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Ein Narzissmus-Experte erklärt, wie Politiker Donald Trump bei Verhandlungen manipulieren können

Ein selbstsüchtiger Narzisst betritt die Weltbühne. Wir haben uns beraten lassen, wie andere Politiker trotzdem nicht untergebuttert werden.
Foto: imago/ Future Image

Die größten Psychopathen sind nicht nur grausame Massenmörder, sondern oft auch Chefs oder Politiker. Studien belegen, dass Menschen mit einer narzisstischen oder psychopathischen Persönlichkeit etwa drei- bis viermal häufiger in Machtpositionen landen als der unauffällige Bevölkerungsdurchschnitt. Der angehende US-Präsident Donald Trump befindet sich als klarer Narzisst also in einer langen Tradition psychologischer Extremfälle.

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Wir haben uns gefragt, was das eigentlich für den Rest der Welt bedeutet oder genauer: für Angela Merkel, François Hollande (bzw. dessen Nachfolger) oder Wladimir Putin. Wie können sie die psychische Verfassung Trumps für ihre Ziele nutzen?

Doch was ist eigentlich ein Narzisst? In erster Linie zeichnet sich der Betroffene durch eine enorme Selbstüberschätzung aus. Er fühlt sich einzigartig und will nicht nur bewundert werden, sondern erwartet automatisch, dass ihm eine Sonderbehandlung zukommt. Das macht auch zwischenmenschliche Beziehungen äußerst schwierig, weil der Narzisst nicht empathisch ist und sich nicht in andere hineinversetzen kann.

Deswegen verhält sich der Narzisst oft respektlos seinen Mitmenschen gegenüber, merkt das in der Regel jedoch nicht und hat große Schwierigkeiten, die beleidigte oder verletze Reaktion seines Gegenübers nachzuvollziehen. Diese Merkmale wurden auch Trump in unterschiedlichen Analysen wie wie beispielsweise im Guardian oder von verschiedenen Psychologen attestiert. Die Frankfurter Allgemeine lässt sich gar zu einem Vergleich mit dem deutschen Kriegskaiser Kaiser Wilhelm II. hinreißen.

Doch beginnen wir erst einmal mit einem kleinen Psychogramm des Egomanen: Schon als Kind gab sich Trump rebellisch und als er 13 Jahre alt war, gab sein Vater nach einem Gespräch mit den Lehrern zu, er habe die Kontrolle über sein Kind verloren. Als Konsequenz daraus schickten die Eltern den jungen Donald auf das für seinen harten Drill berüchtigte Internat New York Military Academy, um die Aggressionen ihres Sohnes mit Hilfe von Disziplin in den Griff zu bekommen.

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Sein dortiger Lehrer Ted Dobias erinnert sich in einem Interview mit dem Pulitzerpreisträger Michael D'Antonie, Trump habe sich schon während seiner Schulzeit manipulativ verhalten, um seine Mitschüler zu überflügeln. D'Antoine sprach auch mit Ivana Trump, die ihren Mann mit einem kleinen Jungen verglich, der permanent um Aufmerksamkeit buhlt. "Sie vermutete, dass er in einem kritischen Punkt in seinem frühen Leben verletzt ­worden war und seither diese Verletzung zu kompensieren versucht", so der Autor.

Nachdem er als Unternehmer so gut wie alles erreicht hatte, investierte Trump in Immobilien, schaute ins Filmbusiness rein und eröffnete zahlreiche Casinos. In regelmäßigen Abständen tauchen Mutmaßungen auf, Trump sei in Geschäfte mit der Mafia verwickelt, und Wayne Barrett, der Verfasser der Biographie Trump: The Greatest Show on Earth, gibt dem Trump Tower den Beinamen "Monument für die Mafia". Um das Ausmaß seiner unmoralischen Aktivitäten einmal zu verdeutlichen, hat The Atlantic Trumps diverse Skandale hier zusammengestellt. Narzissten legen Recht und Unrecht schon mal nach ihren eigenen Bedürfnissen aus, ein Verhalten, das Trump, wie sein Lehrer berichtet, ja bereits in der Schulzeit auszeichnete.

"Er hat genug Geld und dazu eine Menge Zuspruch bekommen. Dazu kommen Überheblichkeit und Größenwahn"

Dazu kommt, dass es ihm dank seiner besonderen psychischen Voraussetzungen auch dann noch gelingt, seine Manöver als Erfolg zu feiern, wenn andere längst vor Scham und Scheitern in die Einsamkeit des Waldes ausgewandert wären. So geschehen als er mit seinen Casinos das "größte Finanzgrab schaufelte, das Atlantic City je gesehen hat". Oder die Trump University, gegen die wegen "Betriebs ohne Genehmigung und Täuschung von Kunden" ermittelt wurde.

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Die Reihe ließe sich mühelos weiterführen. Doch selbst bei schwerwiegenden Fehlern schafft er es, die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben oder die Niederlage gar als Gewinn darzustellen, das typisch Narzisstische daran ist eine Art Sadismus anderen gegenüber. Indem der Narzisst seinen Kollegen oder Mitmenschen Schuldgefühle einflößt, entledigt er sich seiner eigenen Unzulänglichkeiten. Diese würden nämlich seine öffentlich dargestellte Unfehlbarkeit als Fassade entlarven.

"Das Amt des Präsidenten ist für Trump auch nur ein neues Abenteuer", erklärt Sven Grüttefien gegenüber VICE, der sich für die Seite Umgang-mit-Narzissten seit Jahren mit dem Thema Narzissmus beschäftigt. "Er hat genug Geld und dazu eine Menge Zuspruch bekommen. Dazu kommen Überheblichkeit und Größenwahn, bei Trump ist das nun tragischerweise in seiner neuen Position als Präsident gemündet. Dabei hat er sich nicht einmal Mühe gegeben."

Höchstwahrscheinlich wird Trump Themen, die ihn nicht interessieren, schlichtweg ignorieren oder mit grober Hand vom Tisch wischen.

In seinem eigenen Land hat Trump es mit diesem Verhalten bis an die oberste Spitze geschafft, doch was passiert, wenn er die Hochburg seines Erfolgs verlässt? Was tut eine evangelische Pfarrerstochter, um sich von dem Großmaul nicht die Laune und damit die Weltpolitik verderben zu lassen?

"Merkels Reaktionen sind eher langsamer als das reflexhafte Verhalten des polternden Trump. Er wird ihr wohl einfach über den Mund fahren wie einem kleinen Mädchen", vermutet Grüttefien. Höchstwahrscheinlich wird Trump Themen, die ihn nicht interessieren, schlichtweg ignorieren oder mit grober Hand vom Tisch wischen. "Merkel wird dann wahrscheinlich reservierter werden, vielleicht auch beleidigt sein".

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Schlechte Voraussetzungen für ein Treffen auf höchster politischer Ebene. Wie sollte sich ein Politiker denn nun verhalten, um von dem lauten, erfolgsverwöhnten Trump nicht automatisch untergebuttert zu werden? Das Zauberwort lautet: Wertschätzung, sagt Grüttefien. Diese ist bei Staatsempfängen sowieso Voraussetzung, sollte bei Trump taktisch jedoch noch ein weiter intensiviert werden. Dazu gehören gewisse Privilegien bei Empfängen und ein Ambiente, in dem er sich nahezu königlich fühlt. Narzissten sind sehr launisch und empfindlich, schon der falsche Stuhl am Tisch könnte ihn aus der Balance werfen und zu globalen Konflikten führen. Der beste Platz für den Egomanen ist also am Kopf der Tafel.

Doch neben diesen rein praktischen Tipps hat Grüttefien für die deutsche Kanzlerin auch ein paar Tricks für eine möglichst reibungsfreie und erfolgreiche Gesprächsführung. Besonders wichtig: Halte ihm keine Fehler vor und kritisiere ihn nicht, das kann er nämlich gar nicht leiden und ist möglicherweise schneller wieder weggepoltert, als Angela in ihren Keks gebissen hat.

Zusätzlich wird er sich auch vor dem Treffen darüber informiert haben, wer sich im Vorfeld negativ gegen ihn geäußert hat. Steinmeier, der Trump als "Hassprediger" bezeichnete, sollte sich demzufolge vorsehen. Auch Hollande hat mit seinem Ausspruch, Trumps Verhalten rufe in ihm ein "Gefühl des Brechreizes" hervor, keine allzu gute Grundlage für den diplomatischen Austausch geschaffen. "Narzissten neigen dazu, sich zu rächen. Sie können Kritik nicht ertragen", warnt Grüttefien. Politiker sollte deswegen lieber ruhig und gefasst argumentieren, wie es ihnen und ihrem Land mit den außenpolitischen Ereignissen ergeht und nicht Trump offen als Schuldigen darstellen.

"Er muss sich wohl und wertgeschätzt fühlen, sonst verhärten sich die Fronten ganz schnell", betont Grüttefien. Besonders vorsichtig sollte das Gespräch übrigens gestaltet werden, wenn es um Politik geht, da Trump sich in diesem Themengebiet leider nicht besonders gut auskennt. Aus diesem Grund sind die Personen in der zweiten oder dritten Reihe die entscheidenden Strippenzieher für ein gutes Verhältnis. Es ist wichtig, möglichst schnell herauszufinden, wer Trumps Berater sind und mit denen guten Kontakt zu halten.

Doch die Herausforderungen gehen noch weiter. Denn wer mit einem Narzissten über die Lage in Syrien, den Klimawandel oder die Weltwirtschaft diskutiert, läuft schnell Gefahr, sich unter den Tisch reden zu lassen. Im politischen Geschehen wäre das natürlich fatal. Bei dem schnell aus der Fassung zu bringenden Trump ist es allerdings gar nicht so einfach, freundlich und bestimmt zu bleiben, ohne dabei schon wieder schroff auf das Mimöschen zu wirken. "Bloß nicht immer zu allem Ja und Amen sagen", so Grüttefien. "Es geht darum, eine Gegenkraft zu setzen. Dazu erklärt man ihm am besten die Konsequenzen für die USA, wobei man immer aufpassen muss, dass er nicht persönlich getroffen ist. Das ist ein Minenfeld."

Wichtig in solch einem brisanten Gespräch ist es dabei, den Narzissten nicht aus den Augen zu verlieren. Senken sich seine Mundwinkel, lehnt er sich zurück, kräuselt er die Stirn? Jedes noch so kleine körperliche Signal kann auf eine Gefühlsregung hinweisen und damit auf eine Verstimmtheit, die die gesamte Situation von jetzt auf gleich in ein Desaster aus Beleidigungen und Unmut verwandeln kann. In solchen Momenten sollten Politiker dann geistesgegenwärtig überlegen: Wie holen wir ihn wieder zurück oder können wir uns eine Eskalation erlauben?

Nun ist Trump allerdings nicht der einzige Mega-Narzisst auf der politischen Weltbühne, denn auch Putin sollte mit ähnlicher Vorsicht genossen werden. Was würde eigentlich passieren, wenn Trump und Putin aufeinander treffen? "Das wäre wahrscheinlich die perfekte Kombination, eine große Kumpelei. Beide wollen Weltmächte sein, beiden wollen der Größte und der Tollste sein, die sprechen die gleiche Sprache. Solange die beiden sich also nicht in die Quere kommen, also jeder auf seiner Seite der Erde bleibt, dann wird das wohl eine richtige Männerfreundschaft." Wohl eher eine Männerfreundschaft des Grauens.