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Liebe

Fünf Fragen, die das Date aufwirft, bei dem eine Frau ihre Kacke aus dem Fenster warf

Das vielleicht abenteuerlichste Tinder-Date aller Zeiten lässt uns grübeln: Haben sie es danach getrieben? Kann irgendwas diese Liebe jetzt noch aufhalten?
Foto via GoFundMe

2012 blieb ein Mann im schottischen Aberdeen in einem öffentlichen Mülleimer stecken. So beschreibt er selbst den Vorfall: "Ich bekam meinen Kopf nicht wieder raus. Es war schockierend. Ich war auf der Suche nach meinem Hut. Ich steckte etwa 20 Minuten lang fest. Es stank. Jetzt bin ich als Bucket Heid bekannt." Ich weiß nicht, was lustiger ist: der Fotoshoot für die Lokalzeitung, wo er das Malheur nachstellt? Der sofort auferlegte Spitzname "Eimerkopf"? Die Tatsache, dass er überhaupt mit einer Zeitung darüber spricht, wie er seinen Kopf in einem Mülleimer eingeklemmt hat? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Lustigste daran sein Understatement ist: "Es war schockierend." Stell dir mal vor, dein ganzer Kopf (der ganze!) steckt in einem Mülleimer (einem Mülleimer!) fest. Und dann sagst du: Es war schockierend.

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Mein Punkt ist folgender: William "Bucket Heid" Middleton hat bewiesen, dass nur wenige Dinge so lustig sind wie ein Mensch, der irgendwo feststeckt. Das spricht ein Urbedürfnis in uns an. Wir Menschen sind mächtige Wesen, wir sind mit Daumen ausgestattet und sehr beweglich. Körperlich können wir sehr viel erreichen, selbst die Schwächsten und Unförmigsten unter uns. Aber unsere Köpfe können auch schnell irgendwo steckenbleiben, zum Beispiel in Mülleimern oder Fenstern. Und das ist lustig. Genau wie es lustig ist, wenn jemand einen Schlag in die Eier kriegt, oder sich den Kopf auf bescheuerte Weise anschlägt. Oder dieses Video von einem Typen, der beim Trampolinspringen seine Hose verliert. Solcher Slapstick erfreut einfach unser inneres Kind.

Und dann passierte das:

In Großbritannien hat sich vor Kurzem die womöglich großartigste Geschichte zugetragen, die ein Mensch nur erzählen kann. Ein Junge und ein Mädchen lernen sich auf Tinder kennen, gehen was essen, dann zu ihm nach Hause, das Mädel muss kacken, Spülung funktioniert nicht, sie wickelt die Wurst in Klopapier und will sie aus dem Fenster werfen. Dahinter befindet sich aber ein zweites Fenster und die Kackwurst landet zwischen den beiden Scheiben. Die versucht sie mit Hilfe des Typen zurückzuholen, bleibt dabei im Fenster stecken und die Feuerwehr muss ausrücken. Am Ende gibt es eine Crowdfunding-Aktion, um das zerstörte Fenster zu ersetzen. Episch!

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Hätte Shakespeare eine bessere Geschichte erfinden können? Nein, hätte er nicht. In 600 Jahren werden Schauspielerinnen am Theater darum wetteifern, den Part der Ophelia in dieser Tragikomödie spielen zu dürfen. Das Stück wird so berühmt und sagenumwoben sein, dass sie sich wie bei Macbeth nicht trauen werden, es beim Namen zu nennen – statt "Das schottische Stück" werden sie "Das scheißische Stück" dazu sagen.


Auch bei VICE: You Don't Know Shit


Ich habe jedenfalls ein paar Fragen:

Wer scheißt und stellt sich danach den Tatsachen?

Bei den Diskussionen zu dieser Story in der VICE-Redaktion habe ich viel über meine werten Kolleginnen und Kollegen erfahren – und damit über die gesamte Menschheit. Nämlich: Menschen, die kacken und die Kacke im Rahmen einer gescheiterten Defenestration außer Reichweite befördern, wo sie auf ewig vor sich hin rotten könnte – solche Menschen teilen sich in zwei Lager:

Ausreißer: Menschen, die vor der Kacke davonlaufen und so tun, als würde die Kacke gar nicht existieren

Anpacker: Menschen, die die Kacke und damit ihr eigenes Fehlverhalten konfrontieren

Man könnte die Einteilung genauso gut so ausdrücken:

  • Schlechte Menschen
  • Gute Menschen

Unsere Kackewerferin fällt in letztere Kategorie. Ja: Sie hat gekackt. Ja: Sie hat beim ersten Date gekackt, was allgemein als gewagt gilt. Und ja: In ihrem Kopf gab es da irgendwo eine Kurzschlussreaktion, sie hat die Kacke mit Toilettenpapier aufgehoben und aus dem Fenster geworfen. All das ist passiert. Aber sie hat sich der Kacke gestellt, ihren Fehler eingestanden. Sie marschierte aus dem Bad zu ihrem wartenden Date und sagte: "Hey, ich hab' gekackt." Stell es dir wirklich mal Schritt für Schritt vor:

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Euer erstes Date, es läuft richtig gut – eine echte Seltenheit. Du stehst unter Strom, hast Schmetterlinge im Bauch. "Könnte er der Eine sein?", denkst du.

Ihr kommt aus dem Restaurant zu ihm nach Hause und die Spannung steigt. "Könnte er der Eine sein, mit dem es gleich heiß zur Sache geht?", denkst du. Du speicherst alle Details ab, für später mal, wenn du sie euren Enkeln erzählen willst. Die Stimmung, die Musik. Sogar die Farbe der Vorhänge, die Flauschigkeit seiner Tagesdecke. "So haben wir uns kennengelernt", wirst du den Kleinen eines Tages sagen. "An dem Abend haben wir uns verliebt."

Dann rumort es in deinem Bauch, dieses eklige, klopfende Gurgeln, und du merkst: "Oh je, ich muss doch nicht ausgerechnet jetzt …?"

Du entschuldigst dich und gehst einen abseilen. Aber weil du dich in einer halb zerfallenen, typischen Studentenbude befindest, geht natürlich die Klospülung gar nicht oder nur unter ganz bestimmten Umständen. Es gibt ein magisches Spülmanöver, das die Bewohner dieser Bude kennen, aber du eben nicht – und jetzt steckst du in der Klemme. Du schaust die Kacke an, die Kacke schaut zurück. Angstschweiß tritt aus deinen Poren. Du weißt, dass jede Sekunde, die du im Bad verbringst, ihm wie eine Minute vorkommt.

Du machst die Sache mit dem Kacke-aus-dem-Fenster-werfen.

Die Kacke bleibt im Niemandsland des seltsam großen Spalts zwischen den Doppelfenstern liegen, und nun stehst du vor einer der größten Herausforderungen des Lebens: sich zu herumliegenden Fäkalien bekennen.

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Und dann, nachdem du diesen ganzen Vergnügungspark der Emotionen durchfahren hast – ein Abend, der mit Verlieben angefangen hat – verlässt du das Bad und gehst zu dem Menschen, der sich zu 80 Prozent sicher ist, dass ihr heute Nacht Sex haben werdet, und sagst: "Hey, das ist jetzt ein bisschen komisch, aber ich habe gekackt und die Scheiße dann zum Fenster rausgeworfen. Kannst du mir helfen?" Nicht einfach weglaufen und so tun, als sei nichts passiert – das kriegt nur ein guter Mensch fertig. Ich glaube, diese Frau ist einer der besten Menschen der Welt.

Welche anderen Optionen hat sie verworfen, als die Kacke am Dampfen war?

In dieser Situation gibt es eigentlich nur wenige Möglichkeiten. Man könnte alles gestehen, wie unsere Heldin es schließlich getan hat. Oder man könnte sich stillschweigend vom Tatort entfernen und dumm stellen, falls einen jemand darauf anspricht. Und mal ehrlich: Das ist eine Bude voller Studentenjungs. Wahrscheinlich würde niemand überhaupt merken, dass da ein kleines Gastgeschenk zwischen den Fensterscheiben liegt – die Stink-Halbzeit einer Kackwurst ist auch nicht unbedingt die längste. Irgendwann ist der Spuk vorbei und da liegt nur noch ein verkümmertes, nicht näher identifizierbares Etwas.

Oder – ja, oder was? Welche Wahl hätte sie den sonst gehabt? Alle Anwesenden töten, damit die Wahrheit nie ans Licht kommt? Weinen? Wenn man bis oben hin voll mit Adrenalin ist, kommen einem ausgefallene Ideen. Hat sie vielleicht überlegt, einfach die gesamte Wohnung abzufackeln?

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Haben sie es danach noch getrieben?

Ich kann mich nicht entscheiden, ob ein solcher Vorfall es wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher macht, dass man miteinander schläft. Denn Sex ist eine seltsame Wissenschaft, die man als unbeteiligte Person schwer durchschaut. Wir sind hier nur Voyeure, die sich an ein Kackefenster pressen.

Aber wir können uns die Fakten ansehen: Sie hatten die Frage "Zu mir oder zu dir?" schon hinter sich. Sie haben eine Netflix-Doku geschaut und dabei eine Flasche Wein getrunken. Alles deutet darauf hin, dass Sex geplant war. Und die Sache mit der Scheiße ist ja im Grunde auch eine spaßige Teambuilding-Übung, ein bisschen wie diese Escape Rooms. Die Kopfüber-Eingeklemmt-Panik schweißt sicher mehr zusammen als wochenlanges Abhängen. So gesehen deutet trotz Scheiße-Intermezzo also immer noch alles darauf hin, dass gebumst wurde.

Andererseits: Wenn du gerade vielleicht eine halbe Stunde kopfüber hingst und auf eine (deine!) in Toilettenpapier gewickelte Kackwurst gestarrt hast, und die Feuerwehr ein Fenster zerstören musste, um dich da rauszuholen – vielleicht bist du dann auch nicht so rallig. Ganz schön verzwickte Frage, oder? Ich werde noch wochenlang grübeln.

Kann irgendwas diese Liebe jetzt noch ruinieren?

Die beiden haben sich danach weiter getroffen. Wurst-Gate konnte dieses junge Paar nicht voneinander fernhalten. Gut möglich, dass wir es hier mit einer der großen Liebesgeschichten unserer Zeit zu tun haben. Sind sie vielleicht die neuen Royals der Herzen? Immerhin hat der Romeo mit dem kaputten Fenster den massiven Überschuss aus der Fenster-Reparatur-Crowdfunding-Kampagne an Charitys für Feuerwehrleute und Menschen ohne Zugang zu Toiletten gespendet. Und das im Studentenalter. Ich hoffe auf eine Reality-Show, sobald die Kackewerferin bereit ist, sich zu outen.

Ist das hier unglaublich rührend oder habe ich gerade was im Auge?

Wenn ich das Foto der jungen Frau sehe, die sich kopfüber in das Fenster gequetscht hat, ergreift mich ein Gefühl der Empathie, ein Gefühl so groß und allumfassend wie die Liebe selbst. Ich könnte fast weinen. Vor Freude. Sie hat sich zwischen zwei Fensterscheiben gequetscht, um ihre eigene Kacke zurückzuholen. Das ist die Menschheit, das ist die Welt, in der ich leben will. Kein Rassismus, keine ständigen Konflikte, keine Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Sondern Menschen, die sich dermaßen bemühen, das Richtige zu tun, dass sie sich Hals über Kopf einer deplatzierten Kackwurst hinterher schmeißen. Und dann der junge Mann, der die Spendengelder weiterspendet. Das hier sind beides gute, wundervolle Menschen und ihre Geschichte gibt mir Hoffnung. Ich hoffe, sie haben es noch getrieben. Ich hoffe, sie heiraten. Ich hoffe, sie haben ein langes, schönes Leben. Gute Menschen, die Gutes tun – und die durch etwas so Einfaches und zugleich Poetisches wie einen in Papier gewickelten Schiss zusammenkommen. So könnten wir alle sein, wenn wir es nur versuchen würden. Gott segne euch!

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