Was Roland Düringer wirklich will
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Was Roland Düringer wirklich will

Er will angeblich nichts. Stimmt das?

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Was zum Teufel will der Typ, der vor fünf Jahren eine Wutrede hielt, aus "den Systemen ausgestiegen" ist, Perlen im Bart trägt und nie eine Partei gründen wollte? Zuerst mal wollte er offenbar eine Partei gründen—oder hat das zumindest vor kurzem gemacht. Darüber hinaus kennt die Antwort auf diese Fragen wohl kaum jemand wirklich. Düringers neu gegründete Partei G!LT hat zwar für viel Aufsehen gesorgt, aber bisher auch nicht viel Inhaltliches präsentiert.

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Feststeht: Jeder Politiker würde sich freuen, sein Anliegen auf einer so gut bereiteten medialen Bühne erklären zu dürfen. Düringer jedoch lässt über sein Management ausrichten, dass er derzeit keine Medienfragen zu seiner Partei beantwortet. Düringer äußert sich lieber in sozialen Medien zum Thema—wo er Nachfragen nicht beantworten muss. Er sucht die Öffentlichkeit, geht aber Journalisten aus dem Weg, die wohl versuchen würden, seine wiederkehrenden Wischiwaschi-Aussagen zu konkretisieren—und entzieht sich damit genau den kritischen Geistern, die er mit seiner Partei ja angeblich auch repräsentiert.

"Es heißt, es gibt außer der Diktatur keine Alternative zur Demokratie. Das glaube ich nicht." (Club 2)

Dabei wäre diese Aufgabe gerade beim Geschichtenerzähler Düringer wichtig. Sympathisanten, Wähler und Geldgeber haben ein Recht darauf zu wissen, wen und was sie eigentlich unterstützen. Deshalb haben wir seinen bisherigen Aussagen gestöbert, um wenigstens auf dem Weg aufschlussreiche Erklärungen für ihn und seine Partei zu finden—wenn schon nicht über das direkte Gespräch.

Düringer über den Dritten Weltkrieg:

"Man überwacht uns immer mehr! Weil man weiß, dass da etwas auf uns zukommt. Und die Staaten, oder die Konzerne, oder vielleicht auch fünf Familien, die die Welt steuern, die magazinieren auf. (…) Man rüstet sich schon, weil es absehbar ist, was kommt."

Düringer lässt hier bewusst vieles offen. Erst nach mehreren Nachfragen des Club 2-Moderators im Jahr 2011—kurz nach seiner Wutrede im ORF—erklärt er sein "Apokalypse"-Szenario:

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"Es gibt zwei Varianten: Es kann sein, dass nix passiert und es immer so weiter geht, dass weiter Geld gedruckt wird und die Menschen langsam verarmen und es nicht merken. Die andere Variante ist, dass es einen Dritten Weltkrieg gibt. Wenn die Wahnsinnigen durchdrehen, und mit dem Iran einen Krieg anfangen, die Chinesen vielleicht mithelfen, der Russ' und die NATO sich einmischt, dann scheppert's einmal in Asien. Und dann dauert's nicht lang, bis wir in Europa totalitäre Systeme haben. Weil die Menschen Angst haben."

Wer genau diese Menschen sind, die angeblich alle Angst haben, bleibt wie so oft unkonkret und offen. Am meisten Angst dürfte aber wohl ohnehin Düringer haben. "Hätte man das in den 90ern gesagt, hätte man ihn zum Irren erklärt", antwortete Konstantin Wecker, der auch in der Sendung zu Gast war.

Düringer über die FPÖ:

"Ich werde jetzt etwas ganz Unpopuläres sagen und alle werden gleich schreien. Aber ich finde, dass die FPÖ und Strache die einzige Linke in Österreich sind. Das ist kein Scherz. Ich meine das ernst, weil es keine Linke in Österreich gibt."

Als er dafür kritisiert wird, sagt er eine Minute später: "Ich wollte damit gerade auch ein wenig provozieren. Das war nicht ernst gemeint." (beide Zitate aus dem Club 2 "Wohin mit der Wut?", 2011).

Düringer über den Wahlkampf:

"Oh Gott. Sie sind wieder da. DIE GESICHTER. Das Mondgesichti war nur der Warnschuss vor dem Bug. Wohin ich blicke Gesichter. Sie starren mich an. Freundlich aber bestimmt. Das Lächeln dieser Gesichter ist nur eine Maske, dahinter verbirgt sich die Fratze der Macht. Die Gesichter sind gekommen um etwas von mir einzufordern. Hinter dem gequälten Lächeln lauert die Gier. Die Gier nach meiner Stimme."

(…)

"Auf den Straßen herrscht Propagandakrieg. Wollen wir den Krieg in unser Haus lassen? Wollen wir am Muskelspiel der Interessen teilnehmen? Was wir auch tun werden, wir werden in den nächsten Wochen den Gesichtern nicht entkommen können, sie werden über viele Kanäle versuchen in uns einzudringen, uns zu manipulieren, uns mit unhaltbaren Versprechen zu bestechen. Sie werden wie Würmer in unseren Gehirnen sitzen. Umfragewerte, Elefantenrunden, Pressestunden, Kugelschreiber und Luftballons. Wahlkampf ist ein Virus der ein Land befällt und das klare Denken verhindert."

Das sind Auszüge aus der fünfseitigen "Geschichte von den Gesichtern", die nicht öffentlich abrufbar ist. Den Text, der für Düringers politisches Buch als Vorwort dienen soll, bekommen nur jene per Mail zugesandt, die sich für Düringers Polit-Forum Politikkollegium.at registrieren.

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Düringer über Wahlen:

"Wahlkabine? Sagt man nicht auch Wahlzelle? Endet hier also nicht nur die Feierlichkeit, endet hier auch die Freiheit. Bedeutet Freiheit eine Wahl zu haben? Freiheit ist es für mich stundenlang durch ein Einkaufszentrum zu schlendern und nichts zu finden das ich brauche. Manches will ich vielleicht, aber auch nur weil ich es wollen soll. Der Satellitenspiegel bietet uns eine große Auswahl an TV Sendungen, aber haben wir dabei eine Wahl. Jede Auswahl, so groß sie auch sein mag ist eine Begrenzung. Sie beschneidet die Möglichkeiten und die Wahl haben letztlich jene, die über die Auswahl entscheiden. Innerhalb der Auswahl hat man nur das Gefühl eine Wahl zu haben." (Die Geschichte von den Gesichtern)

Düringer über Metaphern, die nicht alle verstehen:

"Legosteine sind nicht Nichts. Sie sind die Vorgabe, der Rahmen in dem wir uns bewegen dürfen. Was kein Legostein ist hat in diesem Spiel nichts verloren, weil es nicht passt." (Die Geschichte von den Gesichtern)

"Wozu muss ich Gemüse anbauen? Ich geh doch eh zum Billa. Da geht die elektrische Tür auf. Das ist aber nur dann angenehm, wenn die Tür aufgeht! Wenn nicht, muss ich die Tür einschlagen und das Gemüse rausholen. Weil unser Gemüse wird nirgendwo mehr gelagert, sondern fährt auf der Autobahn herum!" (Club 2)

"Ich habe nichts gegen das System. Ich habe etwas gegen das Arschlochverhalten in Systemen. Solange wir nicht anfangen, über das eigene Arschlochverhalten nachzudenken, [wird sich nichts ändern.] Wir schimpfen über die gierigen Manager, Politiker und Banker und stehen dann beim All-you-can-eat-Buffet um 7,20 Euro." (Gruppe42 / YouTube)

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"Jetzt, wo das Geld noch Energie hat, tut Gutes! Das ist bald vorbei." (Club 2)

"Wenn ich eine Botschaft an alle richten darf; erstens: Nichts ist wichtig. Zweitens: Glauben Sie nichts. Es gibt nichts zu glauben—in der Zeitung oder im Internet. Glauben Sie nichts, was ich gerade gesagt habe. Und das Wichtigste: Glauben Sie nichts, von dem, was Sie denken. Das ist nur, was Sie denken und hat nichts damit zu tun, was ist." (Gruppe42 / YouTube)

Düringer über die Politik:

Nachdem Düringer im Juli 2016 Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger in seiner Puls4-Sendung vorgestellt hatte, sagte er auch etwas über sich. "Ich bin immer noch der Kasperl. Der Kasperl ist unkündbar und kann machen, was er will. Der Kasperl muss auch nicht irgendetwas versprechen, das er nicht halten kann. Und vielleicht drückt sich der Kasperl einfach nur vor der Verantwortung."

Roland Düringer macht seit drei Jahren de facto Politik. Er hat fünf Bücher geschrieben, seine Kabarettprogramme sind politisch, genauso wie seine insgesamt 280 Video-Tagebücher.

"Wenn ich ‚Politik' höre, stellt's mir alles auf. Weil, welche Wahl habe ich? Ich habe die Wahl, ob ich mir von einem schwarzen, roten, grünen, oder blauen Hammer auf die Finger hauen lasse." (Club 2)

"Österreich ist eine Demokratie, gelenkt von ein paar Parteigranden—und schon lange nicht mehr vom Volk." (In der Puls4-Sendung Gültige Stimme zitiert Düringer seinen einzigen Parteikollegen Walter Naderer, ein Ex-ÖVPler und Ex-Team Stronach-Mandatar.)

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"Und plötzlich ists als würde ich eine Stimme hören: 'Arschlöcher'. 'Wie bitte?' sage ich. 'Schmeiss die Arschlöcher raus!' Das klingt schon lauter und deutlicher. 'Welche Arschlöcher meinst du?' -' Alle! Ich möchte mit denen nichts mehr zu tun haben!' - 'Okay. Ich kümmere mich drum.' - 'Ist das ein Wahlversprechen?" fragt die Politik. 'Nein ist es nicht. Ich meine es ernst.' Mit der Betätigung der [Klo-]Spülung wird unser Packt besiegelt und begossen." (Die Geschichte von den Gesichtern)

In der Puls4-Sendung vom Juli 2016 waren die Parteigründer Roland Düringer und Walter Naderer anfangs noch per Sie. "Wie oft gehst du in der Nacht pissen?" war der Eisbrecher—auch, wenn Naderer noch auf "Wie oft gehen Sie" ausbessern wollte. Foto: Screenshot via Puls4

Düringer über seine Partei:

Düringer erklärt nicht, wie sich seine Partei zusammensetzt, wie sie Entscheidungen trifft und wer sie finanziert. Er hält die Satzung unter Verschluss und erklärt nicht, warum ein Team Stronach-Abgeordneter sein engster Verbündeter ist, wo er doch eigentlich keine Weltanschauung in sein Taxi lassen will.

"Meine Idee ist: Ich möchte allen Nichtwählern, Protestwählern, Weißwählern und all jenen Menschen, die bei den angebotenen Menschen kein Angebot finden, die Möglichkeit geben, am Prozess teilzunehmen. Und zwar gültig. Weil, wenn ich nur hingehe und 'geht's scheißen!' drauf schreibe, oder eine Kleinpartei mit nur einem Prozent wähle, dann stärke ich das System. Ich habe unsere Passivität satt, mit der wir immer das unterstützen, was wir nicht wollen."

„Es geht nicht darum, dass wir dann irgendwas machen im Parlament. Dass wir was besser machen. Nein. Es geht darum, dass wir denen was wegnehmen."

(Gültige Stimme 272 / YouTube)

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"Ich bitte Sie, diesen Spaß sehr ernst zu nehmen", sagte Düringer bei seiner "Pressekonferenz" in Richtung Journalisten. Er selbst macht das unmöglich. Düringer weigert sich, Journalistenfragen zu beantworten, seine "Pressekonferenz" findet ohne Presse statt. Dafür gibt er der Gruppe42 ein Exklusiv-Interview. Die Gruppe42 ist ein Blog mit dubiosem Inhaber und wohlwollendem Interviewer ("Wir finden Roland Düringer ohnehin schon seit langer Zeit sympathisch").

"Ich werde kein politisches Amt annehmen. Ich bin der Taxler, weil ich öffentlich Aufmerksamkeit generieren kann. Ich kann nur euch, meine Freunde, hinbringen. Die wahlwerbende Partei ist das Vehikel. Wer einsteigen will, kann einsteigen."

"Ich brauch' kein Parteiprogramm. Ich sehe keine Notwendigkeit. Es geht nicht um das. Der Robin Hood hat auch kein Referat gehalten, sondern ihnen einfach das Gold weggenommen. Darum geht's."

"Ich würde die [Mandats-]Sessel besetzen. Aber mit Menschen, die keine Interessen haben. Damit würden wir den anderen Sesseln wegnehmen."

"Wenn sich da jemand reinsetzen will, dann sollte er mit einem Facharbeitergehalt zufrieden sein. (…) Am besten Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher, die davon etwas haben. Weil mehr falsch machen, als die grad drinnen sitzen, können sie eh nicht".

"Kann GILT etwas verbessern? Nein. Du kannst auch an der Lawine, die kommt nichts verbessern. Du kannst nur das eigene Verhalten verbessern."

"Ich würde dafür plädieren, wenn da jemand drinnen sitzt, und einen Antrag stellen will, darf es nichts Ernstes sein."

"Wenn man sagt nur Protest ist mir zu wenig, ich möchte im Parlament gestalten, dann muss man eine andere Partei gründen."

"Es muss etwas sein, das Unruhe stiftet. Nur wo Unruhe reinkommt, handelt man."

(Gruppe42 / YouTube)

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Was mit Roland Düringer abgeht:

Anders als satirische Parteien wie DIE PARTEI hält Düringer anderen Parteien keinen Spiegel vor, sondern will selbst etwas—auch, wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht. Er will "dem System" etwas wegnehmen. Und eigentlich will er das System abschaffen. Dabei erklärt er nicht, welches System er genau meint. Ist es die demokratische Grundordnung? Das indirekte Wahlrecht? Die Parteien? Hat er schon mal weiter gedacht? Was kommt nach der Abschaffung des "Systems"?

Düringer gibt darauf keine Antworten und sieht sich auch für Lösungen nicht zuständig. Das erinnert weniger an eine Spaßpartei, mehr an populistische Parteien, die nur ein Anliegen interessiert und über alles andere schimpfen. G!LT wäre wohl wie UKIP. Die EU-Austrittspartei schickte 22 Abgeordnete ins verhasste EU-Parlament. Was sie dort machen sollten, wussten die Abgeordneten selbst nicht. Deshalb schwänzten sie einfach Sitzung für Sitzung.

Düringer glaubt trotz jahrelangem politischen Engagement noch immer, auf der Kunstebene zu agieren.

Das mag Protest sein, ja. Aber an Verantwortungslosigkeit ist dieses Verhalten nicht zu überbieten. Wer alles und jeden scheiße findet, ohne selbst eine Idee zur Verbesserung zu haben, ist ein Gaukler auf Sympathiefang am Stammtisch.

Roland Düringer glaubt trotz jahrelangem politischen Engagement noch immer, auf der Kunstebene zu agieren—etwa mit einem Hinweis auf Facebook, dass G!LT ein Kunstprojekt sei, eine paradoxe Intervention. Auch, wenn er das vielleicht wirklich glaubt, seine Handlungen sprechen eine andere Sprache. Seine Anhänger verstehen es anders, haben politische Hoffnungen—genau wie Düringer selbst.

Bei politischen Projekten gelten andere Regeln als bei künstlerischen. Düringer hatte jahrelang seinen Spaß. Von der Zuschauergalerie kann man gut runter rotzen. Wenn man aber selbst für eine staatstragende Aufgabe wirbt, sollte man Verantwortung für sich und seine Anliegen übernehmen. Andernfalls darf man selbst als Protestwähler hoffen, dass ein ideenloser Populist keine "Unruhe" in die demokratische Ordnung bringen darf.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner