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Der Puber-Prozess, Tag 1

Nachdem gestern Josef S. schuldig gesprochen wurde, beginnt heute die zweite lang erwartete Verhandlung dieser Woche—und zwar jene gegen den Sprayer, der laut Staatsanwaltschaft hinter den „Puber“-Tags steht. Wir berichten live aus dem Gerichtssaal.

Puber-Tag an der Außenwand des Gerichts. Copyright VICE Media.

Nachdem gestern Josef S. in etwas, das er selbst mit einem „Hexenprozess“ verglichen hat, schuldig gesprochen und enthaftet worden ist, beginnt heute die zweite große Verhandlung dieser Woche in Wien—und zwar jene gegen den Sprayer, der laut Staatsanwaltschaft hinter den „Puber“-Tags steht. Wir berichten live aus dem Gerichtssaal.

Sprayer bekennt sich teilschuldig

Der Beschuldigte tritt im schwarzen Sakko in den Saal. Der Medienandrang ist groß. Beteiligte sind unter anderem die Stadt Wien, die Wiener Linien, sowie unzählige Hausverwaltungen und Versicherungen, von denen viele auch nicht anwesend sind.

Der Staatsanwalt spricht dem Beschuldigten die künstlerische Leistung ab, legt Lebensgeschichte und Verhaftung dar. Angeblich wollte der Beschuldigte am Dach seinen Laptop mit belastenden Fotos im Kamin verstecken; dies wurde seitens des Sprayers bisher weder bestritten noch gestanden. Der Schaden wird von der Staatsanwaltschaft mit weit über 50.000 Euro beziffert.

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Der Verteidiger spricht über Tags als „Urform des Ausdrucks im öffentlichen Raum“—und stellt außerdem den Tatbestand der Sachbeschädigung durch Verunstaltung in Frage. Insgesamt gibt es 232 Fakten im vorliegenden Fall.

Der Richter spricht den Beschuldigten mit „Herr Puber“ an und sorgt damit für Gelächter; der Beschuldigte bekennt sich teilweise schuldig: „Ich habe ihn [den ,Puber‘-Tag] ein paar Mal geschrieben, 20 bis 30 Mal …“

„Ich kann nicht genau sagen, ob ich das war“

Einzelne Fakten werden durchgegangen. Dem Beschuldigten werden Bilder vorgelegt, zu denen er jeweils sagen muss, ob er der Urheber des betreffenden Tags ist. In den meisten Fällen antwortet er „Ich kann nicht genau sagen, ob ich das war“. Nur einmal muss er sich klar schuldig bekennen, weil er auf Überwachungsbildern zu sehen ist.

Anschließend legen Privatbeteiligte Schäden dar und nennen konkrete Geldsummen—einige davon werden abgewiesen, da sie erst jetzt mit zusätzlichen Schäden ankommen, die bislang nicht in den Akten aufscheinen und daher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

Richter quittiert vage Aussagen des Sprayers mit „Schön!“

Puber im Zeugenstand. Copyright VICE Media

Immer noch werden konkrete „Puber“-Tags und Schadensforderungen durchgegangen. Der Richter wirkt während der einzeln vorgetragenen Fälle genervt und scheint das Ganze milde zu belächeln. Er trägt die einzelnen Fakten ruhig vor und immer wenn der Beschuldigte erwähnt, er könne nicht sagen, ob er das war, fährt er mit einem „Schön!“ fort.

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„Puber ist Gott“

Der Saal wird immer leerer, der Andrang lässt nach. Inzwischen sind allerdings die Schwester und der Vater des Beschuldigten da. Viele der Akten sind verwirrend—sowohl für den Richter, als auch die Privatbeteiligten. Einige Fakten doppeln sich in den Akten. Einer der Privatbeteiligten sieht aus wie ein 21-jähriger Industriellen-Sohn und hat ein Veilchen am Auge.

In einigen Fällen wird befunden, dass kein nennenswerter Schaden entstanden ist, weil sich die Tags leicht abwaschen ließen. Der Richter sagt zum Beschuldigten: „Wenn's Hunger ham und nu was Guads essen woin, sagen's Bescheid—ich will Sie ja nicht foltern." Der Angeklagte antwortet leise: „Nein, ich halt's aus.“

Immer noch werden die Fakten durchgegangen—inzwischen ist das Gericht bei Nummer 65 angekommen. Jetzt geht es um die Aufschrift „Puber ist Gott“. Wieder sagt der Beschuldigte, es könne sein, dass er es gemacht hat.

P-u-b-e-r wird buchstabiert, sorgt für Gelächter

Die Befragung der Zeugen beginnt. Sie werden schnell abgefertigt, schildern nur kurz ihre Erlebnisse davon, wie sie den Beschuldigten beobachtet haben wollen oder wie die Tags, durch die sie zu Schaden gekommen sind, ausgesehen haben. Der Angeklagte wirkt demütig und sehr ruhig.

Ein Angestellter der Wiener Linien gibt an, Beschmierungen im Entstehen gesehen zu haben. Auf die Nachfrage, wie der Tag genau ausgesehen hat, buchstabiert der Wiener Linien-Angestellte „P-u-b-e-r“ und sorgt für Gelächter. Tags, die der Angeklagte gestanden und als seine identifiziert hat, setzen sich immer aus Klein- und Großbuchstaben zusammen.

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Vertagung auf morgen

Viele der geladenen Zeugen sind nicht anwesend. Im Saal ist es extrem heiß und stickig. Die Protokollscchreiberin sagt zu einem Mann mit Schweiß auf der Stirn: „Die Klimaanlage steht auf dem 10-Jahresplan“ und lacht.

Jetzt werden noch die Schreiben von abwesenden Zeugen durchgegangen. Nach dieser Verlesung wird die Verhandlung auf morgen vertagt. Das teilt der Richter mit den Worten „Weil i mog nimma“ mit.

Weitere Updates folgen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr