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Heavy Metal in Libyen

Hazem ist ein Metalhead aus Libyen, der mit uns über die Tage des Kampfes gegen das alte Regime, die Opfer, die man für die persönliche Freiheit generell erbringen muss, und Slayer an der Frontlinie sprach.

Fotos: Michael Hübner

Libyen ist und war niemals das Dritte Welt-Land, das sich so mancher vielleicht vorstellt. Ein Unrechtsstaat ja, aber vor allem auch sehr langweilig. Es gab eine umfassende staatliche Gesundheitsversorgung, ein staatliches Bildungswesen und das Pro-Kopf-Einkommen gehörte zu den höchsten in Afrika. Die Lebenserwartung beträgt irgendwas um die 75 Komma irgendwas Jahre und all die üblichen UNICEF-Indikatoren entwickelten sich über Jahre positiv. Doch ein Drittel der Bevölkerung Libyens ist unter 16 Jahren, mehr als die Hälfte unter 30 und nur 4 Prozent sind über 65. Und wie überall, wo sich alte Säcke an die Macht klammern, wird die Jugend und alles, was sie ausmacht, generell als suspekt angesehen. Wenn man also nicht gerade auf der schwarzen Liste von Gaddafi und seinen Schergen stand, konnte man in Libyen also ein recht langweiliges und bodenständiges Leben als angepasster Mitläufer führen. Junge Libyer, von denen die Revolution ausging, sind jedoch bei Weitem nicht so widerlich und abstoßend.

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Hazem ist ein Metalhead aus Libyen, der mit uns über die Tage des Kampfes gegen das alte Regime, die Opfer, die man für die persönliche Freiheit generell erbringen muss, und Slayer an der Frontlinie sprach.

VICE: Hey Hazem, wie geht es dir und wie ist die Lage in Tripolis?

Hazem: Mir geht es gut, in Tripolis wird die Lage von Tag zu Tag besser und besser. Den gestrigen Abend habe ich auf dem Grünen Platz verbracht. Alles ist irgendwie perfekt hier und auch die Sicherheitslage hat sich bedeutend verbessert. Das kommende Jahr wird ganz groß für Libyen, denn Sirte wird sich sehr bald ergeben.

Wie kann man sich die Heavy Metal-Szene in Libyen vorstellen?

Unter Gaddafi war Heavy Metal verboten. Wir wurden ständig von der Polizei und der Geheimpolizei verfolgt und von denen unter Druck gesetzt. Wir mussten für eine lange Zeit wirklich darunter leiden, denn es war absolut verboten, die Musik zu hören, oder selber in einer Band zu spielen. Aber natürlich gab es einen Untergrund für Heavy Metal und seine Anhänger. Meine Band Acacus und ich spielten also trotzdem und wenn wir Musik brauchten, dann luden wir uns die einfach aus dem Netz herunter. Hehehe.

Wie wurdet ihr unter Druck gesetzt? Gab es Repressalien?

Manchmal drohten sie uns nur und wollten uns einschüchtern. Ein anderes Mal wollten sie uns ins Gefängnis sperren, da sie meinten, wir wären Satanisten und somit eh kein Teil dieser Gesellschaft. Selbst vor der Revolution tobte zwischen uns und dem Regime bereits Krieg.

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Wie groß ist die Heavy Metal-Gemeinde in Libyen?

In letzter Zeit sind es weniger geworden. Viele der Metalheads kämpften aktiv während der Revolution mit und dabei sind auch viele von ihnen ums Leben gekommen. Trotzdem sind noch einige übrig. Besonders in Tripolis und Bengasi gibt es noch eine Menge von uns und eine immer noch sehr rege und aktive Musikszene.

Wo warst du, als die Revolution begann?

Ich war auf der Tripolis Street in Misrata und begann selber schließlich, aus dem einfachen Grund gegen die Söldner und Soldaten von Gaddafi zu kämpfen, da sie mein Leben, das meiner Familie und das Leben meiner Freunde nehmen wollten.

Hattest du schon vor der Revolution eine militärische Ausbildung erhalten?

Nein, zuvor hatte ich keinerlei Ahnung von Gewehren und solchen Dingen. Ich war auch nie auf der Jagd oder etwas Vergleichbarem. Mit und durch die Revolution bin ich also zum ersten Mal mit so etwas in Berührung gekommen und jetzt blicke ich auf sieben Monate Erfahrung zurück und kann sagen, dass ich nun ein Profi im Umgang mit dem Maschinengewehr und Scharfschützengewehr bin. Mit Raketen, besonders mit RPGs bin ich jedoch nicht besonders gut. Doch das taktische Wissen über Angriffs- und Verteidigungsstrategien habe ich mir während dieser Zeit auch angeeignet. Ja, ich kann sagen, dass ich in solchen Sachen echt gut geworden bin.

Was war das für ein Gefühl, zum ersten Mal eine Waffe in der Hand zu halten und kämpfen zu müssen?

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Hmm. Ich weiß nicht so recht. Man benötigt eine brutale Geisteshaltung, um sich selbst dazu zu bringen, zu kämpfen und um dabei auch Mut zu beweisen, denn im Ernst.. .Ich meine, wir hatten einfach nicht die Ausrüstung, um uns gegen Panzer oder Ähnliches zu verteidigen. An alles, was in den letzten Monaten passierte, kann ich mich auch nicht mehr ganz genau erinnern, aber wir kämpften einfach weiter und jetzt weiß ich aus Erfahrung, dass ich ziemlich gute Fertigkeiten entwickelt habe, einfach am Leben zu bleiben.

Musstest du jemanden töten?

Ja…

Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach ist.

Ja, auf jeden Fall. Aber die Leute, die ich getötet habe, waren Kriminelle und nachdem man zum ersten Mal jemanden getötet hat, wird es wirklich einfacher. Schließlich ist es der Feind und wenn man seine Freunde sterben sieht, wenn man Stücke seiner Freunde findet, Stücke aus Fleisch, dann tut einem dieser Anblick einfach nur sehr, sehr weh. Wenn ein guter Mensch, ein Freund von dir, von einer Rakete getötet wird, dann wird man irgendwann einfach wild und zum Tier. Es schmerzt jedoch noch immer sehr, fast zu sehr.

Hast du während dieser sieben Monate im Krieg für Musik gehört und wenn, was?

Yeah! Zur Hölle ja! ich habe Cannibal Corpse und Slayer gehört. Das hat mir Energie gegeben und ließ mich auch mal abschalten.

Was sind deine großen Idole des Heavy Metal-Olymps?

Cannibal Corpse, Nail, Vader und Old School-Heavy Metal wie Metallica, Sepultura, Slayer, ach Trash-Metal insgesamt.

Wie versuchst du, jetzt wieder im normalen Leben Fuß zu fassen?

Ich werde nun für fünf Monate auf Reisen gehen und mit Freunden Musik machen.