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VICE News

Wer ist die radikale Linke?

Wer steckt hinter der Randale am ersten Mai? Was sind die Argumente für Pflastersteine werfen und entglaste Banken?

In Deutschland gehören die Randale am 1. Mai genauso zum Terminplan des Tags der Arbeit wie bei uns ein Prater-Auftritt von DJ Ötzi oder Christl Stürmer. Das ist einerseits verständlicher, was den Kontext dieses Feiertags angeht, wirft andererseits aber auch einige Fragen auf: Wer oder was ist die radikale Linke, die hier protestiert? Wer steckt hinter den Randalen am 1. Mai? Was sind ihre Argumente für Pflastersteine und entglaste Banken? Was bewegt Leute dazu, stundenlang in irgendwelchen Sitzungen zu sitzen, um Stasi-Rentner mit jungen Kurden zusammenzuführen oder autonome Sprüher mit DKPlern?

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Wir geben der Revolution ein Gesicht. Nachdem sich die meisten radikalen Linken eher bedeckt gehalten haben—man spricht nicht allzu gern mit der Presse—haben wir es geschafft, mit Ari von der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin einen Gesprächspartner zu finden, der uns einen kleinen Einblick in linke Überzeugungen gewährt. Mit ihm gehen wir Mobilisierungstour, kleben Plakate, verteilen Flugblätter und sprechen über die unvermeidliche Gewaltfrage, die seit Jahrzehnten die Linke, aber auch die Gesellschaft spaltet.

Um aber nicht ganz als akademischer Marx-Lesekurs zu enden, treffen wir uns auf der anderen Seite mit jugendlichen, erlebnisorientierten Autonomen, um die revolutionäre Praxis kennen zu lernen. Hier geht es eher um die richtige Stoffwahl für ein Transparent oder, wie besprüht man öffentlichkeitswirksam einen U-Bahnhof mit einem Demoaufruf. Schließlich müssen die Massen ja auch ausreichend mobilisiert werden. Das Ganze endete dann in einem U-Bahntunnel, wo wir zu nachtschlafener Zeit warten. Warten. Warten. Warten. Und wenn wir eins gelernt haben, dann ist es, dass man Geduld haben muss, wenn man die Revolution will.

Ob man nun nachvollziehen kann, dass man zurückschlagen will, weil man als Jugendlicher von Nazis aufs Maul bekommen hat, oder ob man verstehen kann, dass man die Niederlassung einer Bank zerstört, weil diese unter Umständen Mitschuld an der aktuellen Krise hat—das sei einmal dahingestellt. Alles in allem, präsentiert sich die Berliner radikale Linke in unseren Gesprächen weitaus offener und verletzlicher als man denkt. Weniger die martialischen und kämpferischen Parolen stehen hier im Vordergrund, als eher die offensichtliche Suche nach dem richtigen Weg, um Wut, Unzufriedenheit und ein unbestimmtes Unwohlsein zum Ausdruck zu bringen.

Die radikale Linke. Ein Porträt.