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Wie der Westen weltweit für weniger Demokratie sorgt

Weltweit geht es mit der Demokratie seit 2006 bergab, und der Westen ist schuld, sagt Dr. Brian Klaas. Wir haben ihn interviewt.

Foto von Henry Langston

In den USA treibt Donald Trump sein Unwesen, in Deutschland hat man die AfD und in Österreich die FPÖ. In Ungarn schwingt Premierminister Viktor Orbán xenophobe Reden, in der Türkei gab es den Putschversuch, in Afrika klammern sich Diktatoren wie Paul Kagame und Robert Mugabe jahrzehntelang an ihre Machtpositionen. Ein Blick auf die weltpolitische Lage zeigt, dass es um die Demokratie nicht gerade gut bestellt ist. Viele sehen darin nur temporäre Rückschläge, doch der Demokratie-Experte Dr. Brian Klaas, Autor des neuen Buchs The Despot's Accomplice, erkennt darin ein Muster.

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"Nach dem Fall der Sowjetunion expandierte die Demokratie in bisher unübertroffenem Maße", schreibt er im Vorwort des Buchs. "Heute ist die weltweite Demokratie seit 2006 Jahr für Jahr ein wenig zurückgegangen. In anderen Worten: Es hat im letzten Jahrzehnt keinen demokratischen Fortschritt gegeben."

In seinem Buch argumentiert Klaas, der Westen diene demokratiefeindlichen und regressiven Mächten als williger Komplize. "Westliche Regierungen in London, Paris, Brüssel und vor allem in Washington haben beim globalen Rückgang der Demokratie aktive Beihilfe geleistet", sagt er.

Während des Kalten Kriegs gehörten dazu Dinge wie der Sturz demokratisch gewählter Regierungen. Die CIA soll an der Ermordung des kongolesischen Unabhängigkeitspolitikers Patrice Lumumba und des demokratisch gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende beteiligt gewesen sein. Heute arbeiten nicht nur die USA, sondern auch andere westliche Mächte mit menschenrechtsfeindlichen Regimes wie dem saudischen Königshaus oder autoritären Figuren wie dem ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi.

Was können wir dagegen unternehmen? Wie kann der Westen Demokratie verbreiten, ohne Bomben fallen zu lassen? Ich habe Klaas angerufen und ihn gefragt.

VICE: Hallo, Dr. Klaas. Das Kernthema Ihres Buchs ist, dass die Demokratie global zurückgeht. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Dr. Brian Klaas: Es gibt ein paar Dinge, die man als Ursache dafür sehen kann. Die Kriege im Irak und Afghanistan wurden fälschlich als Bemühungen zur Demokratisierung dieser Länder präsentiert. Letzten Endes dienen sie jetzt autoritären Regimen als Schutzschild: Sie können behaupten, jegliche Bemühung des Westens, die Demokratie zu fördern, ziele in Wahrheit auf einen Regierungswechsel ab.

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Einer der Hauptgründe ist auch, dass westliche Regierungen nicht mehr wirklich an der Verbreitung von Demokratie interessiert sind. Diplomaten sehen sich den Arabischen Frühling oder die Demokratisierungsbemühungen in der Ukraine an, mit all der Instabilität und den Konflikten, und fangen an, das bekannte, diktatorische Übel dem unbekannten, demokratischen vorzuziehen.

Ich unterhalte mich oft mit Leuten in Thailand, und sie sagen: "Wenn Donald Trump Demokratie ist, dann wollen wir keine Demokratie."

Sie sagen, der Westen unterstütze oft Diktaturen, um seine eigenen Interessen zu verfolgen. Können Sie mir ein paar Beispiele dafür nennen?
Es gibt zwei, die ich im Buch hervorhebe. Einmal gibt es den Saudi-Arabien-Effekt: Westliche Regierungen sehen sich schwierigen Entscheidungen gegenüber, wenn sie gleichzeitig wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen sowie Demokratie verfolgen.

Das Ergebnis ist, dass sie mit Regimes wie dem saudi-arabischen gut Freund werden, aber keines der genannten Ziele erreichen. Die saudi-arabische Regierung ist brutal und gnadenlos und wird eines Tages fallen. Die Frage ist: Wollen wir die Macht sein, die diesen Moment hinausgezögert hat? Wir haben ja im Iran gesehen, wohin das führt. Viele Iraner geben den USA heute noch die Schuld daran, dass in den 1950ern ein demokratisch gewählter Anführer gestürzt wurde. Je mehr der Westen sich mit Despoten abgibt, desto mehr muss er auf lange Sicht dafür büßen.

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Der zweite Aspekt, den ich hervorhebe, ist etwas, das ich als "den Fluch der niedrigen Erwartungen" bezeichne. In meinem Forschungsfeld sehe ich immer wieder, wie viele Regimes sich als Demokratien verkaufen, obwohl sie in Wirklichkeit nichts dergleichen sind. Paul Kagame, der Präsident von Ruanda, ist ein Experte auf diesem Gebiet. Er regiert despotisch und autoritär, aber er ist besonders gut darin, sich als Liebling des Westens zu vermarkten.

Sie erwähnen Pakistan nach 9/11 als ein Beispiel dafür, dass der Westen manchmal gezwungen sein kann, mit Despoten zusammenzuarbeiten. Können Sie etwas genauer darauf eingehen?
Manchmal müssen Regierungen schwere Entscheidungen treffen, und ich halte die Situation, welche die USA nach 9/11 mit Pakistan hatten, für ein gutes Beispiel. Als Pervez Musharraf 1999 durch einen Putsch an die Macht kam, waren die USA kritisch. Doch sobald wir Pakistan brauchten, um die Terroristen des 11. September zu jagen, zwang die öffentliche Meinung Politiker dazu, die Frage nach der Demokratie in Pakistan zu ignorieren, um das zu tun, was alle verlangten: Die Verantwortlichen zur Strecke bringen. Das Paradoxe an der Demokratie ist, dass die Wähler im Westen manchmal für die Verfolgung von Zielen sind, die der Demokratie in anderen Ländern entgegenwirken.

Sie sagen, die westliche Demokratie sei ein Modell, das es anzustreben gilt, doch viele sind der Meinung, dass Globalisierung, Privatisierung und die aufweichende Trennung zwischen Firmen und Staaten zu einem Zustand geführt hat, den man als "postdemokratisch" bezeichnen könnte. Warum ist das erstrebenswert?
Ich bin der erste, der einräumt, dass der Westen in seiner Handhabung der Demokratie extrem problematisch ist. Die Frage ist aber, welche anderen Modelle wir haben. Westliche Demokratien befinden sich zwar in der Krise und es wäre falsch, sie in jeder Hinsicht zu imitieren, aber es gibt viele Wege, wie wir die westliche Demokratie wieder stärken können—zum Beispiel, indem wir uns der Ungleichheit annehmen und richtige Lösungen für alle von der Globalisierung Zurückgelassenen finden, anstatt polarisierende Phrasen abzuspulen.

Wenn man sich Trumps Aufstieg in den USA, den Brexit der Briten und den autoritären Populismus anderswo ansieht, wird es da nicht zunehmend schwierig für den Westen, seine liberale Demokratie als legitimes Ziel zu präsentieren?
Ich denke, dass das Beispiel, mit dem der Westen zur Zeit vorangeht, Staatsoberhäupter in aller Welt dazu inspiriert, despotischer zu werden. Ich unterhalte mich oft mit Leuten in Thailand, und sie sagen: "Wenn Donald Trump Demokratie ist, dann wollen wir keine Demokratie." Je mehr unsere Demokratien zu kämpfen haben, desto attraktiver sehen Konkurrenzmodelle wie das chinesische oder russische aus, und desto mehr haben Despoten einen Schutzschild. Man kann schlecht Anderen Vorträge halten, ohne erst einmal vor der eigenen Tür zu kehren.

Wenn die Leute Donald Trump als Beweis dafür hernehmen, dass Demokratie schlecht sei, muss man aber auch fragen: Hättest du lieber, dass ein Präsident Trump durch demokratische Wahlen an die Macht kommt, oder dass er das mit einem Putsch erreicht? Die Antwort lautet "durch Wahlen", weil es hier wenigstens eine Chance gibt, sich zu wehren. Wenn die USA den riesigen Fehler begehen sollten, Donald Trump zu wählen, dann gibt es Methoden, wie man ihn bei vielen innenpolitischen Entscheidungen mithilfe des demokratischen Prozesses blockieren kann. Er kann auch gefeuert werden. In nicht-demokratischen Systemen gibt es weder das eine noch das andere.

Danke, Dr. Klaas.

The Despot's Accomplice: How the West is Aiding and Abetting the Decline of Democracy ist jetzt auf Englisch im Buchhandel erhältlich.