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Menschen auf der Flucht

Die NPD will Asylwerber ins Ghetto „weit draußen“ stecken

Mit Pissebomben und „Nazis raus"-Rufen wurde die NPD am Wochenende in Berlin empfangen. Die Rechten wollten erklären, weshalb man Asylbewohner in Ghettos außerhalb der Stadt unterbringen sollte.

Vielleicht kommt euch folgende Geschichte bekannt vor: Mitten in der Hauptstadt Deutschlands hausen Menschen, die bei unseren Nachbarn um Asyl bitten und in notdürftig zusammengeschusterten Zelten vor sich hin vegetieren—ohne die Aussicht auf ein würdevolles Leben. Das passt natürlich der NPD am allerwenigsten, sie will die Asylbewerber am besten a lá 1933 in Ghettos außerhalb der Stadt verbannen. Am Wochenende hat die NPD daher Kundgebungen an verschiedenen Orten in Berlin angemeldet, um ihren Lösungsvorschlag publik zu machen.

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Die NPDler sind von Location zu Location gefahren, um ihre Message zu propagieren. Und ich im Bus mit den linken Gegendemonstranten hinterher. Während der Tour und den Stopps hatte ich Gelegenheit, mit vielen verschiedenen Teilnehmern und Zuschauern zu sprechen—auch mit der NPD und ihrem Berliner Chef. Aber erstmal fing es eher ruhig an:

Die Tour sollte auf dem Moritzplatz in Berlin beginnen. Hier versuche ich, mit ein paar Leuten ins Gespräch zu kommen.

Viel Erfolg habe ich nicht. Viele Linksradikale reagieren gestresst oder verärgert. „Ich hasse Scheißzeitungen“, faucht mich ein Typ mit einem Iro an. Andere Gegendemonstranten sind auch nicht besser. Sie sind verkatert, müde oder einfach nur high. Ich frage mich, wie man so für eine bessere Welt einstehen will. Ausnahmen gibt es nur wenige. Der Kerl mit dem Pappschild lächelt mich an und erzählt mir, dass er aus Mali kommt. Als ich ihn danach frage, warum er heute hier ist, antwortet er mir: „Ganja?!“

Um kurz nach zehn teilt die Polizei per Lautsprecher mit, dass die geplante NPD-Kundgebung hier nicht stattfinden wird, da alle wichtigen Zufahrtswege von Gegendemonstranten blockiert sind. Kurzer Jubel kommt auf. Ein erster Teilerfolg. Immerhin etwas, denke ich.

Nachdem mir von einem anderen Iro erzählt wird, dass die Antifa einen Bus organisiert hat, der die Flüchtlinge vom Refugee Camp am Oranienplatz nach Hellersdorf transportiert, wo die nächste Kundgebung stattfinden soll, mache ich mich sofort auf den Weg. Er ist gesäumt von zahlreichen Plakaten.

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Der Busfahrer, Dirk Stegemann, ein Berliner Linksaktivist und Organisator des Demo-Busses, bittet mich freundlich herein. Im Businneren ist es stickig und es müffelt nach Schweiß. Die Businsassen stellen eine bunte Mischung dar. Sie reicht von Journalisten, über Anti-Atomkraftgegnern und Linksradikalen bis hin zu einer Gruppe von Flüchtlingen aus dem Niger, mit denen ich mich anfreunde.

Als wir nach etwa einer Stunde am Ziel eintreffen, sehe ich bereits die NPD und ihren Partei-LKW. Es sind ungefähr 10 bis 15 Rechte, die sich um den LKW versammelt haben und böse dreinschauen, um gefährlich oder cool zu wirken—keine Ahnung. Aber das beeindruckt niemanden der geschätzten 500 Gegendemonstranten, die uns zu jubeln, als wir aus dem Bus steigen. Der Lärm, der dem Redner und NPD-Landesvorsitzenden, Sebastian Schmidtke, um die Ohren fliegt, ist kaum auszuhalten. Es hallt „Antifascista“- und „Nazis raus“-Rufe.

Aber es hagelt nicht nur Worte. Die Gegendemonstranten werfen mit Urin gefüllte Handschuhe und Eier. Die NPD-Clique versucht, sich mit Regenschirmen zu schützen, was sehr unbeholfen aussieht. Einige der Pissebomben treffen auch Polizisten. Ich gehe in Deckung und versuche, mich mit ein paar Anwohnern, die der Veranstaltung von außen beiwohnen, zu unterhalten. Da sie NPD-freundlich zu sein scheinen und mich auch nicht besonders herzlich empfangen (die wollten, dass ich verschwinde), frage ich trotzdem nach, was sie sich von der NPD erhoffen. „Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit“, sagt ein bulliger Kerl mit schwarzem T-Shirt und Sonnenbrille, der später noch unangenehm in Erscheinung treten soll.

Fotos von Grey Hutton