich unter dem Landesschnitt liegt. Hier erzählen sie in ihren eigenen Worten.

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Ivana*, 37, Wien

Ich kenne einige Leute in meinem Umfeld, die Van der Bellen wählen werden. Ich würde sogar sagen, dass es sich prozentuell gesehen ziemlich die Waage hält. Auch meine Eltern tendieren eher zu Van der Bellen, da unsere Familie selbst einen Migrationshintergrund hat.

Ich stehe allerdings offen zu meiner Entscheidung—auch gegenüber meiner Familie. Ich sage meine Meinung, sie sagen ihre. Natürlich gibt es in diesen Momenten dann oft hitzige Diskussionen, fünf Minuten später ist dann aber wieder alles beigelegt; zu einem wirklichen Streit kommt es da nicht. Ich vermeide solche Diskussionen trotzdem nicht—ich fordere sie ehrlich gesagt öfter sogar richtig heraus.

Dass sich jemand von meinen Freunden abwendet, hätte ich aber nicht bemerkt. Was schon passiert ist, dass ich hier und da mal ausgelacht werde, wenn ich über die Flüchtlingsproblematik schimpfe, obwohl ich ja selbst Ausländerin bin. Aber ich denke, das muss einfach jeder für sich selbst entscheiden; die Wahlentscheidung des Anderen muss man akzeptieren. Wir machen uns gegenseitig keine Vorwürfe, auch wenn natürlich auf beiden Seiten Unverständnis herrscht. Diskutieren tue ich gern, aber am Ende stehe ich nicht da und verurteile Freunde und Bekannte für ihre Entscheidung. Bei dieser Wahl haben sich einfach die jeweiligen Grundeinstellungen mehr herauskristallisiert, das Flüchtlingsthema spaltet und treibt vieles dort hin.

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Philipp, 24, Wien

In meinem Freundeskreis bin ich einer der Wenigen, der Hofer wählt … oder zumindest der Einzige, der offen dazu steht. Meine Eltern interessieren sich nicht sehr für Politik und wollen jetzt auch kein drittes Mal zur Wahlurne. Ich werde aber noch alles versuchen, um sie da umzustimmen.

Ich habe zwei kleine Kinder und da liegt mir die Zukunft Österreichs einfach sehr am Herzen, da kann ich nicht einfach weg schauen und nichts tun. Deswegen initiiere ich auch oft Diskussionen mit meinen Freunden. Das artet dann schon des Öfteren in Streitereien aus, die sich manchmal auch nicht so schnell beilegen lassen. Die jeweiligen Werte, die Hofer und Van der Bellen vertreten, sind da einfach zu konträr.

Eine gute Freundin von mir, die wie ich politisch recht engagiert ist—nur eben für den anderen Kanditaten—hat sich in letzter Zeit eher abgewendet. Was ich auch irgendwie verstehen kann. Ich hab ja für ihre Meinung—grad jetzt in der Endphase—auch nur wenig übrig. Seit ich letztens in unserer Whatsapp-Gruppe einen recht gewagten Comic gepostet habe, will sie das Thema Politik mit mir auch gar nicht mehr anschneiden. Das ging ihr zu weit.

Wenn jemand nicht einmal versucht mich zu verstehen, dann denke ich mir auch: Das, warum du zu mir sagst, warum ich nicht Hofer wählen soll—nämlich, dass er zu radikal ist—das wendest du gerade bei mir an.

Gerade diese Wahl—ich glaube so wie keine zuvor—streicht die jeweilige Grundeinstellung, deine Werte einfach sehr stark heraus; sie spaltet extrem. Verständnis für die Gegenseite kann es da kaum geben. Trotzdem glaub ich, dass sich nach dem Wahlsonntag wieder viel beruhigen wird. Die Menschen sind denke ich müde und haben gar keine Lust mehr auf die ewigen Hacheleien.

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Stefan*, 31, Graz

Ich finde, dass die Einstellung der Leute aus dem Umfeld noch nie so deutlich war, wie bei dieser Wahl. Es ist schon schwierig, wenn ich mit Freunden, die Van der Bellen wählen, über meine Wahlentscheidung spreche. Da merkt man, dass man in politischer Hinsicht einfach eine komplett andere Meinung hat—da happert es an der Grundeinstellung. Und Freundschaft basiert ja auch auf gemeinsamen Interessen. Deswegen bleibt oft nach Diskussionen eine komische Stimmung zurück, was ich nicht verstehe und was auch nicht meine Schuld ist. Ich habe ja kein Problem damit, dass jemand Van der Bellen wählt.

Ich versuche den Anderen in seiner Entscheidung zu verstehen, aber von der Gegenseite stoße ich meistens auf Unverständnis. Da werde ich oft in eine Schublade gesteckt, obwohl ich versuche es bei den anderen nicht zu machen. Da kommen dann Wörter wie "Nazi" oder "Rassist" und das finde ich auf gewisse Weise diskriminierend. Wenn jemand nicht einmal versucht mich zu verstehen, dann denke ich mir auch: Das, warum du zu mir sagst, warum ich nicht Hofer wählen soll—nämlich, dass er zu radikal ist—das wendest du gerade bei mir an. Dieses Verhalten stößt dann bei mir auf Unverständnis.

Ich habe mich für das "geringere Übel" entscheiden müssen—und das ist für mich halt der Hofer.

In der Arbeit beschränke ich mich deshalb darauf, nur mit Kollegen über dieses Thema zu sprechen, die auch Hofer wählen oder die zumindest versuchen, meine Entscheidung zu verstehen. Im Gesamten halte ich mich schon sehr zurück und versuche nicht zu viel über Politik zu reden, obwohl ich das eigentlich gerne tue.

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Vor ein paar Wochen hatte ich eine hitzige Diskussion mit einem Freund, der Van der Bellen wählt. Ich kann mir vorstellen, dass er mit unseren Freunden, die auch Van der Bellen wählen, über mich spricht.

Lukas, 22, Wien

Meine Familie und mein Umfeld wählen recht heterogen. Einer meiner engeren Freunde wird zum Beispiel für Van der Bellen stimmen—natürlich kam es da in der Vergangenheit auch schon zu teils hitzigen Diskussionen.

Ich will allerdings niemanden missionieren, deswegen ist die Stimmung insgesamt eher gesetzt. Ich versteh mich also noch mit jedem. Auf der Uni ist meine Entscheidung sowieso kaum Thema—und wenn, ist das recht schnell wieder vom Tisch. Am Wichtigsten ist für mich, dass man überhaupt von seinem Wahlrecht gebrauch macht.

Man muss dazu auch sagen, dass ich weder Hofer noch Van der Bellen für einen wirklich geeigneten Präsidentschaftsanwärter halte. Mein eigentlicher Wunschkandidat hat es damals nicht in die Stichwahl geschafft, und so habe ich mich jetzt für das "geringere Übel" entscheiden müssen; und das ist für mich halt der Hofer.

Angst vor Streitereien hab ich keine—wenn jemand sachlich mit mir über Politik diskutieren will, mach ich das gern—ich steh ja auch sehr offen zu meiner Wahlentscheidung. Da ich keine extreme Position vertrete und recht pragmatisch bin, ist meine Entscheidung für viele am Ende auch nachvollziehbar—so wie auch ich gleichzeitig die Leute verstehen kann, die Hofers Meinung nicht vertreten wollen.

*die Namen wurden auf Wunsch geändert