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Popkultur

Eine Ex-Prominente erzählt, warum Berühmtsein furchtbar ist

Stalker vor dem Haus, Hater im Internet: In ihrem neuen Buch beschreibt der frühere Sitcom-Star Justine Bateman, wie der Ruhm sie kaputt machte.
Foto links damals: Herb Ball | NBC || Foto rechts heute: Steven Meiers mit freundlicher Genehmigung von Akashic Books

"Du gehörst nicht dazu, du bist nicht wirklich echt", schreibt Justine Bateman in ihrem Buch Fame: The Hijacking of Reality über das Berühmtsein. "Du bist noch nicht mal richtig da. Du bist nicht da. Du änderst alles, wenn du einen Raum betrittst, aber du bist gar nicht da. Wir können über dich sprechen, als wärst du nicht hier. Du bist nämlich eine Nicht-Person. Wir können über dich herziehen, du bist nämlich nicht echt. Es ist wie im Film, wenn sie einen lebensechten Roboter töten, eine Replik. Sollten wir uns deswegen schlecht fühlen? Uns entschuldigen?"

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Als Teenager war Justine ein Star. Anfang bis Ende der 80er war sie Darstellerin der erfolgreichen US-Sitcom Familienbande. Bevor es Hunderte Kabelkanäle und Streamingseiten gab, schalteten zu jeder Folge mehrere Millionen Menschen den Fernseher ein. Justine Bateman war unfassbar berühmt.

Der Ruhm hatte seine Vorteile: Hubschrauber, Limousinen, Backstage-Pässe und Polizisten, die gerne mal ein Auge zudrückten. Aber die schlechten Seiten überwogen. Aufgrund eines Stalkers konnte sich Justine in der Öffentlichkeit nicht mehr entspannen. Nachts fuhren Menschen an ihrem Haus vorbei und riefen den Namen ihrer Serienfigur. Zeitungen druckten Unwahrheiten über sie und als sie Jahre später ihren Namen bei Google eingab, landete sie in Foren, in denen Menschen sie als Meerhexe und Meth-Abhängige bezeichnen.

All das beschreibt die 52-Jährige in Fame: The Hijacking of Reality. Es liest sich wie ein Horrorroman. Ruhm wird darin zu einem düsteren Gebilde, das die Realität verzerren und Freunde, Familie und die Öffentlichkeit dazu bringen kann, sich gegen dich zu wenden. Wir haben mit Justine Bateman über ihr Buch, Ruhm und darüber gesprochen, wie es ist, diesen zu verlieren.


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VICE: War das Leben als Star wirklich so schlimm, wie du es in dem Buch beschreibst?
Justine Bateman: Natürlich macht jeder andere Erfahrungen. Ich persönlich hatte aber nie das Gefühl, die Welle meines Ruhms zu reiten. Er hat mich geritten. Ich habe nur versucht, mitzuhalten. Mit 16, 19, 20 machst du einfach alles mit, was um dich herum passiert. Wenn dein Aufstieg so schnell geschieht, kommen die Anfragen Schlag auf Schlag – Interviews, Fotoshootings, Werbeangebote und so weiter. Es passiert alles so schnell. Du kannst dir das wie in dem alten Lucille-Ball-Sketch vorstellen, bei dem sie am Förderband Pralinen einpacken soll. Du versuchst einfach nur mitzuhalten.

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Ist wirklich alles nur schlecht?
Es gibt auch gute Seiten. Die Menschen hören dir zu. Du bekommst reichlich Angebote. Und mit Anfang 20 in jeden Club zu kommen, ist natürlich auch nett. Wenn du dich aber gleichzeitig mit diesen ganzen anderen Dingen rumschlagen musst, ist es schwer, die schönen Seiten zu genießen. Es ist, als würdest du bei 40 Grad einen Marathon laufen, während dir jemand schöne Bilder vor die Nase hält. Es ist schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren, wenn du so viel am Hals hast.

Hattest du Angst davor, dieses Buch zu schreiben? Es wird ja nicht immer gerne gesehen, wenn Menschen über ihren Ruhm klagen.
Es war definitiv nicht mein Ziel, mich über irgendwas zu beschweren. Ich wollte zeigen, wie es ist, berühmt zu sein und wie sich die Gesellschaft dazu verhält. Ich wollte über diesen Kreislauf sprechen und mich damit auseinandersetzen, weshalb wir Berühmtsein überhaupt so erstrebenswert finden.

Du bewegst dich immer noch in der Welt der Stars und hast einen sehr berühmten Bruder [Anm. d. R.: Schauspieler Jason Bateman]. Inwiefern hat sich die Behandlung von Promis seit deiner Zeit als Star geändert?
Als ich super berühmt war, wurden Fernseh- und Filmstars sehr unterschiedlich behandelt. Diese Grenze scheint heute nicht mehr so scharf zu sein, auch weil viele heute beides machen. Außerdem habe ich mitbekommen, dass die Bewunderung heute vor allem online stattfindet. Früher gab es das durch persönlichen Kontakt oder in der Form von Fanpost. Heute gibt es gefühlt für jedes Herzchen-Emoji ein Forum oder eine Website, die nur dazu da sind, über dich herzuziehen.

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Am meisten hat mich die Stelle in deinem Buch schockiert, als du dich du selbst gegoogelt hast.
Ja, das war richtig schlimm. Das war ein Fehler, den ich am liebsten wieder rückgängig machen würde. Ich habe meinen Namen gegoogelt und Google ergänzte "… sieht alt aus". Ich war 44.

Ich sah eigentlich immer jung für mein Alter aus. Ohne arrogant klingen zu wollen, empfand ich mein Aussehen immer als mein Kapital. Ich galt nach gesellschaftlichen Standards als attraktiv. Mit Anfang 20 konnte ich es kaum abwarten, wie Anna Magnani oder Isabelle Huppert auszusehen. Diese großartigen europäischen Schauspielerinnen mit den prägnanten Wangenknochen, dem müden Blick und den dunklen Ringen unter den Augen. Als mein Gesicht mit 42, 44 endlich begann, etwas Charakter zu bekommen, habe ich mich so gefreut. Ich hatte meine Rechnung allerdings ohne unsere Gesellschaft gemacht, die sich in die komplett andere Richtung bewegte. Heute versuchen alle, durch Schönheitsoperationen, Make-up und Instagram-Filter jeglichen Charakter aus ihren Gesichtern verschwinden zu lassen. Man will seinen Babyfotos so nahe wie möglich kommen.

Ja.
Als ich also meinen Namen bei Google eingab und die Seite ihn mit "sieht alt aus" ergänzte, verstand ich die Welt nicht mehr. Ich klickte auf eins der Ergebnisse. Ein riesen Fehler. Es war viel schlimmer, als ich mir hätte vorstelle können. Einfach furchtbar, denn ich verstand nicht, was diese Leute meinten. Ich konnte nicht sehen, was sie sahen. Ich schaute auf das Foto, las die Kommentare und schaute wieder aufs Foto. Es war ein bisschen wie bei dem Kleid, das für die einen blau, die anderen weiß ist. Nur hier war ich aber die einzige, die blau sah.

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Es gibt dieses tolle Experiment, bei dem eine Versuchsperson die Länge einer Linie bewerten soll. Eigentlich ist das Ergebnis eindeutig und wird vom Probanden korrekt gelöst. Weil nach ihm allerdings drei eingeweihte Versuchsteilnehmer auf ein anderes Ergebnis bestehen, ist die Versuchsperson schließlich verunsichert und ändert ihre Antwort.

Mir erging es ähnlich. Ich habe einfach nicht verstanden, wie alle anderen etwas sehen konnten, das mir verborgen blieb. Ich kam zu dem Schluss, dass ich mich all die Jahre selbst belogen hatte, und übernahm ihre Meinung. Das hat mich für mehrere Jahre richtig fertiggemacht.

Inwiefern?
Meine Angst war einfach, dass dieser Aspekt meiner Wirklichkeit, meine Berühmtheit, verschwunden war. Dabei ging es nicht darum, dass ich meinem Status hinterhertrauerte. Wenn ein dir nahestehender Mensch stirbt, du plötzlich in eine andere Stadt ziehen musst oder deinen Job verlierst, bricht ein wichtiger Teil deiner Lebensrealität weg. Für viele kann das eine traumatische Erfahrung sein. Wenn also der Bekanntheitsgrad eine Konstante in deinem Leben ist und dieser plötzlich wegfällt, kann das verstörend sein.

Wie war es, diesen Status zu verlieren?
Es war ein langsamer Prozess. Am Anfang merkt man es noch nicht so richtig. Der Trubel um einen ebbt etwas ab, aber man denkt sich, dass man mit dem nächsten Projekt wieder aufsteigen wird. So ein bisschen wie an der Börse: Es gibt Höhen und Tiefen, aber ganz unten landest du nie. Das kommt dir einfach überhaupt nicht in den Sinn.

Der wirkliche Abstieg ist dann wie Sand, der dir zwischen den Fingern zerrinnt. Du kannst es nicht aufhalten. Es ist, wie mit einem Go-Kart einen Hügel runterzufahren, ohne Motor, ohne Bremsen. Dir bleibt nichts anderes, als durch Lenken zu versuchen, einen fiesen Unfall abzuwenden. Bei dieser Abfahrt musst du von gewissen Dingen loslassen. Von deinem Selbstbild, deinem Ego, deinem Selbstwertgefühl, deinen Bedenken über deine Karriere. Ich musste viel an mir arbeiten, habe viel geschrieben.

Ruhm ist unvorhersehbar. Etwas, das du nicht kontrollieren kannst. Und weil so viel deines Lebens davon abhängt, ist da diese Angst. Deswegen kann es manchmal unangenehm oder sogar beängstigend sein, sich im Umfeld einer Person aufzuhalten, deren Ruhm verblasst ist. Eine Journalistin hat mich vor Kurzem gefragt: "Und was ist, wenn das Buch Sie plötzlich wieder berühmt macht?" Ich spürte sofort ein Unbehagen in mir aufsteigen und sagte: "Das will ich nicht." Und wofür auch? Was hätte ich davon?

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