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Menschen sind mir egal, aber Hundefilme bringen mich jedes Mal zum Weinen

„Hachiko“, „Marley & Ich“, „Alle Hunde kommen in den Himmel“—passend zum Welthundetag habe ich mir zehn Stunden lang das Herz brechen lassen.

Illustration: Ingrid Linnéa Arnsand Jonsson

Eigentlich sollte jeder Tag Welthundetag sein. Katzen sind so scheiße, dass man sie schon fast wieder gut finden muss, Pferde sind schön und man fühlt sich ziemlich badassmäßig, wenn man mit ihnen über irgendwas drüberspringt, aber Hunde, Hunde sind einfach nur super. Entgegen ihrer omnipotenten Großartigkeit haben explizite Hundefilme allerdings oftmals einen ziemlich depressiven Grundtenor. Wenn es süß ist und wedelt, stirbt es meistens. Und ich weine. Dieses Phänomen begleitet mich bereits seit meiner Kindheit und scheint mit zunehmendem Alter nur noch schlimmer zu werden.

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Ihr könnt euch jetzt aussuchen, ob es also eine Art Schocktherapie ist oder meine Kollegen mich einfach gerne am Rand des emotionalen Zusammenbruchs sehen, aber: Wir haben nach eingehender Recherche die fünf traurigsten Hundefilme aller Zeiten zusammengestellt und ich habe sie mir alle angeguckt. Am Stück. Ohne Taschentücher und Kompressionsstrümpfe, dafür mit jeder Menge Geschluchze und gefährlich vielen Zugriffen auf die Internetseite des örtlichen Tierheims. Los geht’s.

Solltet ihr keine Kindheit gehabt oder der Gesellschaft in den letzten 25 Jahren den Rücken gekehrt haben, um in einer Baumkrone zu leben: Der folgende Text enthält Spoiler.

MARLEY & ICH

Ich bin immer davon ausgegangen, dass Marley & Ich eine platte Komödie mit 08/15-Happy-End ist. Dementsprechend war ich ziemlich überrascht, als mir mehrere Leute glaubhaft versichert haben, dass sie am Schluss Rotz und Wasser heulen mussten. Trotzdem, dachte ich mir: Ein Film mit Owen Wilson und Jennifer Aniston, der einen zu Tränen rührt? Come on! Schließlich brauche ich etwas Leichtes, Anspruchsloses zum Einstieg. Es ist neun Uhr morgens, der Kaffee gerade erst durchgelaufen, und ich trage nicht einmal eine Hose (ich würde den ganzen Tag keine Hose tragen, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht).

Owen und Jennifer sind zwei Journalisten, die in Florida leben, für die Journalismusbranche anscheinend absurd viel Geld verdienen und sich noch nicht ganz sicher sind, ob sie ihre blonde Vorzeige-Ehe wirklich mit einem Kind krönen wollen. Deswegen kaufen sie sich einen Labrador-Welpen namens Marley, der aus nicht näher erläuterten Gründen viel billiger ist als die anderen Hundebabys. Einerseits ist er so süß, dass man ihn fressen möchte, andererseits aber auch so abstrus unerzogen und nervig, dass man ihn innerhalb kürzester Zeit ein bisschen hasst. Über lange Strecken des Films scheint absolut nichts zu passieren. Daher beschließe ich, mir die Nägel zu lackieren. Im Bett. Wie eine Lady.

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*nachgestellte Szene. Es geht euch gar nichts an, wie mein Bett aussieht.

Als ich bei der zweiten Lage Lack angekommen bin, zieht die Handlung plötzlich an. Das Paar, mittlerweile reich mit Kindern gesegnet, gerät sich immer häufiger in die Haare. Marley ist älter, wirkt beinahe gebrechlich und hört plötzlich aufs Wort. Meine Augen werden feucht und ich fühle mich an meinen kranken Dackel erinnert. Ist das Ende nah? Die Vorzeichen verdichten sich. Vom sonnigen Florida geht es ins verregnete Chicago. Während mein linkes Bein taub wird, weil ich mich zu lange nicht bewegt habe, geschieht das Unvermeidliche: Marley ist zu alt, er hat Probleme mit dem Magen, er stirbt. Ich setze mich ruckhaft auf und verkippe dabei beinahe die offene Nagellackflasche neben mir. Als bei der Beerdigung im heimischen Garten der Satz „Wiedersehen, Sonderangebot“ fällt, ist alles aus. Tränen fluten mein Gesicht, während ich wortlos auf den Bildschirm starre. Eines der Kinder von Owen schluchzt angestrengt und reibt sich die Augen mit seinen kleinen dreckigen Händen. Mein Schmerz übersteigt den seinen bei Weitem.

Fazit: Eine Tasse Kaffee, verschmierter Nagellack, einige tierschutzrechtlich gesehen schwierige Szenen zur Mitte des Films und die Überreste der Mascara von gestern unter meinen Augen.

ZURÜCK NACH HAUSE—DIE UNGLAUBLICHE REISE

Keine Lust mehr auf menschliche Probleme, mehr Tiere! Zurück nach Hause ist ein Film, den ich als Kind unglaublich traurig fand—warum weiß ich aber nicht mehr so richtig. Wahrscheinlich stirbt einer der Hunde, oder die Katze. Wahrscheinlich der Golden Retriever Shadow, denn er ist sehr alt und hat die Synchronstimme eines weisen Whiskeytrinkers kurz vor der Leberzirrhose.

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Die flauschigen Vierbeiner gehören drei sehr unsympathischen Kindern, die mit ihren Eltern nach San Francisco gehen und deswegen ihre Haustiere bei einer Bekannten zurücklassen. Unter der Leitung von Shadow versucht die Gruppe durch die Sierra Nevada zu ihren Herrchen zurückzufinden. Doch obwohl ich nach Marley sehr nah am Wasser gebaut bin und mir die Tränen gekommen sind, als ich festgestellt habe, dass der Kaffee alle ist, rührt sich in mir nichts. Ich beschließe, mir Bratkartoffeln zu machen und schleppe den Laptop in die Küche.

Das Fett zischt und spritzt, während Boxer Chance gegen einen Puma kämpft und Katze Sassy fast in einem reißenden Fluss ertrinkt, aber ich bin rechtzeitig zurück im Bett, um den ganz großen Storytwist nicht zu verpassen: Die Tiere werden von … Polizisten oder so, es ist nicht ganz klar, aufgegriffen und festgehalten, während die dazugehörige Familie alarmiert wird. Die große Wiedervereinigung steht also kurz bevor, als die Tiere, traumatisiert durch Chances Tierheimgeschichten, ausbrechen. „Oh nein!“, sollte ich denken. Stattdessen pople ich an einer Rasierschnittwunde am rechten Schienbein herum und fühle nichts. Diese Fertig-Bratkartoffeln sind gar nicht mal so geil.

Schließlich kommt die Szene, die mir als Kleinkind die Tränen in die Augen getrieben hat. Shadow fällt in einem stillgelegten Bahnhof in ein Erdloch. Sein Bein ist verletzt, er ist alt, er wird es nicht schaffen. Mit gebrochener Stimme brummelt er: „Du hast sehr viel gelernt, Chance. Jetzt musst du nur noch lernen, Lebewohl zu sagen.“ Schnitt. Traurige Kinder in Großaufnahme. Werden sie den Verlust ihrer geliebten Haustiere jemals verwinden? Ich bin bereit, unendlich viele Tränen zu vergießen, als nach und nach Chance, Sassy und—beinahe bin ich enttäuscht—Shadow am Horizont auftauchen. Gerade noch dachte ich, dass der junge Peter exakt dieselbe Haarfarbe hat wie sein Golden Retriever, da ist der Film auch schon vorbei. Ich habe das Gefühl, meine Zeit verschwendet zu haben.

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Fazit: Fertig-Bratkartoffeln, schlechte Off-Sprecher und eine Flasche Cola, die ich in meiner Tasche gefunden habe. Keine einzige Träne.

HACHIKO—EINE WUNDERBARE FREUNDSCHAFT

Nachdem der vorherige Film emotional etwas flach ausgefallen ist, entscheide ich mich, jetzt die richtig schweren Geschütze aufzufahren. Der Zeitpunkt für Hachiko—eine wunderbare Freundschaft ist gekommen. Es ist mittlerweile 13:30 Uhr und ich beginne erstmals darüber nachzudenken, ab welchem Zeitpunkt man Gefahr läuft, sich wund zu liegen. Vorsichtshalber ziehe ich mit meinem Laptop an den Wohnzimmertisch um und werde Zeuge, wie Richard Gere den süßesten Welpen aller Zeiten an einem Bahnhof findet. Alles ist wahnsinnig herzerwärmend und ich lächle wie eine wahnsinnige Grundschulpädagogin.

Hachiko begleitet sein Herrchen jeden Tag zum Zug und holt ihn dort auch wieder ab. Ich liebe sein festes, pelziges Gesicht und weiß schon jetzt, dass irgendetwas Furchtbares passieren wird. Atemlos löffle ich meinen Joghurt, während sich das ganz große Unglück anbahnt. Der Hund wird unruhig—ich glaube er merkt, dass mit seinem Besitzer irgendetwas nicht in Ordnung ist. Kurze Zeit später ist Richard Gere TOT. Ich rutsche mit irrem Blick auf dem Stuhl hin und her und versuche, nicht komplett die Fassung zu verlieren, als Hachiko stunden-, tagelang am Bahnhof auf sein verstorbenes Herrchen wartet.

„Du musst nicht mehr warten. Er kommt nicht zurück“, flüstert ihm eine Frau zu und irgendwo ganz hinten aus meiner Kehle kommt ein helles, quiekendes Geräusch. Der treue Hund flüchtet aus seinem neuen Zuhause und begibt sich zurück zum Bahnhof, während die Aktivität meiner Tränendrüsen Assoziationen zu Waterboarding weckt. Es ist 15 Uhr und mein Herz ist gebrochen. Was, wenn Hunde das Konzept des Todes wirklich nicht verstehen und denken, wir haben sie einfach zurückgelassen und sie müssen auf uns warten? Als die melancholische Klimpermusik schließlich endgültig verklingt, bin auch ich am Ende.

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Fazit: Joghurt auf dem Teppich und das starke Bedürfnis, alle Hunde auf der ganzen Welt adoptieren zu wollen. Mehr getrocknete Tränen im Gesicht als nach einer Emo-Bukakke-Party.

RED DOG

Zwei Filme habe ich noch auf meiner Liste und so sehr ich Hunde (und Tage ohne Hosenzwang) liebe, langsam wird es doch ein bisschen anstrengend. So anstrengend, dass ich mich frischgeduscht und mit einer Flasche Bier aus dem Eisfach zurück ins Bett begebe. Einer meiner Kollegen hat mir Red Dog mit den Worten „meine Freundin hat geweint“ wärmstens empfohlen. Nachdem ich bei Hachiko emotional komplett ausgeblutet bin, weiß ich allerdings nicht, wie viel Flüssigkeitsverlust mein Körper noch ertragen kann.

Mit schnellen Schnitten, abstrusen Dialogen und überzeichneten Charakteren wird die Geschichte eines Bergarbeiter-Dorfs erzählt, das einen liebenswerten Streuner bei sich aufnimmt. Nach kürzester Zeit wird mir klar, dass es sich hier nicht um ein herzergreifendes Hundedrama, sondern eine artsy erzählte Geschichte aus dem australischen Hinterland handelt. Da ich meine Beine aber sowieso nicht mehr spüren kann und der bisherige Herzschmerz-Marathon meinen Lebenswillen zu einem müde flackernden Teelicht gedämpft hat, bleibe ich einfach liegen.

Wir haben meinen inneren Gemütszustand mit dem Redaktionshund nachgestellt.

Gegen 17 Uhr werden meine verquollenen Augen dann aber doch feucht. Nachdem Red Dogs inoffizielles Herrchen John stirbt, begibt sich der traurige Hund auf Wanderschaft, um dann doch wieder zum Grab seines Lieblingsmenschen zurückzukehren. Als Johns Exfrau sich zu dem rotbraunen Streuner hinabbeugt und flüstert „Hier darfst du bleiben, hier ist es gut“, setzt klimpernde Musik ein und ich vergrabe mein Gesicht in den Kissen. Anscheinend sind tote Menschen und lebende Hunde mein ultimativer Tränen-Trigger. Würde ich das Salzwasser von meinem Gesicht abschaben, wäre ich dazu in der Lage, fünf Portionen Nudeln zu kochen.

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Fazit: Ein mehrfach eingeschlafenes linkes Bein, eine Flasche Bier und ein Emotions-Rebound aus dem Nichts.

CHARLIE—ALLE HUNDE KOMMEN IN DEN HIMMEL

Der letzte Film ist eigentlich reine Formsache. Ich habe Charlie—Alle Hunde kommen in den Himmel schon gefühlte hundert Mal gesehen—zuletzt mit einem Bekannten, gegen acht Uhr morgens, nach einer alkoholschwangeren Clubnacht. Er hat ihn nicht verstanden und ich habe geheult wie ein Schlosshund. Die Geschichte von Charlie, dem deutschen Schäferhund, der im kriminellen Untergrund von New Orleans unterwegs ist, bis er ein kleines Mädchen namens Anne-Marie aufnimmt, ist vom Tränenfaktor her das Hundefilm-Äquivalent zu Requiem For A Dream.

Mit der absoluten Gewissheit, den Marathon mit einem emotionalen Zusammenbruch ausklingen zu lassen, öffne ich also eine weitere Flasche Bier und verändere meine Position zwischen den Laken. Es ist mittlerweile 19 Uhr und ich befinde mich in diesem unbestimmten Stadium zwischen temporärem Wachkoma und eingebildetem Rheuma, in das einen nur stundenlanger Fernsehkonsum befördern kann. Mit entgeistigtem Gesichtsausdruck summe ich die verschiedenen Lieder über Traurigkeit und die Hoffnung auf bessere Zeiten mit, während ich immer wieder tiefe Schlucke aus meiner Flasche nehme.

Mehrfach springt Charlie, der Held meiner Kindheit, dem Tod von der Schippe, bis es schließlich doch kein Entkommen für ihn gibt. Mit letzter Kraft rettet er das kleine Mädchen vor dem sicheren Tod, dann stirbt er. Allein das ist schon Anlass genug, hektisch zu schlucken und ernsthaft darüber nachzudenken, den Schnaps aus dem Eisfach zu holen, als die wirkliche Herzfick-Szene des Films kommt. Als Charlie als Geist das Waisen-Mädchen ein letztes Mal besucht, ist alles vorbei.

Mein Körper wird eins mit der Decke, meine Tränen zu lauwarmem Bier, mein Herz ist nur noch ein vekrampfter Klumpen Fleisch inmitten von überreizten Neuronen und ich zerfließe in allgemeiner Traurigkeit. Unfähig, Sinn machende Metaphern für meinen emotionalen Zustand zu finden, schwanke ich zu meinem Laptop und klappe ihn zu. Auf den Ausbruch folgt die große Taubheit. Ich bin ein gebrochener Mensch. Morgen, denke ich so still bei mir, morgen fahre ich ins Tierheim und adoptiere alle Hunde.

Fazit: Innerlich tot und kurz davor, ein Tiermessi zu werden. Die Anschaffung eines Schäferhunds scheint unabwendbar.

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Foto-Credits Illustration: Mops 1 (DodosD | Wikimedia | CC BY-SA 3.0), Terrier (Pixabay | Public Domain), Mops 2 (ellie | Wikimedia | CC BY 2.0), Chihuaha (Alonso Javier Torres | Flickr | CC BY 2.0), dreckiger Welpe (Nikita Kravchuk | Flickr | CC BY 2.0), Rottweiler (Pixabay | Public Domain), Beagle (Tim Lloyd | Wikimedia | CC BY 2.0)