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Sex

Ich habe mein Onlinedating-Profil mittels Expertentipps gepimpt

Professionelle Dienste überarbeiten für bis zu 450 Euro dein Profil. Aber ich bin pleite und habe ihre Ratschläge geklaut. Hat trotzdem funktioniert.

Im Jahr 2016 kann man es sich kaum vorstellen, aber ich habe tatsächlich noch nie online gedatet. Ich fürchte den Tod der Romantik durch Tinder und Co. Anderseits: Ich bin seit drei Jahren Single und der einzige Mann, der in der Realität mit mir flirtet, ist Randjid aus dem Späti. Soll ich etwa weiterhin sonntags allein frühstücken, nur weil ich Oma nicht erzählen will, dass ich meinen Freund in "diesem Internet" kennengelernt habe?

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Ich beiße die Zähne zusammen und melde mich bei Lovoo, Finya und OkCupid an. Nur ein paar Stunden später sind allein in meinem Lovoo-Briefkasten 505 Benachrichtigungen, davon 231 Matches und 23 Nachrichten, Randjiid hat keine Chance mehr. Aber zu früh gefreut. Schnell kristallisieren sich einige Stereotype heraus:

1.Der Steroid-Adonis, der mit Oben-ohne-Selfies im Fitnessstudio oder Fotos von seinem Vehikel lockt und mich mit "HEY" anschreibt. Gar nicht mein Typ. Die Tribal-Tattoos machen's nicht besser.

2. Der ambitionierte Mann um die 30, der noch bei Mutti wohnt und sich mit einem vollständigen Lebenslauf bei mir bewirbt. Er trägt lindgrün karierte Hemden und zu viel Gel in den Haaren. Auf seinen Fotos findet man außerdem meistens Hunde. Vorzugsweise Terrier.

Alle Screenshots: Finya und Lovoo

3. Der Fotograf / Producer / DJ mit den Schwarz-weiß-Fotos. Er gibt sich urban und minimalistisch. Letzteres ist er leider aber auch bei seinen Nachrichten. Außerdem hat er schon ziemlich Fame und deshalb keine Zeit. Auch nicht dafür, mir zu antworten. Ein anderer ganz Kreativer schreibt mir leider so kreativ, dass ich nicht verstehe, was er will:

Außerdem gibt's Nachrichten von Menschen mit speziellen Vorlieben.

Oh, und dann noch der obligatorische Typ mit Dreier-Fantasien:

Außerdem gibt es Modelboys, die fast zu gut aussehen, um wahr zu sein. Aber von denen antwortet mir keiner. Allgemein bin ich mit dem Ergebnis insgesamt unzufrieden. Habe ich mich etwa präsentiert wie eine, die gerne mal mit Alfredo—38, Goldkettchenträger, lockiges Brustfell, tiefergelegter Honda—ausgehen möchte?

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Im Internet gibt es Experten, die für sehr viel Geld mein Profil überarbeiten. Profile Polish bietet an, mein Dating-Profil mittels Photoshop und Text-Make-Over zu pimpen. Der ganze Spaß kostet umgerechnet zwischen 160 und 350 Euro und scheint großen Anklang zu finden, denn die Lady ist dauernd ausgebucht. Bei Notjustokcupid liegen die Preise zwischen umgerechnet 45 Euro (dafür wählt eine "Expertin" deine Tinderbilder professionell aus und bearbeitet sie) und 180 Euro für die Komplettüberarbeitung. Bei Profilepimpers—dem selbsternannten Marktführer—kostet das Premiumpaket sogar 450 Euro. Für diese schlappe Summe generalüberholen Experten nicht nur deine Fotos, sondern auch deinen "Personal Style", suchen für dich Matches und beantworten für dich Nachrichten.

Diese Dienste sind aber erstens englischsprachig. Und zweitens habe ich keine 450 Euro. Dafür aber gesunden Menschenverstand und viel DIY-Spirit. Photoshop kann ich auch, und es dauert auch nicht lang, die Experten-Tipps aus dem Internet herauszusuchen. Die meisten ähneln sich sowieso.

Hier sind die Top-Tipps, zusammengeklaubt aus den Tiefen des Internets:

1. Stelle genug aktuelle Fotos von dir online, am besten fünf bis sieben
OK, schuldig. Ich hatte nur zwei. Dabei heißt es: Je mehr Fotos man hochlädt, desto mehr hat das Gegenüber das Gefühl, einen echten Menschen vor sich zu haben. Am besten nicht nur die perfekten, gut ausgeleuchteten Bilder nehmen, sondern welche, die dich in Aktion zeigen und als Gesprächsopener dienen.

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2. Lächeln!
Ich schmolle wohl zu oft auf meinen Profilbildern. Dabei hätte ich auch selbst keinen Bock, mit jemanden abzuhängen, der wie Sieben-Tage-Regenwetter daherkommt. Übrigens habe ich bei Profilepimpers gelesen: Der Erfolg von Datingprofilen soll zu 90 Prozent von Fotos abhängen.

3. Beschreibe dich detailliert
Bei diesem Tipp wurde mir mein Doppelstandard klar. Einerseits echauffiere ich mich über Kerle mit leeren Profilen, anderseits war ich selbst zu faul, etwas zu schreiben. Kein Wunder, dass man so zu einer perfekten, leeren Projektionsfläche für alle wird, von Muttersöhnchen zu Alfredo mit Honda. Als Frau mit einigermaßen okayen Bildern wird man auch mit einem völlig leeren Profil von sehr vielen Menschen angeschrieben. Aber dummerweise von den falschen.

4. Sei ehrlich in deiner Beschreibung
Auch das filtert die Menschen raus, die nicht zu einem passen—und gibt allen anderen einen Aufhänger, mir zu schreiben. Also gebe ich zu, dass ich kiffe und vegan lebe. Dann wird sich sicher der ein oder andere Steroid-Adonis überlegen, ob er mich anschreibt. Und sich vielleicht jemand melden, der Bock hat, mit mir eine vegane Pizza und einen Joint zu teilen.

5. Vervollständige dein verdammtes Profil so weit wie möglich
Ich gebe zu, die Fragen nerven oft. Man muss sich im Leben so oft selbst vermarkten, da will man sich nicht auch noch ums Knutschen bewerben. Anderseits gleicht meine Faulheit der Attitüde eines verwöhnten Teenagers: selbst alles blöd finden, aber sich nicht anstrengen wollen, damit es besser wird.

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6. Formuliere dein Profil so positiv wie möglich
Ergibt Sinn. Dein Profil ist sozusagen deine Online-Bewerbung für die Liebe. Da gilt dasselbe wie bei Punkt 2: Lächeln!

7. Stelle klar, was du genau suchst
Das habe ich ausnahmsweise wohl gut gemacht. Ich war von Anfang an deutlich, dass ich keine One-Night-Stands will. In einem Interview erzählte die Expertin hinter notjustokcupid, dass ihre Kundinnen, die angaben, auch an "casual sex" interessiert zu sein, fünf Mal so viele Nachrichten bekommen. Das ist ungefähr so, als ob man sich in eine Großraumdisco stellt mit einem "Bock auf Sex?"-Schild um den Hals, wenn man eigentlich selbst keinen Bock darauf hat.

Das war alles eigentlich ziemlich simpel. Aber tatsächlich hat sich E-Mail-Flut nach ein paar Tagen ausgedünnt—und ist dafür zielführender geworden. Nicht mehr ganz so viele "HEYS" von irgendwelchen Verirrten. Dafür mehr Nachrichten, bei denen ich tatsächlich Bock hatte zu antworten—weil sie darauf eingingen, was ich in meinen Profil geschrieben hatte.

Ich hatte das Gefühl, dass mein Profil sich danach durchdachter präsentierte, was die Alfredos mit den Goldkettchen gleich abgeschreckt hat und dafür einladender für Männer mit Grips und schönen Tattoos wurde. Es ist nervig, aber es lohnt sich, etwas Zeit in sein Onlineprofil zu stecken: Schließlich ist es die Bewerbung um die Liebe. Und zum ersten Date brezeln wir uns schließlich ja auch auf—im Internet sind die Fotos und Fragebögen eben unser Outfit.

Nach einer Woche habe ich mein erstes Date—mit einem hübschen Designstudenten, der mich auf meine Aussage angesprochen hat, dass ich die Bienen retten will. Sein Papa ist Imker. Jackpot. Das mit den Bienchen und Blümchen kann ja doch noch was werden. Wir verbringen den Abend im Park und gehen dann noch Sushi essen, wo wir so viel lachen, dass ich ständig aufpassen muss, mich nicht an einem Avocado-Maki zu verschlucken. Es läuft so gut, dass ich überlege, was ich Oma erzähle, wie wir uns kennengelernt haben. Nämlich im Tierschutzverein.