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Verbrechen

Alles, was wir über den Knastaufenthalt von Arafat Abou-Chaker wissen

Zum Beispiel: Wer in der JVA auf ihn wartet.
Arafat Abou-Chaker in einer JVA
Abou-Chaker: imago | Olaf Wagner || JVA Moabit: imago | Rolf Kremming || Montage: VICE

Wenn´s kommt, dann kommt´s dicke: Arafat Abou-Chaker wurde am Dienstag nicht nur zum ersten Mal in seinem Leben verurteilt (zu zehn Monaten auf Bewährung, weil er einen Hausmeister angegriffen hatte), sondern nach der Urteilsverkündung auch gleich verhaftet.

Abou-Chaker gilt in den Medien schon seit Jahren als "Clan-Chef" und Schlüsselfigur der organisierten Kriminalität in Berlin; Mitgliedern seiner Familie wurden Schutzgelderpressungen, Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Raubüberfälle und Zuhälterei vorgeworfen. Trotzdem führte keines der insgesamt 33 Verfahren, die die Strafverfolgungsbehörden laut Bild bisher gegen ihn geführt hatten, zu einer Verurteilung.

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Umso größer ist jetzt die Genugtuung, die viele Beobachter über seine Verhaftung empfinden. "Eine gute Nachricht und ein starkes Signal an die organisierte Kriminalität und Clankriminalität", freute der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber sich auf Twitter, der Berliner Sprecher der Gewerkschaft der Polizei nannte es "ein wichtiges Zeichen unseres Rechtsstaates, dass Arafat Abou-Chaker den Gerichtssaal mal ohne ein Lächeln auf den Lippen verlässt."


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Aber was passiert jetzt als nächstes? Wir haben zusammengetragen, was bisher über den Fall bekannt ist.

Wieso er verhaftet wurde

Die Staatsanwaltschaft wirft Abou-Chaker Verabredung zu Verbrechen vor, und zwar eine ganze Reihe, die sich ziemlich hässlich liest: Kindesentführung, Anstiftung zur Entziehung Minderjähriger, schwere Körperverletzung, räuberische Erpressung und erpresserischer Menschenraub. Konkret: Abou-Chaker soll geplant haben, die Kinder seines ehemaligen Geschäftspartners Bushido zu entführen, mit dem er sich im vergangenen März verkracht hatte.

Wie die Staatsanwaltschaft auf diese Idee kommt? Das geht offenbar auf die Frau seines jüngeren Bruders Yasser zurück, die sich im Herbst von ihrem Mann getrennt und mit ihren Kindern nach Dänemark abgesetzt haben soll, wie die Bild berichtet. Yasser und Arafat hätten die Kinder daraufhin aus Dänemark zurückgeholt – das soll die Kindesentziehung sein, die ihm jetzt vorgeworfen wird.

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Yassers Frau wandte sich daraufhin an die Behörden, bekam die Kinder zurück – und erzählte offenbar, Arafat habe außerdem in Dänemark versucht, Verwandte zu rekrutieren, um für ihn einen "einen Anschlag oder einen Entführungsplan" gegen Bushidos Familie auszuführen. Dass er verhaftet wurde, liegt wohl vor allem an dieser Aussage.

Die Staatsanwaltschaft hat Abou-Chaker noch im Gerichtssaal verhaftet, weil "Flucht- und Verdunkelungsgefahr" bestehe. Verdunkelungsgefahr bedeutet, dass jemand versuchen könnte, die Spuren eines Verbrechens zu verwischen – indem er zum Beispiel Zeugen beeinflusst, damit sie ihre Aussagen zurückziehen. In einigen der früheren Verfahren gegen Abou-Chaker soll es immer mal wieder vorgekommen sein, dass wichtige Zeugen überraschend nicht mehr oder anders aussagten, schreibt zum Beispiel der Tagesspiegel.

Wie lange er jetzt drinbleiben kann

Grundsätzlich darf in Deutschland niemand länger als sechs Monate in Untersuchungshaft sitzen. Diese Frist kann das Oberlandesgericht allerdings verlängern, wenn "besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen".

Das passiert gar nicht so selten – und in diesem Fall wäre es auch nicht völlig unwahrscheinlich, dass die Behörden alles versuchen, um Abou-Chaker auch dann noch drinnen zu halten, wenn nach sechs Monaten immer noch kein Urteil gefällt wurde. Die Verdunkelungsgefahr zum Beispiel könnte da ein wichtiger Faktor sein. Wenn er Pech hat, könnte Abou-Chaker also bis zu einem Jahr in U-Haft sitzen. Es gibt sogar einige (wenige) Fälle, in denen Angeklagte noch länger saßen.

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Warum er im Knast geschützt wird

Laut der Bild gelten für Abou-Chaker im Knast "erhöhte Sicherheitsmaßnahmen" – und zwar, weil er so viele Feinde habe. In seinem neuen Zuhause, der JVA Moabit, sitzen zur Zeit zum Beispiel auch mehrere Mitglieder der Remmo-Familie, mit der Abou-Chaker in letzter Zeit mehrmals aneinandergeraten war – ein Remmo wird verdächtigt, hinter den Schüssen auf Arafats Restaurant in Treptow zu stecken. Dazu kommt noch, dass sein ehemaliger Freund und Geschäftspartner Bushido ganz öffentlich damit prahlt, jetzt mit der Familie Remmo "verbündet" zu sein.

Auch mit einer weiteren wichtigen Großfamilie, den Al-Zeins, soll Abou-Chaker aktuell "zerstritten" sein, genauso wie mit seinen alten Freunde von den Hells Angels. Die Bild behauptet deshalb, von Arafat Abou-Chakers "ehemals großen Netzwerk" seien jetzt nur mehr seine Brüder übrig.

Das muss trotzdem nicht unbedingt heißen, dass er in Gefahr ist. Aber wenn es um Abou-Chaker geht, drehen die Berliner Sicherheitsbehörden offenbar gerne ein bisschen mehr auf.

Aber!

Aber auch wenn es gerade so aussieht, als hätte sich alles gegen Abou-Chaker verschworen: Er hat trotzdem noch sehr gute Anwälte, die alles tun werden, um ihn schnellstmöglich wieder aus dem Knast zu holen. Es ist also genauso möglich, dass Arafat bald wieder auf freiem Fuß ist.

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