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Verbrechen

Das Video des Berliner Geldtransporter-Überfalls ist Comedy-Gold

Wir haben dieses Denkmal der Unprofessionalität für euch analysiert.
Maskierte Männer stehlen Geldkisten aus einem Geldtransporter in Berlin
Screenshot: Bild.de

Zwei Autos keilen einen Geldtransporter ein. Neben der Fahrerkabine stehen zwei maskierte Männer mit Sturmgewehren. Am Laderaum fuchtelt jemand mit einem hydraulischen Spreizgerät in der Größe eines Erstklässlers, zwei weitere Männer laden Sekunden darauf mehrere Geldkisten in ihren Fluchtwagen. Knapp zwei Minuten später flüchten die Räuber. Und verlieren einen Teil ihrer Beute schon beim Anfahren.

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Trotz der chaotischen Szenen ist das kein Trailer des nächsten Hangover-Streifens, sondern es sind Aufnahmen eines Geldtransporter-Überfalls in Berlin-Mitte. Fünf maskierte Männer hatten den Van am Freitagmorgen in der Schillingstraße unweit des Alexanderplatz aufgebogen und ausgeräumt. Bei ihrer Flucht beschossen sie einen Polizeiwagen und bauten mehrere Unfälle, berichtete die Berliner Polizei. Am Sonntag teilten die Ermittler mit: Die Gangster ließen auch den Rest ihrer Beute im Fluchtauto zurück. Und gingen maximal unerfolgreich aus ihrem Vorhaben raus.

"Wie in einem Hollywood-Film", so beschrieb ein Augenzeuge den Überfall gegenüber Bild, die am Sonntag ein Video der Tat veröffentlichte. Das erinnert jedoch nicht an einen Action-Thriller über ein perfekt geplantes Verbrechen. Sondern eher an den missglückten Prank von kriminellen YouTubern.

Die besten Szenen dieser Slapstick-Komödie in vier Akten.

Die unkoordinierten Räuber

Nicht nur, wer monatelang darauf wartet, dass jemand die bettwanzenverseuchte Matratze vor der Haustür entsorgt, weiß: In Berlin dauert vieles länger. Den Männern mit den Sturmgewehren ging es offensichtlich nicht anders. Sie laufen an den Seiten des Transporters auf und ab, während ihre Kollegen am Kofferraum sich so langsam bewegen, als würde man sie nach Stundenlohn bezahlen.

Einer versucht, die Heckklappen mit einem Hydraulik-Gerät aufzustemmen und zeigt dabei eine ähnliche Ruhe, als würde er gerade mit einem Messer den köstlichen Inhalt einer Dose Ravioli freilegen. Dabei scheint es ihn auch nicht sonderlich zu motivieren, dass hinter ihm ein nervöser Mann mit einer Kalaschnikow steht.

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Der maximal entspannte Passant

Stellen wir uns vor, man holt Brötchen vom Bäcker, überlegt, in welcher Kneipe man sich am Abend volllaufen lässt und plötzlich sind da ein paar Typen mit Sturmgewehren, die sich nicht für einen zu interessieren scheinen. Würde man weglaufen? Vielleicht. Wir wissen nicht, ob der Passant in dem Video stattdessen dachte: "Ach, ein Raubüberfall, Berlin, ick liebe dir!" Zumindest schien er nicht daran gedacht zu haben, schnell abzuhauen.


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Mit gebeugtem Rücken und beiden Händen in den Hosentaschen schlendert er auf dem Bürgersteig und verlangsamt seinen Gang immer wieder. Während die Männer gerade gewaltsam die Karosserie des Geldtransporters umgestalten, beobachtet der Passant sie, als sei er sich nicht sicher, ob er nicht doch auf der Couch sitzt und Berlin, Tag & Nacht schaut. Als er bereits an den schwerbewaffneten Männern vorbei ist, bleibt er noch mal stehen und dreht sich um.

Mehrere Sekunden beobachtet er den Überfall so tiefenentspannt wie Bahn-Mitarbeitende die wachsende Schlange am Info-Schalter eines Bahnhofs. Dann verschwindet er aus dem Bild – um 30 Sekunden später wieder aufzutauchen.

Das Geldkisten-Tetris

Habt ihr schon mal auf dem IKEA-Parkplatz gemerkt, dass euer Kofferraum plötzlich kleiner ist, als er es noch vor dem Kauf des neuen Kleiderschranks war? So ähnlich müssen sich auch die Bordstein-Gangster gefühlt haben, als sie endlich die Tür des Geldtransporters aufgebogen hatten.

Offenbar hatte keiner vor ihrem Raubzug bei dem Geldtransporter-Unternehmen angerufen, um zu fragen, wie groß die Kisten sind, die sie stehlen wollen. OK, es gibt sicher elegantere Wege, das herauszufinden, aber wir sind auch nicht Daniel Ocean. Man hätte aber zumindest darauf kommen können, dass man einen Kleintransporter braucht, um den Inhalt eines anderen Kleintransporters wegzuschaffen. Stattdessen hatten die Männer einen Mercedes mit viel zu kleinem Kofferraum für ihren Raubzug geklaut. Im Video zieht einer der Räuber die Kisten aus dem Geldtransporter-Laderaum und stellt sie auf den Asphalt. Ein zweiter schaufelt sie planlos in den Kofferraum des Fluchtwagens wie Holzkohle in den Ofen einer Dampflok. Doch bevor der Fluchtwagen losrauschen kann, fehlt noch das Prunkstück in dieser Runde Dilletanten-Tetris.

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Die letzte Kiste, die so groß ist, dass man zehn Familienpizzen darin transportieren könnte, passt nicht mehr wirklich auf den Kistenhaufen und ragt aus dem Kofferraum. Die Heckklappe steht noch offen, als die Männer dem großen Finale entgegenfahren.

Der Abgang

Die Räuber hatten vor ihrem Überfall beide Fluchtwagen bei einem Gebrauchtwagenhändler geklaut. Das Praktische daran ist, dass man dann auch gleich ohne Führerschein fahren kann. Zumindest rangiert der Fahrer des vorderen Wagens so unbeholfen vor und zurück, als habe ein Bauer seinen zehnjährigen Enkel zum ersten Mal ans Traktor-Steuer gelassen. Als die Straße schließlich doch frei ist, gibt der Fahrer des zweiten Fahrzeugs mit der offenen Heckklappe Gas.

Nach wenigen Metern plumpst die große Geldtruhe aus dem Kofferraum und bleibt auf dem Asphalt liegen wie ein Mahnmal für den grandiosen Misserfolg dieser ganzen Aktion. Als auch der zweite Wagen anfährt, schießt hinter ihm ein Fahrradfahrer ins Bild. Er weicht der Kiste aus, bremst und beugt sich nach vorne über den Lenker. So als wollte er dem Fahrer gerade hinterher brüllen, dass der was erleben könne, wenn er ihn an der nächsten Ampel erwischt. Wie man das in Berlin eben so macht. Aber da sind die beiden Fluchtwagen schon zu weit weg und der Fahrradfahrer, an den in der Berichterstattung nach dem Überfall keiner dachte, dieser Fahrradfahrer bleibt mit all seiner Wut alleine.

Mittlerweile glauben die Ermittler, dass noch ein dritter Wagen in die Flucht involviert war. Sicher ist: Die Räuber haben von ihrer mühsam aufgestapelten Beute nichts behalten, der Welt aber ein denkwürdiges Video hinterlassen.

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