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GroKo

Dieser Mann könnte der mächtigste AfD-Politiker der nächsten vier Jahre werden

Peter Boehringer steht auf Schatzsuchen, Verschwörungstheorien – und wacht bald über mehr als 300 Milliarden Euro.
Collage, bestehend aus: Peter Boehringer (Foto: GoldMoneyNews | Flickr | CC BY 2.0); Bundestag (Foto: betexion | Pixabay | CC0

Genau wie man seine Küchenmesser vor Kleinkindern wegsperrt und seine Waschmittelreserven vor Teenagern gibt es auch im Bundestag Dinge, die man vielleicht nicht ausgerechnet der einzigen rechten bis rechtsradikalen Partei in die Hände legen sollte. Der Vorsitz des Haushaltsausschusses ist so eine Sache. Wer den Posten bekommt, kontrolliert, wie viel Geld der Bund ausgibt – also quasi, wie die Regierung die Fuffies des Landes durch den Club schmeißt. Kommt die Große Koalition zustande, geht der Job an die AfD. Und die entsendet einen fragwürdigen Kandidaten in das Amt.

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Die AfD profitiert von lang gepflegten politischen Ritualen: Der Vorsitz des Haushaltsvorschusses geht nach parlamentarischem Brauch an ein Mitglied der größten Oppositionspartei. Wenn Union und SPD ihre GroKo-Pläne durchsetzen, ist die AfD mit 92 Parlamentariern Oppositionsführer. Am Dienstag gab die Fraktion bekannt, dass sie den Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer für den Posten nominieren wird. Der Mann, der künftig über mehr als 320 Milliarden Euro mitentscheidet, ist eigentlich nicht die Art von Mensch, der man gerne sein Vermögen anvertraut.

In Mails soll Boehringer die Kanzlerin als "Merkelnutte" bezeichnet haben

Kurz nachdem die AfD ihn am Dienstag offiziell für das Amt vorgeschlagen hat, veröffentlichten Journalisten des NDR und WDR islamfeindliche Zitate aus E-Mails des 48-Jährigen. Darin wirft er mit cholerischen Wort-Neuschöpfungen um sich: In den Nachrichten aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 tippte Peter Boehringer Ausdrücke wie "Merkelnutte", "Führerin-Merkel" in seine Tastatur oder fabulierte über das "völlig irre Gebaren des Staats, der vor dem 'kriminellen = koranhörigen = frauenverachtenden Macho-Mob der Surensöhne' kapituliere". Ende 2017, als er bereits im Bundestag saß, habe er sich zudem solidarisch mit Michael Stürzenberger geäußert, so die NDR/WDR-Recherche. Stürzenberger war Vorsitzender der rechten Partei "Die Freiheit" bis zu deren Auflösung im Dezember 2016 und wurde deswegen vom Verfassungsschutz beobachtet. Heute ist er Gelegenheits-Autor für einen islamfeindlichen Blog.


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Peter Boehringer ist nicht der einzige zweifelhafte Kandidat, den die AfD an die Spitze eines Bundestagsausschusses entsandt hat: Die Partei plant, Stephan Brandner zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses zu machen. Bereits mehrfach wurde gegen Brandner ermittelt. Erst im Dezember prüfte die Thüringer Staatsanwaltschaft ein Macheten-Foto, das Brandner mit dem Satz "Warten auf die Antifa oder das Zentrum für politische Schönheit" auf Twitter gepostet hatte. Die Leitung des Tourismusausschusses übernimmt Sebastian Münzenmaier. Der wurde 2017 verurteilt, weil er Hooligans dabei geholfen hatte, gegnerische Fans zu verprügeln.

Auf Deutschland wartet womöglich eine goldene Zukunft

Der wohl zukünftige Haushaltsausschussvorsitzende Peter Boehringer hat derweil eine ganz andere Leidenschaft: Gold. Wenn er nicht gerade als freier Autor für das rechtsorientierte Magazin eigentümlich frei Beiträge über Bitcoins, Elektroautos und "die wahre Alternative" (= seine Partei) schreibt, widmet er sich seiner Faszination für Goldbarren – genauer: der für deutsche Goldbarren.

Boehringer hat sich einer großen Mission verschrieben: Er will die deutschen Goldbestände aus London, New York und Paris "zurück" nach Deutschland holen. Das Gold liegt im Ausland, seit es Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zugeteilt wurde, und kann demnach nicht "zurückgebracht" werden. Boehringer ist das egal. Seine Schatzsuche brachte ihm den Spitznamen "Goldmann" ein. 2011 initiierte er die Bürgerinitiative "Holt unser Gold heim!". 2015 veröffentlichte er das gleichnamige Buch – er nennt es "Kampfschrift" – in einem Verlag für Wirtschaftsliteratur. Auch der rechte und pseudowissenschaftliche Kopp Verlag promotet Holt unser Gold heim.

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Bei dem Verlag wäre Boehringer auch mit anderen Aussagen gut aufgehoben: Auf Facebook schreibt er, dass geheime Eliten an einer neuen Weltordnung arbeiten, Freimaurer die Vereinten Nationen unterwandert haben und Saudi-Arabien Geflüchtete bezahlt, um Europa zu invadieren.

Glaubt man dem AfD-Fraktionssprecher, führt der virtuelle Goldgräber Boehringer seine Sammelleidenschaft auch innerhalb der Partei fort: Boehringer soll die Idee für den Online-Goldhandel gehabt haben, mit dem die AfD 2015 ihr Taschengeld aufbesserte. Boehringer selbst sagt allerdings, er habe Lucke damals von der Sache abgeraten.

Bekäme Peter Boehringer wirklich den Posten als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, dürfte er mit den Geldern des Bundeshaushaltes jonglieren. Die ersten Bedenken darüber äußerten Kritiker gleich nach der Nominierung: Boehringer ist im Vorstand der AfD-nahen Desiderius Erasmus-Stiftung, die sich um staatliche Finanzierungsgelder bewerben will. Wird der Unterstützung zugestimmt, könnte die Stiftung bis zu 80 Millionen Euro erhalten – je nachdem, was der Haushaltsausschuss sagt.

Für Boehringer ist jede Kritik an seiner Person so weit entfernt von der Realität wie die deutschen Goldreserven vom deutschen Boden. Auf seiner Facebook-Seite postet er aktuelle Berichte über sich und seinen möglichen Posten – die "Hetzartikel mal weggelassen". Übrig bleiben ein Tagesschau-Beitrag und ein englischsprachiger Artikel des Nachrichtenunternehmens Bloomberg. Boehringers Enthusiasmus trübt das nicht: Er schreibt, er freue sich über seine neue Aufgabe und darüber, den Bundeshaushalt über mehr als 320 Milliarden Euro aufzustellen. Aber das heißt noch nichts: Kinder verstehen schließlich auch nicht immer sofort, welchen Schaden sie mit den scharfen Messern anrichten können.

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