FYI.

This story is over 5 years old.

The Holding Court Issue

VICE Reviews

Füchse sind die neuen Eulen und Armut ist zum Kotzen. Die neuen Reviews sind da!

DELTRON 3030
Event II
Bulk Recordings /Universal
10

Als Deltron 3030 im Januar ankündigten, nach einer kleinen Pause von läppischen 13 Jahren noch vor dem Weihnachtsfest ein neues Album raushauen zu wollen, brach die 2000er Backpacker-Youth in Tränen der Vorfreude aus. Das Debüt des „Projekts“ von Deltron Zero (Del Tha Funkee Homosapien), The Cantankerous Captain Aptos (Dan „The Automator“ Nakamura) und Skiznod The Boy Wonder (Kid Koala) ist so etwas wie ihr Heiliger Gral. Alte Hasen bzw. 13 Jahre ältere Hasen wissen: Dagegen kann der Nachfolger nur abstinken. Aus unerfindlichen Gründen brauchte es aber genau diese 13 Jahre, um eine ebenbürtige Bombe abzuliefern. Trotz oder gerade wegen der Gästeliste, auf der sich neben Kumpel Damon Albarn auch Schauspieler und Nervsäcke wie Mike Patton wiederfinden. Selbst die ändert nichts daran, dass Nakamura aller Wahrscheinlichkeit nach recht behält, wenn er „Event II“ als „the greatest rap record of all time“ bezeichnet.
MC PUT-YOUR MONEY-WHERE-YOUR-MOUTH-IS

Anzeige

KOENIGLEOPOLD
Eure Armut Kotzt Mich An
Jazzwerkstatt Records
2
In dieser Welt aufzuwachsen und durch die Pubertät zu navigieren, das ist für uns alle eine sehr schwere Zeit. Koenigleopold versuchen diese ganze Verwirrung von Facebookchats, Hoferwhiskey und Nachrichten über die Krise mit ironischen Hofnarrenliedern aufzuarbeiten. Haha! Um es nicht gleich so zugänglich wie die EAV zu machen, wird auch mal Fastcore oder Free Jazz imitiert. Haha! Es ist ein Konzeptalbum gegen das Anbiedern. Dieses Album ist leider eine riesige Enttäuschung, weil nichts ernst genommen wird, nicht einmal der Free Jazz. Denn eigentlich können Koenigleopold genau das: Musik machen, Jazz spielen. Köpfler ins Plumpsklo.
CRIP WORK

PICK A PIPER
Pick a Piper
City Slang
4
Pick a Piper ist das Solo-„mir ist langweilig“-Projekt des Caribou-Drummers Dan Weber. Und alles, was Caribou anstrengend macht—lange Percussionparts ohne Höhen und Tiefen, noch nicht mal mit hypnotischer Manie im Subtext, stattdessen so ein bemüht gniedelnd-nerdiges Streberding, ähnlich Hot Chip, nur viel verkniffener—all das ist bei Pick A Piper auch enthalten. Eins geteilt durch Fuck Buttons, sozusagen.
GRÜSS GOAT

CAPTAIN CAPA
Foxes
Audiolith
2
Füchse sind die neuen Eulen, ließ mich kürzlich eine Freundin mit vielsagendem Gesichtsausdruck wissen. Ich nickte anerkennend, auch wenn ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wovon sie sprach. Die Strafe für meine Ignoranz folgt jetzt auf dem Fuße: Im Briefkasten fand sich die CD einer Emo-Boyband im einschlägigen Audiolith-Gewand, die sich ganz der Fuchs-Promotion verschrieben hat. Zwar habe ich immer noch keine Ahnung, wer sich diese eigenartigen Tiertrends überhaupt ausgedacht hat, aber fünf Minuten klischeeüberladener Elektropopkitsch reichten mir, um eine militante „Gebt uns unsere Eulen zurück“-Aktivistengruppe ins Leben zu rufen.
SUBCOMMANDANTE OWLOS

Anzeige

ONEOHTRIX POINT NEVER
R Plus Seven
Warp/Rough Trade
7
Für Rezensenten in Zeitnot sind Warp-Platten ein Gräuel. Während bei vielen anderen Veröffentlichungen, die die Redaktion tagtäglich erreichen, nach fünf Sekunden klar ist, ob man es mit wegweisender Innovation oder belanglosem Dreck zu tun hat, liefern uns die britischen Elektronikstreber regelmäßig hoch komplexe Soundkompositionen, deren wahre Qualität sich erst nach hundertfachem Hören erschließt (es sei denn, sie sind von Maximo Park, dann kann man sie getrost ignorieren). Aufgrund der äußerst unglücklichen Angewohnheit, das Paket mit den neuen CDs erst fünf Minuten vor Deadline zu öffnen, habe ich da natürlich ein Problem. Wie immer in diesen Fällen brauchte ich aber nur meinen alten Mathematiklehrer anzurufen, der inzwischen in der Irrenanstalt am Steinhof sitzt und mir erklärte, dass Oneohtrix Point Never mal R plus Sieben für R = 0 genau sieben ergibt, und zwar unabhängig davon, welche Zahl sich hinter „Oneohtrix“ verbirgt. Dieser Beweis klang augenblicklich so schlüssig und hat mir derart imponiert, dass meine Bewertung jetzt unwiderrufl ich feststeht. Drei mal darfst du raten.
ROBERT SCHEISENBERG

ULVER
Messe
Kscope/Edel
8
Würde es sich nicht um ein neues Album des norwegischen Urgesteins Ulver handeln, könnte die Messe (Untertitel: I.X-VI.X) beim ersten Hören mit diesen geschmackvollen, an- und ab- (und an- (und ab-)) und anschwellenden Beliebigkeiten den Weg allen Irdischen gehen—nahezu lautlos sterben, das würde passen. Aber weil das eben nur ein Mosaikstein von vielen in der Karriere der ungewöhnlichen, als Black-Metal-Horde geborenen und inzwischen als Kulturinstitution geförderten Band ist, entwickelt sich aus dem (mit Hilfe des Tromsø Chamber Orchestra realisierten) Nichts der Neo-Klassik eine feine Unmöglichkeit—ein schwebender Monolith.
LEE GETTY

Anzeige

CORRECTIONS HOUSE
Last City Zero
Neurot Recordings
9
Es sieht so aus, als hätten das keifende Rumpelstilzchen von Eyehategod und der knorrige Weltuntergangsbass von Neurosis nur auf dieses Calland-Response-Inferno gewartet. Der Allstar-Todeszirkus Corrections House ist, wie man so floskelblöd sagt, mehr als die Summe seiner in pures, kaltes Silber gegossenen Teile (neben Mike IX und Scott Kelly ebenfalls am Start: Bruce Lamont von Yakuza und Sanford Parker von Minsk). Es ist die Verkettung dieser Welten und der letzte Betgesang vor der schwärzesten aller Sonnen, das Wurmloch, in das auf der einen Seite das Eismeer des Noise-Pols hineinfriert und aus dem auf der anderen Seite abgenagte Schädel und Morricone-Blech herauspoltern. Best of all worlds doomed.
WILLIAM MACMORAN

Corrections House könnt ihr euch nächsten Monat übrigens in der Arena anhören.

SOLARIS
You Don‘t Know/We Carry
Personal Records
8
Dub-Monster aus Wien Favoriten! Wer viermal hintereinander die Nadel zum Anfang der Rille setzt,weiß, wie selten dieses geile Gefühl die Runden macht. Ursprünglich erschienen die Songs von Chrisitee aka 8 Hours Manatee auf Fettkakao Records, nun wurden die zwei Tracks nach Hamburg zu Alain Monnait verfrachtet, der ein verträumt bouncendes Remix-Schleiferl drumherum band und das Teil wieder zurück ins k. u. k. Wien schickte. Piefke Preddy presste dann 100 dicke schwarze Scheiben davon. File under: Musste niemand machen, wurde aber gemacht. Und gerade deshalb macht die 7“ auch Spaß: ungezwungen, just for the hell of it, ein Ohrwurm für den Altweiberherbst.
AMERIKANISCHE ROLLSCHUH

Anzeige

SOMNOROASE PĂSĂRELE
ABECD
Baba Vanga
6
Würde ich mir ein Konzert anschauen, bei dem ein Maler und seine Kumpanin, eine nicht näher definierte Künstlerin, ihre melodielosen, zerhackten Klangflächen wie ihre Seele vor mir ausbreiten? Sicherlich nicht. Gefällt mir die Idee, dass zwei Rumänen auf dem platten Land total weirde, atmosphärische Musik machen und mir nun im Internet deren Vorzüge anpreisen? Dass sie das Ganze in Form einer blauen Kassette mit, das wird extra betont, durchsichtiger Hülle unters Volk bringen? Dass sich ein Label aus Prag auf genau solchen Kram spezialisiert hat? Und wie.
DIVA IVAN

Hier könnt ihr reinhören.

CAPO
Hallo Monaco
Hitmonks/Groove Attack
4
Ist Champagner Sprite wirklich ein Ding? Also wird das wirklich getrunken oder ist das nur so eine From-rags-to-riches-Geschichte? Kann mir Veuve leisten, aber die Straße in mir wird immer Zitronenlimo trinken. Und wenn wir schon bei den großen Fragen des Lebens sind, warum lässt sich auf Capos Album nirgendwo erkennen, dass er Haftis Bruder ist? Liegt es an den falschen Vorbildern? Denn, wo Haftbefehl alles daran setzt, Biggie zu sein, wäre Capo gern Drake. Nur brauchen wir einen Drake aus Offenbach? Wir können es schaffen, die Sonne ist zum Greifen nah und Baby, du bleibst die Nummer 1, ein Rohdiamant. Wie toll, dass Rapper jetzt auch Gefühle zeigen können. NOT. Mehr Champagner ist allerdings grundsätzlich etwas Gutes.
MONACO FRANZE

Anzeige

EXERCISE ONE
Tales Of Ordinary Madness
Exone
6
Tatü tata, der Wahnsinn ist da. Was uns Excercise One mit seinen ordinären Wahnsinnsgeschichten da liefert, ist pures C4 für Easy Listeners. Klingt wie eine Vertonung eines Charles-Bukowski-Buchs, und das ist es auch. Wenn man den ganzen digitalen Firlefanz mal beiseitelässt und sich auf analogem Equipment schlafen legt, sind die Träume offensichtlich nicht auf rostende Autos beschränkt. Defi nitiv gute Musik für Schnurrbartträger. Wird man wohl im Kater Holzig rauf und runter laufen hören.
JEAN GYLE

FIJUKA
Fijuka
Seayou
9
Meistens fällt mir kurz vor dem Einschlafen ein, dass ich wohl bis gestern ein CD-Review hätte schreiben sollen. Diesmal fiel der übermäßige Konsum von Energy Drinks, Gott sei Dank, genau auf dieses Ereignis: Nach stundenlangem Grübeln über mein Leben und der Konklusion, dass ich ein Total-Versager bin, haben mich die sanften Stimmen von Fijuka behutsam in den Schlaf gewiegt und mir im Traum vorgegaukelt, dass alles eigentlich gar nicht so schlimm, sondern wunderschön melodisch ist. Zumindest so lange, bis ich aufgewacht bin und alles so beschissen war wie vorher.
JUSTA DREAMER

Exklusive Videopremiere und Download von "Phantom Sentimental" gibt's auf hier.

Die besten Tracks aus unseren Reviews könnt ihr in unserer Deezer Playlist nachhören: