Popkultur

Die unheimliche 'Black Mirror'-Folge mit Miley Cyrus zeigt, wie wir Popstars kaputt machen

Die Folge erinnert an 'Hannah Montana', dann entwickelt sie sich zu einem dystopischen Albtraum. Doch das hat Macken.
Miley Cyrus als "Ashley O" neben der "Ashley Too"-Puppe
Bild: bereitgestellt von Netflix 

Warnung: Dieser Artikel enthält Spoiler!

Miley Cyrus weiß genau, wie das Business läuft. Immerhin ist sie quasi schon ihr ganzes Leben lang in der Musikindustrie unterwegs. Alles begann mit Hannah Montana, dann ging sie zum Twerken mit Robin Thicke über, nach einem Zwischenstopp zum gelösten Herumtollen vor Wasserfällen ist inzwischen wieder leicht verdaulicher Club-Pop angesagt. Die Konstante während all dieser Jahre: das Rampenlicht. Das neueste Kapitel in der Karriere von Cyrus ist die Hauptrolle in einer Folge der fünften Black Mirror-Staffel.

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In der Episode "Rachel, Jack und Ashley Too" spielt Cyrus das Pop-Sternchen Ashley O, die in figurbetontem Zweiteiler und pinkfarbener Perücke den Bubblegum-Look perfektioniert. Cyrus erinnert dabei an eine Mischung aus Katy Perry zu Teenage Dream-Zeiten und Ariana Grande vom Anfang dieses Jahrzehnts. Natürlich spielt Cyrus auch eine frühe Version von sich selbst, allein die Perücke sehen viele Fans als Throwback in alte Hannah Montana-Tage. Genauso wie Cyrus wird Ashley O als teenie-freundliche Identifikationsfigur berühmt, die so auch auf dem Cover der Bravo landen könnte.


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Aber Ashley O möchte neue Wege einschlagen und eigenes Material schreiben. Darauf hat ihre herrische Managerin – gleichzeitig ihre Tante und Adoptivmutter – aber keine Lust und zwingt sie weiter zu Heile-Welt-Songs, obwohl ihre psychische Gesundheit darunter leidet. Seelenloser Kommerz, grausame Manager und Ausbeuterverträge: Das kennt man aus anderen Filmen über Popstars, und eben auch aus der Realität. Die Sängerin JoJo musste sich zehn Jahre lang mit ihrem Label streiten, nachdem sie mit nur zwölf Jahren einen Vertrag unterzeichnet hatte. Dann ist da Kesha, die nicht aus ihrem Plattenvertrag mit dem Produzenten Dr. Luke rauskam, obwohl sie ihn wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung verklagte.

Alle Persönlichkeitsmerkmale von Ashley O, die nicht ins Bild passen, werden komplett unterdrückt, währenddessen treibt das Label ihr Image mit Merchandise und Musikalben weiter voran. Die Vorstellung, dass der Promi selbst zum Wegwerfprodukt wird, während seine Legende in Fanartikeln weiterlebt, ist nicht neu. Bei Black Mirror wird dieser Gedanke um dystopische Technik erweitert: Von ihrer Tante unter Druck gesetzt, bringt Ashley O einen KI-Roboter namens "Ashley Too" auf den Markt, der auf ihrem eigenen Gehirn-Scan basiert. Black Mirror-typisch beseitigt die Managerin ihren Schützling später, erschafft mithilfe von noch mehr Technologie aber weiter neue Ashley-O-Musik. Schließlich kommt noch das Hologramm "Ashley Eternal" ins Spiel, das bis in alle Ewigkeiten auf Tour gehen oder sogar in die Wohnzimmer der Fans projiziert werden kann.

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In dieser Folge beschäftigen sich die Macher von Black Mirror mit den ethischen Aspekten der Kommerzialisierung, gehen dabei aber nicht wirklich weiter auf die Ausbeutung von Popstars ein. Der nervige Roboter mit seinem Apple-artigen Design und seiner pinkfarbenen Perücke nimmt ungefähr die Hälfte der Folge ein, steht sinnbildlich für die Fan-Star-Beziehung – und ist gar nicht mal so spannend. Das Ashley-Hologramm funktioniert dann zwar als lukrativer Konzert-Ersatz, zeigt aber nicht auf, was einen Popstar wirklich "unsterblich" macht – und verhindert zudem eine größere Diskussion über die (fehlende) Menschlichkeit in unserer Promi-Kultur.

Zwar ist Imagepflege für Stars essenziell, heutzutage müssen sie sich aber nicht unbedingt ihren Fans anbiedern, um erfolgreich zu bleiben. Inzwischen hängt die Langlebigkeit im Rampenlicht eher davon ab, Phasen durchzumachen und die eigene Kunst neu zu erfinden: Lady Gaga wurde als exzentrisches "Mother Monster" berühmt, ist seit A Star is Born nun aber mit natürlicherem Look unterwegs; Britney Spears entwickelte sich vom unschuldigen Popsternchen über glatzköpfige Umwege zum Las-Vegas-Aushängeschild; Beyoncé fing bei Destiny's Child in Cowboyhut und Tarnmuster an und hat sich seitdem unzählige Male gewandelt. All diese Musikerinnen haben gewisse Elemente ihrer Marke erhalten, aber es dabei immer wieder geschafft, sich den Trends anzupassen – oder sie selbst vorzugeben.

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Was in der Black Mirror-Episode nicht angesprochen wird: Wenn sich Stars nicht öffentlichkeitswirksam verändern, nimmt jemand anderes ihren Platz ein. Und in einer Welt, in der jegliches Drama Schlagzeilen macht, ist eine erfolgreiche Veränderung leider nicht der einzige Weg, um Publicity zu generieren. Berühmt werden und bleiben, kann man genauso gut mit schlechten Entscheidungen wie mit guten. Wenn Popstars im Rampenlicht taumeln oder in Tragödien verwickelt sind, erzeugt das viel Aufmerksamkeit: Ariana Grandes erfolgreiches Album Sweetener wird man für immer mit dem Terroranschlag in Manchester und dem Tod von Mac Miller verbinden.

Auch Miley Cyrus hat sich im Laufe ihrer Karriere öfter neu erfunden. Sie fing als kindgerechter Disney-Star an und schwang sich später nackt auf Abrissbirnen durch die Gegend. Zwar gab es da in den Reihen ihrer alten Fans einen Aufschrei, aber dank ihrer Selbstsicherheit und der positiven wie negativen Publicity schaffte es Cyrus, ihr teenie-freundliches Image abzulegen und sich eine größere Fanbase zu erschließen.

Ashley Os Managerin scheint zwar zu verstehen, dass auch ein Absturz sich gut verkaufen kann, doch scheint in der Black Mirror-Folge niemand einzusehen, dass ein Spielzeugroboter und ein Hologramm da nicht die richtige Antwort sind. Popstars sind schon jetzt so etwas wie käufliche Ware. Dramen und Skandale sind viel unterhaltsamer als ein vorhersehbarer Karriereverlauf, weil wir diese Menschen immer mehr als Entertainment und eben nicht als Menschen ansehen.

Unterm Strich zeigt Black Mirror mit einer Folge über die negativen Seiten des Musikgeschäfts, wie Popstars für ihr Image wie Marionetten gespielt werden. Insgesamt schaffen es die Serienmacher allerdings nicht ganz, das wahre Wesen der Starkultur einzufangen – genauso wenig wie ein Hologramm auf der Bühne einen echten Menschen ersetzt.

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