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Diese außenpolitische Mixtur ist natürlich keine Erfindung der neuen schwarzblauen Regierung, und lässt sich in ihren Konturen schon bei Niccolò Machiavelli nachlesen. Die heutige "Versicherheitlichung" erklärt Probleme als besondere Gefährdungen, die Maßnahmen außerhalb des gewohnten Instrumentenkastens erfordern.
Gleichzeitig betont Außenministerin Karin Kneissl eine "regelbasierte Ordnung" als Denkansatz. Die EU-Globalstrategie oder die UNO sind dabei die Referenzpunkte. "Kein Staat", so das Regierungsprogramm, "kann die aktuellen Krisen und Konflikte der Welt allein lösen."Im Gegenteil: Laut dem Regierungsprogramm soll Österreich ein "aktiver Ort des Dialogs sein und eine Entspannungspolitik zwischen dem Westen und Russland vorantreiben". In den vergangenen Jahren fanden hierzulande die Verhandlungen des Atomabkommens mit dem Iran statt, und Gespräche zu Syrien, Libyen oder zur Ukraine wurden organisiert.Gemäß dem Regierungsprogramm soll Österreich ein "aktiver Ort des Dialogs sein und eine Entspannungspolitik zwischen dem Westen und Russland vorantreiben".
Auch abseits des Ministeriums am Minoritenplatz ist Österreich schwach aufgestellt: Zu wenige wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Kapazitäten können die Brücken befestigen und ein belastbares Netzwerk jenseits von Wirtschaftsinteressen bilden. Vermittlung auf gesellschaftlicher Ebene hat sich oft als sinnvoll herausgestellt. Neuere Außenpolitik-Instrumente wie Zivile Friedensdienste – staatlich geförderte und ausgebildete zivile Fachkräfte, die an der Bearbeitung eines Konfliktes mitwirken – sind in Österreich bislang nicht realisiert.Auch die freiwillige oder projektgebundene Unterstützung der internationalen Organisationen, etwa von der OSZE, der UNO oder des UNHCR durch Österreich ist ausbaubar und im Vergleich zu anderen Staaten zum Teil stark unterfinanziert. Gute finanzielle Beiträge würden den Wunsch nach Dialogstiftung unterstreichen.Das gilt auch für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA): Österreich bleibt in der EZA, aber auch in der Katastrophenhilfe hinter den Ankündigungen zurück. Es gibt aktuell keine konkreten Schritte, die EZA wie angekündigt auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen.Gute finanzielle Beiträge würden den Wunsch nach Dialogstiftung unterstreichen.
Erfreulich ist jedenfalls die Ankündigung der Ausarbeitung einer China-Strategie. Generell auffällig ist der unterschiedliche Blickwinkel zwischen dem Regierungsprogramm und den Grundsatzreden von Außenministerin Kneissl. Letztere berücksichtigt globale Umbrüche und Institutionen weit stärker in ihren strategischen Überlegungen und lässt innenpolitische Befindlichkeiten ein Stück zurücktreten.Nicht fehlen darf auf dem symbolischen Kompass der österreichischen Außenpolitik das Dollar- beziehungsweise Euro-Zeichen: Es geht bei Außenpolitik auch um Profit und Ressourcen. Botschaften werden dort aufgesperrt, wo es Wirtschaftsinteressen gibt.Dass in Bezug auf Diplomatie nach Wirtschaftsinteressen hiesige Politikerinnen und Politiker weniger Kritik und Kontrolle fürchten müssen als anderswo, hat mit dem niedrigen Stellenwert der Außenpolitik in der österreichischen Gesellschaft zu tun: Die in der Bevölkerung etwas mangelhaft ausgeprägte Alphabetisierung in Außenpolitik- und EU-Fragen ist Basis dafür, dass man in der Politik fünf auch gern mal gerade sein lässt.Es geht bei Außenpolitik auch um Profit und Ressourcen. Botschaften werden dort aufgesperrt, wo es Wirtschaftsinteressen gibt.
Zweifellos konnte allerdings die außenpolitische Sichtbarkeit in den vergangenen fünf Jahren massiv gesteigert und das Thema Außenpolitik insgesamt attraktiver gemacht werden: Neben erwähnten Erfolgen als Verhandlungsort und mit dem Atomwaffenverbotsvertrag hat das nicht zuletzt mit dem aktuellen Bundeskanzler zu tun: Sebastian Kurz konnte sich in der Funktion als Außenminister in der österreichischen Öffentlichkeit als internationaler Shooting-Star präsentieren. Und als "Leader" beim Thema Migration. Dass Kurz als Außenminister den Eindruck erweckte, er hätte mit aufgekrempelten Ärmeln eigenhändig die Balkanroute gesperrt, hat ihn ins Kanzleramt gebracht.Dass Kurz als Außenminister den Eindruck erweckte, er hätte mit aufgekrempelten Ärmeln eigenhändig die Balkanroute gesperrt, hat ihn ins Kanzleramt gebracht.
Die schwarzblaue Regierung formulierte "ein klares Bekenntnis zu einer aktiven Neutralitätspolitik". Die Frage ist, was darunter verstanden werden soll. Der vormalige SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hat mit der "interessengeleiteten Neutralität" neue Funktionen zu schaffen versucht: Neutralität als Instrument zum Schutz der Außengrenzen, Stabilisierungsmissionen in Herkunftsländern von Migration oder Militärhilfe und -intervention bei Terror.
Geschmeidig hat das neutrale Österreich EU-Rüstungsverpflichtungen, Erleichterungen von Rüstungsexporten und engere Kooperationen mit der NATO abgenickt. Auch EU-Militäreinsätze hat Österreich besonders aktiv unterstützt und sich für deren Weiterentwicklung engagiert.Bei vielem waren die EU-Staaten in den vergangenen Jahren nicht im Gleichklang. In mehrerlei Hinsicht steht Europa vor einer Zerreißprobe.
Beim militärischen Kerneuropa geht es um eine regelmäßige reale Aufstockung der Verteidigungshaushalte zum Zweck von Auslandseinsätzen, die in der EU nur von den militärisch Fähigen und politisch Willigen durchgeführt werden.Dieses Kerneuropa ist die militärische Überwindung einer uneinigen EU-Außenpolitik. Und das neutrale Österreich ist mittendrin. Auch unter Bundeskanzler Christian Kern war das so, auch er nahm das Demokratiedefizit und die Aufrüstung hin. Kanzler Kurz ließ wissen, dass PESCO "im Einklang mit der Neutralität" stehe.Dieses Kerneuropa ist die militärische Überwindung einer uneinigen EU-Außenpolitik. Und das neutrale Österreich ist mittendrin.
Europäischer und österreichischer Konsens ist auch, Sicherheitsapparate in teils autoritären Staaten Afrikas effizienter zu machen. Aus der alten Militärhilfe wird nun die Reform von Militär, Polizei oder Geheimdienst (Sicherheitssektorreform).Kurz will in der Sicherheit mehr Europa und in anderen Bereichen mehr Selbstbestimmung.
Zudem sollen die Themen den Koalitionspartner FPÖ und die EU zusammenbringen. Außengrenzschutz, Stärkung von Frontex und Fortsetzung der personell militärisch dominierten Auslandseinsätze: Solche Maßnahmen erlauben auch FPÖ-PolitikerInnen, als europäisch Gesinnte aufzutreten.Nationaler Grenzschutz bleibt bestehen, "solange der europäische Außengrenzschutz nicht gesichert ist", sagen Kurz und Strache. Die wehende Österreich-Fahne bestimmt also weiter die Migrationspolitik; und diese definiert die Sicherheitspolitik. Und die anderen 27 Mitgliedsstaaten können da aktuell sehr gut mit.Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Sein jüngstes Buch "Sicherheit, Supermacht und Schießgewähr. Krieg und Frieden am Globus, in Europa und Österreich" erschien zu Jahresbeginn 2018.Folgt VICE auf Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat.Nationaler Grenzschutz bleibt bestehen, "solange der europäische Außengrenzschutz nicht gesichert ist", sagen Kurz und Strache.