Alle Fotos von Christopher GlanzlWenn du in Österreich aufgewachsen bist, dich halbwegs für Sport begeistern kannst und nicht unter einem Stein lebst, dann dürfest du mitbekommen haben, dass es in diesem Land verdammt viele kroatische Fußballfans gibt. Wundern sollte das eigentlich keinen, immerhin sind die beiden Nationen durch eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte und etwa 100.000 Austro-Kroaten und -Kroatinnen fest miteinander verbunden.
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Die österreichisch-kroatische Fußball-Connection im Speziellen besteht mindestens, seitdem ich denken kann: Ivicá Vastic, ein in Kroatien geborener Österreicher, stieg in meiner Kindheit zum großen Fußball-Helden auf – in meiner Volksschule hatten im Turnunterricht mehr Kinder seinen Namen auf den Trikots als den von Toni Polster. Und wann immer wir nachmittags kicken gingen, gab es mindestens einen Spieler in einem rot-weiß-karierten Shirt, der seine Gegner schwindlig gespielt hat. Fußballbegeisterte Kroaten und Kroatinnen gehören zu Österreich wie Wiener Schnitzel oder schlechte Witze über nicht existente Kängurus.
Das Epizentrum der kroatischen Fußball-Liebe ist in Wien traditionell die Ottakringer Straße an der Grenze vom 16. zum 17. Bezirk. Am Abend, an dem die kroatische National-Elf bei der aktuellen WM gegen Vize-Weltmeister Argentinien spielt, scheint dort so ziemlich jedes einzelne Lokal das Spiel zu übertragen: Die Mehrheit der Fußgänger trägt kroatische Trikots, Leute hängen kroatische Flaggen vor die Eingänge ihrer Bars, Gruppen singen kroatische Lieder, sogar die verdammten Autos haben auf den Motorhauben und Seitenspiegeln schicke Überzüge im kroatischen Schachbrett-Muster.Eine Bar stellt an diesem Abend aber alles in den Schatten: Das Styxx auf der Ottakringer Straße platzt schon eine halbe Stunde vor Spielbeginn aus allen Nähten. Selbst am Gehsteig vor dem Lokal ist fast kein Platz mehr. Drinnen fällst du eher auf, wenn du nicht in den Nationalfarben eingekleidet bist als umgekehrt. Das Spiel wird selbstverständlich mit kroatischen Kommentar übertragen. Die Stimmung ist beim Anpfiff deutlich angespannt. Man merkt den Fans an, dass dieses Spiel für sie keine Per-Gaudi-Veranstaltung ist: Die kroatische Elf ist nach Russland gereist, um Weltmeister zu werden – und sie hat tatsächlich auch die Klasse dazu.
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Am Ende watscht die kroatische Mannschaft den Vizeweltmeister mit 3:0 vom Platz – und fünf Minuten nach dem Abpfiff herrscht auf der Ottakringer Straße Ausnahmezustand: Die Fans strömen aus den Bars, Leute zünden bengalische Feuer an, Autokorsos hupen und die Menge singt, als ginge es um ihr Leben. Ein wildfremder Typ umarmt mich, ein anderer Fan schüttet sich gepflegt einen halben Liter Bier über den Schädel. Die Ottakringer Straße enttäuscht nicht, wenn Kroatien gewinnt.