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Sex

Die neuen 'Bachelor'-Kandidatinnen sind noch langweiliger als dein Tinder-Date

Entweder wird die aktuelle Staffel der RTL-Show ein absolutes Schnarchfest – oder das ehrlichste Dating-Format seit langem.
Der Bachelor vor den 20 Frauen, die auf RTL um sein Herz kämpfen
Collage: VICE || Hintergrund: MG RTL D || Bachelor: MG RTL D | Arya Shirazi

Trash-TV lebt von extremen Charakteren. Egal, ob es sich um Halbprominente handelt, die zwei Wochen im nachgebauten Dschungelset ausharren und mit pflichtschuldig angeekeltem Gesichtsausdruck Insekten deepthroaten müssen, oder um Fitnesstrainer und Kosmetikerinnen wie du und ich, die in fragwürdigen Dating-Formaten nach der Liebe ihres Lebens suchen. Formate wie Der Bachelor werden nicht geguckt, weil irgendeiner vor dem Bildschirm wirklich glaubt, hier Zeugin oder Zeuge echter romantischer Momente für die Ewigkeit zu werden. Wir warten darauf, dass Z-Promis in spe sich gegenseitig Sponsoren-Champagner und -Sahnelikör ins aufwendig gestylte Antlitz kippen.

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Das Highlight eines oder einer jeden Trash-Begeisterten ist es daher, wenn die Bachelor-Kandidatinnen offengelegt werden. Anhand von kurzen Vorstellungsvideos und Begleittexten lässt sich wunderbar spekulieren, wer sich bei der ersten Nacht der Rosen komplett abschießen wird, wer versuchen wird, lächerlich durchschaubare Intrigen gegen die Konkurrenz zu schmieden, und wer am Schluss die letzte Schnittblume in die Hand gedrückt bekommt – um kurz darauf dann doch wieder Single zu sein.

Wenn uns die letzten Jahre Bachelor und Bachelorette eines gezeigt haben, dann das: Fernsehliebe zerbricht, wenn es kein Script mehr gibt. Genießen wir die emotionale Achterbahnfahrt also, solange sie anhält.


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Das Problem für die 2019er Staffel von Der Bachelor ist nur: Was wir bisher von den Kandidatinnen zu sehen bekommen haben, ist so verdammt langweilig, dass wir selbst um das franchisetypische Drama betrogen werden könnten.

20 Frauen zwischen Anfang 20 und Anfang 30 kämpfen in Mexiko um das Herz von Bachelor Andrej Mangold. Der 31-Jährige ist Basketballprofi und zumindest rein optisch eine angenehme Abwechslung zum klassischen Bachelor-Schmierfrisur-Typ. Bei den Damen gibt es visuell allerdings keine Überraschung. Alle sind schlank bis sehr schlank und entsprechen exakt dem, was in unserer westlichen Gesellschaft als "attraktiv" wahrgenommen wird – inklusive dem von RTL aufgedrückten Stempel "exotisch" für all jene, deren Haut oder Haare ein bisschen dunkler sind.

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Und auch bei dem, was die 20 Frauen für ihre Vorstellungsvideos in die Kamera sprechen, herrscht größtenteils Einigkeit. Ehrlich sollte der Traummann sein und Humor sollte er haben. Auf äußerliche Wunschmerkmale ihrer potenziell besseren Hälfte will sich keine festlegen, dafür sind sich die Kandidatinnen ziemlich sicher, dass ihre jeweiligen Sternzeichen einiges über ihren Charakter aussagen.

In Sachen Hobbys einigen sich die Kandidatinnen nahezu geschlossen auf Sport und Reisen. REISEN! Als gäbe es irgendeine Person, die nicht gerne an Traumstränden abhängt oder ganz allgemein Orte erschließt, die ein bisschen reizvoller sind als die Fußgängerzone von Gelsenkirchen daheim.

Zu sagen, dass man gerne reist, ist ähnlich individuell, wie damit herauszuplatzen, dass man gerne gut isst. Oder am Wochenende auch mal ein bisschen länger schläft.

Kandidatin Ernestine, 26, aus München, ist sich nicht zu blöd dafür, große Teile ihres Vorstellungsvideos dieser wirklich wahnsinnig ausgeflippten Aktivität zu widmen und sich in Wandtattoosprüchen zu ergehen. Sie sei da "offen für alles", sagt sie mit geschürzten Lippen in die Kamera, bevor ihr Kopf wieder in die Default-Selfie-Position (Mund zu, halbes Lächeln, Gesicht halbschräg zur Kamera) zurückschnalzt. Dann schiebt sie nach: "Die Welt steht … offen. Ich setze mir da keine Grenzen."

13,50 Euro, dass dieser Satz bei der ersten Nacht der Rosen mindestens einmal fällt.

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Aber: Wer kann es ihr verdenken? Irgendwie muss man sich ja als Werbegesicht für Billigreise-Anbieter in Stellung bringen.

Nicht einmal die – ganz subjektiv betrachtet – unsympathischste Kandidatin Christina, 26, schafft es, genug Antipathie zu schüren. Und das, obwohl sie sich für eine "klassische Rollenverteilung" in der Partnerschaft ausspricht. Was bedeutet: Als Frau steht sie ganz selbstverständlich in der Küche. Die häuslichen Pflichten ihres Wunschpartners beschränken sich hingegen aufs Rasenmähen. Eine "männliche" Aktivität eben. Gerüchten zufolge soll die ehemalige Miss Norddeutschland bereits als Siegerin der Staffel feststehen.

Die Markenkooperationen dürften auf ihrer Instagram-Seite in Zukunft also noch deutlich zunehmen. Wer es im Jahr 2019 noch schafft, sich über Influencerinnen aufzuregen, sollte sich aber ganz generell von RTL-Formaten fernhalten.

Welche der 20 Frauen sollen sich aber nun vor laufenden Kameras bis aufs Blut fetzen, wenn das Kandidatinnenfeld zwischen "ehrlich sympathisch" und "bestimmt irgendwie OK" changiert?

Wen sollen wir hassen, wenn das Schlimmste, was sich über eine Kandidatin sagen lässt ist, dass man sehr ungerne mit ihr in der gleichen Whatsapp-Gruppe wäre?

Ist Lara aus Berlin wirklich die einzige Hoffnung auf zwischenfrauliche Eskalation bei Deutschlands erfolgreichstem Chauvi-Format? Die 27-Jährige stand 2012 nämlich bereits für eine andere Sendung vor der Kamera, in der junge Frauen gegeneinander aufgehetzt werden – beim Germany’s Next Topmodel-Abklatsch Das perfekte Model .

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Nach ihrem Ausscheiden veröffentlichte sie zusammen mit einer befreundeten Kandidatin einen Disstrack gegen ihre ehemaligen Mitstreiterinnen: "Miese kleine Braut". "Vielleicht schaffst du den Durchbruch im nächsten Dschungelcamp", spricht Lara da ausgesprochen unrhythmisch über einen anstrengenden Billo-Beat. Anschließend bezeichnet sie ihre namenlose Feindin als "Schlampe". Wer weiß, vielleicht kommt es in Mexiko zum ersten Rap-Battle der Bachelor-Geschichte.

Vielleicht, ganz vielleicht, sehen wir 2019 aber auch die erste Staffel von Der Bachelor, in der die Kandidatinnen mehr sind als das Abziehbild eines weiblichen Rollenklischees. Vielleicht wirken die Frauen in ihren Vorstellungsvideos so langweilig, weil die meisten Menschen eben ziemlich langweilig klingen, wenn sie für ein Millionenpublikum erklären müssen, was sie in ihrem Leben so machen. "Reisen" mag wie das naheliegendste "Hobby" der Welt klingen, ist aber immer noch energetischer als "Netflix" oder "200 Stunden vor der Playstation hängen, um 100 Prozent Completion bei einem Open-World-Game zu erreichen".

Vor allem aber spiegelt die diesjährige Bachelor-Besetzung die allgemeine Tristesse des Dating-Markts wieder. Alle sehen irgendwie gleich aus, alle erzählen irgendwie das Gleiche, und nach dem zehnten unerträglichen Smalltalk-Date ist immer noch niemand dabei, den oder die man auf Anhieb so scheiße findet, dass man sich nicht schlecht fühlt, wenn man anschließend die Nachrichten wegen eines zweiten Dates ignoriert.

Der Bachelor mit vergleichsweise langweiligen Durchschnittskandidatinnen statt überkandidelten Frauenklischees mag nicht der Stoff sein, aus dem gutes Trash-TV ist. Dafür ist es aber ehrlich. So ehrlich wie eine Kuppelshow im Privatfernsehen eben sein kann.

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